Pannen beim Zensus - Statistikamt Berlin-Brandenburg versendet Fragebögen an Verstorbene

Seit gut zehn Tagen läuft die Volkszählung Zensus. Dabei haben die Statistikämter offenbar auch Fragebögen an Tote verschickt. Das ärgert etliche Hinterbliebene, die sich fragen, wie das passieren kann. Von Nico Hecht
Renate Berndt ist schon lange aus Berlin weggezogen, kümmert sich aber noch um das Elternhaus in der Hauptstadt. Dort fand sie nun letzte Woche einen Brief vom Zensus im Briefkasten. Der sei adressiert an ihren Vater, so wie schon beim letzten Zensus 2011. Allerdings ist Renate Berndts Vater schon 1995 verstorben. "Das berührt mich auch persönlich, das ist kein schönes Gefühl. Pietätlos ist das", sagt sie. Und der Ärger ist deutlich zu hören.
Statistikämter bestätigen Einzelfälle
Auch dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg sind solche Pannen bekannt. In einer Erklärung heißt es, das seien Einzelfälle "aufgrund nicht aktueller Registereinträge, zum Beispiel aus den Daten der Grundsteuerstellen oder der Ver- und Entsorger, oder weil die Person nach der letzten Aktualisierungslieferung verstorben ist. Auch bei der millionenfachen maschinellen Erstellung von Anschreiben im Zensus 2022 ist es in vereinzelten Fällen möglich, dass Informationen nicht korrekt verarbeitet werden oder Auskunftspflichtige mehrfach angeschrieben werden."
Beim Bundesamt für Statistik in Wiesbaden fügt der fachliche Zensus-Projektleiter Stefan Dittrich hinzu: "Darüber hinaus haben wir Daten der Liegenschaftskataster eingezogen. Also wenn man ein Haus gekauft hat, gibt es ja einen Eintrag ins Grundbuch."
Zensus-Ergebnisse dürfen ausschließlich für Statistiken benutzt werden
Die Zensusmitarbeiter schöpfen dabei also vor allem aus Registern, deren Ämter in einem Todesfall gar nicht von den Behörden informiert werden. Wenn dort die Namen Verstorbener gestrichen werden sollen, müssen das die Hinterbliebenen selbst veranlassen. Verpflichtet sind die Nachkommen, nur das Standesamt zu informieren. Das benachrichtigt vor allem die Erbschaftssteuerstellen der Finanzämter und die Testamentsregister.
Renate Berndt habe aber auch schon beim letzten Zensus den Mitarbeitern mitgeteilt, dass ihr Vater verstorben sei, sagt sie. Da ärgere es sie, dass auch diese Daten offenbar nicht genutzt werden. "Wozu füllt man diesen ganzen Kram eigentlich aus?", fragt sie. Sie habe kein Verständnis dafür, dass offenbar daraus nicht mal recherchiert werden könnte, dass ihr Vater nicht mehr der Eigentümer ihres Elternhauses sei, weil er ja verstorben sei.
"So soll es aber sein", sagt der fachliche Zensus-Projektleiter Dittrich. Seit einem Gerichtsurteil von 1987 dürfen die Zensus-Ergebnisse ausschließlich für Statistiken benutzt - und nicht mehr an die Verwaltungen weitergegeben werden. Die statistischen Befragungsergebnisse können also den politischen Entscheidern Hinweise geben, wie viele Häuser in Orten oder Ortsteilen stehen, welche Bauart oder welche Energieeffizienzklassen sie haben. Aber sie werden zum Schutz der Bürger nur anonymisiert verwendet.
Keine Angst vor angekündigten Zwangsgeldern
Sorge macht den Hinterbliebenen oft, dass in den Zensusschreiben eine Frist gesetzt wurde für die Beantwortung der Fragen, meist schon der 30. Mai. Dabei wird auch auf die Möglichkeit eines Zwangsgeldes hingewiesen, das fällig werde, wenn man die Antworten verweigere.
Doch wirklich Angst müsse davor niemand haben, sagt eine Sprecherin des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg auf Anfrage. Sie empfiehlt, schriftlich oder über die Telefonhotline mitzuteilen, dass die Angeschriebenen verstorben seien. Auch wenn das bis zur Frist nicht gelingt, droht nicht sofort ein Zwangsgeld: Zunächst kommt eine Erinnerung ins Haus mit einer neuen Frist. Bereits angeforderte Zwangsgelder würden fallen gelassen, wenn der Irrtum aufgeklärt würde.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.05.2022, 17:05 Uhr