Polizeibericht -

Die Polizei zählt immer mehr Fälle von Verbreitung, Besitz und Herstellung von Bildmaterial, das sexuelle Gewalt an Kindern zeigt. Europa ist offenbar zum weltweiten Zentrum dafür geworden. Forschungseinrichtungen sollen helfen, gegenzusteuern.
Die Zahl der registrierten Fälle, bei denen Kinder Opfer von sexueller Gewalt wurden, ist im vergangenen Jahr gestiegen. Das geht aus einer Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervor, wie die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus und der Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, am Montag mitteilten. Die bekannten Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch sind demnach im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent auf über 15.500 gestiegen.
Missbrauchsdarstellungen auch durch Minderjährige verbreitet
Registriert wurde auch ein starker Anstieg bei der Zahl der Straftaten im Bereich der Darstellung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Mit 39.000 Fällen sei ein Anstieg von 109 Prozent zu verzeichnen, wenn es um die die Verbreitung, den Erwerb, den Besitz und die Herstellung von Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen gehe, hieß es.
Es gebe ebenfalls eine starke Zunahme bei der Verbreitung von Missbrauchs-Darstellungen durch Minderjährige selbst, insbesondere Social Media spiele bei der Verbreitung eine große Rolle. Seit 2018 soll sich ihre Zahl verzehnfacht haben.
Forderung nach Forschungszentrum
Die jährlichen PKS-Zahlen geben die der Polizei bekannt gewordenen und durch sie ausermittelten Delikte an, also das sogenannte Hellfeld, wie Münch betonte. Auch das gestiegene Hinweis-Aufkommen trage zu mehr Ermittlungen bei, hieß es. Das Dunkelfeld sei aber vermutlich um ein Vielfaches größer.
Wegen der fehlenden Bezugsgrößen im Dunkelfeld sei nicht klar, wie erfolgreich die Ermittlungen zu sexueller Gewalt gegen Kinder derzeit sind, sagte Claus. Sie forderte daher die Errichtung eines Forschungszentrums zur kontinuierlichen und langfristigen Erhebung von Analysedaten zum Dunkelfeld sexueller Gewalt gegen Kinder in Deutschland.
EU als Hotspot von Missbrauchsdarstellungen
Zudem sprach sich die Bundesmissbrauchsbeauftragte für eine deutlich engere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden in Europa auf. "Europa ist zum Drehkreuz bei der Verbreitung von Missbrauchsabbildungen geworden", erklärte Claus. So werden nach BKA-Angaben rund 60 Prozent der weltweit im Internet verbreiteten Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen auf europäischen Servern gelagert.
Ein EU-Zentrum zur Prävention und Bekämpfung der sexuellen Gewalt gegen Kinder sei in Planung, wie Kerstin Claus mitteilte. Durch das Zentrum könnten Abgleichdatenbanken zentral gepflegt, unbekanntes Material vorsortiert werden, bei dem besonders schnell gehandelt werden müsse, und die nationalen Strafverfolgungsbehörden dadurch entlastet werden.
Auch internationale Zahlen deuten demnach auf eine Zunahme der sexuellen Ausbeutung von Kindern online hin. Nach Angaben des Jahresberichts 2021 der britischen Internet Watch Foundation (IWF) gab es im Jahr 2021 knapp 253.000 Websites mit abgebildetem, verlinktem oder beworbenem Material, das Kindesmissbrauch beinhaltete. Das seien 64 Prozent mehr als im Vorjahr.
Sendung: rbb24, rbb24 Inforadio, 30. Mai 2022, 11:28 Uhr