Volksbefragung 2022 - Zensus-Hotline in Berlin und Brandenburg nur schlecht erreichbar

Beim Zensus sollen Millionen Haus- und Wohnungseigentümer online Auskunft erteilen. Viele Senioren sind damit überfordert oder haben erst gar kein Internet. Eine Hotline soll helfen, doch die bereitet manchen noch größere Kopfschmerzen. Von Mara Nolte
"Das ist eine richtige Sauerei!" - Eberhard Widke ist immer noch außer sich. Vor ein paar Tagen hat er einen Brief vom Amt für Statistik bekommen. Es geht um den Zensus 2022 - ermittelt werden soll, wie viele Menschen in Deutschland leben, wohnen und arbeiten. Die Teilnahme sei verpflichtend, steht dort fett gedruckt. Herr Widke solle online einen Fragebogen ausfüllen, heißt es weiter im Brief, doch Herr Widke hat kein Internet.
Alternativ könne er telefonisch einen Papier-Fragebogen ordern. Doch auch diese Möglichkeit stellt den Rentner vor ungeahnte Herausforderungen. Denn die angegebene Telefonnummer ist für ihn nicht zu erreichen. "X-mal habe ich es versucht, jedes Mal die Auskunft: Diese Nummer ist ungültig." Herr Widke ruft seinen Freund an, der auch kein Internet hat. Bei der Hotline kommt der aber auch nicht durch: "Der hat sich vor Ärger beinahe auf den Boden geschmissen", erzählt Widke. "Ich war so sauer."
Ängstliche und wütende Zuschriften
So wie Eberhard Widke und seinem Freund geht es auch anderen. Zahlreiche Brandenburger und Berlinerinnen, die kein Internet haben oder mit dem Online-Fragebogen nicht zurechtkommen, haben sich beim rbb gemeldet und berichten, dass sie unter den Hotlines des Zensus niemanden erreichen könnten. Teilweise geben sie an, es seit mehreren Tagen zu versuchen.
Eine Frau berichtet, dass sie zuletzt bis nach Magdeburg verbunden worden sei, wo man ihr dann sagte, sie müsse einen Fragebogen aus Brandenburg zugeschickt bekommen. Sie telefoniere sich praktisch von "Pontius zu Pilatus" und niemand sei zuständig oder willens ihr zu helfen.
Viele Zuschriften sind wütend oder ängstlich. Denn im Zensus-Schreiben steht auch: "Erteilen Auskunftspflichtige keine, keine vollständige, keine richtige oder nicht rechtzeitige Auskunft, können sie zur Erteilung der Auskunft mit einem Zwangsgeld (...) angehalten werden." und weiter: "Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden." Als Fristende wird im Brief der 30. Mai 2022 angegeben. Bei einer Stichprobe des rbb sind die angegebenen Nummern erst nach mehrmaligem Versuchen erreichbar.
Amt für Statistik empfiehlt am Abend oder Wochenende anzurufen
Die Projektleiterin des Zensus beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in Potsdam, Kersten Klemm, räumt gegenüber dem rbb ein, dass es bei der Hotline Probleme gibt. "Diese ganze Problematik Hotline ist schwierig, ja. Wir haben jetzt ein erhöhtes Aufkommen an Anrufen bekommen", sagt Klemm. Die Kapazitäten seien nun aber "erheblich erweitert" worden. Trotzdem fehle es auch an Interessenten "für diese recht kurzfristige Callcenter-Tätigkeit". Klemm empfiehlt Betroffenen am Abend oder am Wochenende anzurufen.
Sollte man es bei der Hotline dann doch geschafft haben, bekäme man innerhalb von zwei bis drei Wochen den Papierfragebogen mit einer neuen Frist. Laut Klemm müssen Betroffene auch nicht sofort mit dem Durchsetzen des Bußgelds rechnen. "Wir schicken erst noch eine Erinnerung mit einer neuen Frist raus. Es kann ja auch sein, dass jemand plötzlich im Krankenhaus ist oder im Urlaub". Erst wenn derjenige eine sogenannte Heranziehung bekäme, werde es ein bisschen ernster. "Dann muss man sich bemühen, dort einen Fragebogen zu bekommen", so Klemm.
Herr Widke hat mit dem Zensus erst einmal abgeschlossen. Er hat inzwischen seinen Sohn um Hilfe gebeten. Der sei bei der Hotline zwar auch nicht durchgekommen, habe aber online alles abgewickelt.
Befragungen zur Person und Eigentum von Häusern oder Wohnungen
Seit Mitte Mai läuft in Deutschland der Zensus. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder führen erstmals seit 2011 wieder eine Volkszählung durch. Bundesweit werden mehr als 30 Millionen zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger befragt, wie sie leben, wohnen und arbeiten. Etwa 10,3 Millionen zufällig ausgewählte Menschen werden im Rahmen des Zensus an der eigenen Haustür unter anderem zu Name, Geschlecht, Familienstand und Staatsangehörigkeit befragt. Zudem werden etwa 23 Millionen Eigentümer von Häusern oder Wohnungen online befragt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 25.05.2022, 16 Uhr