Affenpocken - Berliner Gesundheitsämter sehen keinen Anlass für präventive Impfungen

Mitte Mai wurden erstmals Affenpocken in Berlin nachgewiesen. Seitdem wurden 168 Fälle bestätigt. Für die Gesundheitsämter dennoch kein Grund zur Panik: Präventive Impfungen für bestimmte Gruppen halten sie aktuell nicht für notwendig.
Impfungen gegen Affenpocken sollen laut einem Berliner Amtsarzt sehr gezielt eingesetzt werden. Es sei Konsens unter den Gesundheitsämtern der Stadt, dass der Impfstoff erst einmal nicht präventiv bei bestimmten Gruppen eingesetzt werden solle - sondern vor allem bei Menschen, die tatsächlich engen Kontakt zu Infizierten hatten, sagte der Amtsarzt des Bezirks Neukölln, Nicolai Savaskan, am Mittwoch der Nachrichtenagentur DPA.
In der vergangenen Woche hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) hingegen eine Impfung für Risikogruppen mit einem Pockenimpfstoff empfohlen. Ziel der Impfung in solchen Fällen ist es, den Krankheitsverlauf abzumildern. Wann erste Impfdosen in Berlin gespritzt werden könnten, war zunächst unklar.
Das Bundesgesundheitsministerium rechnete für Mittwoch mit einer Lieferung von Pockenimpfstoff, der auch gegen Affenpocken eingesetzt werden kann. Der Bund stelle ihn den Bundesländern zur Verfügung, hatte ein Ministeriumssprecher am Dienstag mitgeteilt. Zum genauen Verteilschlüssel war zunächst nichts bekannt. Die Berliner Gesundheitsverwaltung äußerte sich am Mittwoch auf Anfrage zunächst nicht dazu.
Bislang 168 Fälle in Berlin nachgewiesen
Auf der Internetseite der Gesundheitsverwaltung ist von mittlerweile 168 bestätigten Fällen in Berlin die Rede, 17 Personen müssen oder mussten wegen der Infektion im Krankenhaus behandelt werden [berlin.de/sen/wgpg]. Ende März waren die ersten Fälle in der Stadt nachgewiesen worden. Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht von bundesweit rund 260 Fällen [rki.de]. In insgesamt elf Bundesländern wurden bisher Infektionen erkannt.
Bei dem Vakzin namens Imvanex wird ein abgeschwächtes Impfvirus genutzt, um eine Immunantwort zu erzeugen. Zum geplanten Einsatz sagte Savaskan vor diesem Hintergrund weiter, dass bei Menschen mit unterdrücktem Immunsystem Vorsicht angebracht sei. Zweifel einer Vermehrung und Fusion von Viren seien nicht ausgeschlossen.
"Die Befürchtung ist auch, dass sich Menschen bei vorbeugender Impfung in falscher Sicherheit wiegen und Safer-Sex-Regeln vernachlässigen würden", sagte Savaskan. Kondome schützten, denn für die Übertragung des Affenpockenvirus sei Schleimhautkontakt entscheidend. Der Rat an Menschen mit wechselnden Sex-Partnern sei zudem, sich in Hinblick auf Hautveränderungen regelmäßig zu inspizieren. Wer infiziert sei, solle die Pocken auf der Haut bedecken, um die Umgebung vor einer Ansteckung zu schützen.
Kein Pandemie-Potenzial wie bei Sars-CoV-2
Die Bezirke mit den bislang meisten Fällen sind laut Savaskan Friedrichshain-Kreuzberg, Schöneberg und Neukölln. Die meisten Fälle seien verbunden mit Reisen an Orte, wo es größere Übertragungsereignisse gegeben hatte, nur in wenigen Fällen sei der Ansteckungsort bisher unklar. "In den Bereich der Sexarbeit sind die Affenpocken in Berlin bisher nicht nachweislich eingetragen worden", sagte er, "aber man muss einschränkend dazu sagen, dass die Inkubationszeit ja 21 Tage beträgt, etwaige Infektionen womöglich also erst später bekannt werden."
Savaskan unterstrich, dass wegen der unterschiedlichen Übertragungswege kein Pandemie-Potenzial wie bei Covid-19 zu erwarten sei. Sars-CoV-2 kann anders als die Affenpocken auch durch feinste, in der Luft schwebende Tröpfchen (Aerosole) übertragen werden.
Entgegen der Bezeichnung befällt das Virus vordergründig Nagetiere und nicht Affen. Diese sind ähnlich wie Menschen sogenannte Fehlwirte. Das Virus ist mit dem 1980 ausgerotteten humanen Pockenvirus verwandt, die Krankheit verläuft jedoch deutlich milder.
Sendung: Fritz, 15.06.2022, 10.30 Uhr