Affenpocken - Berliner Gesundheitsämter sehen keinen Anlass für präventive Impfungen

Mi 15.06.22 | 17:59 Uhr
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Eine Labortechnikerin arbeitet mit PCR-Tests an der Erkennung von Affenpocken (Quelle: Europa Press/Eduardo Parra)
Bild: Europa Press/Eduardo Parra

Mitte Mai wurden erstmals Affenpocken in Berlin nachgewiesen. Seitdem wurden 168 Fälle bestätigt. Für die Gesundheitsämter dennoch kein Grund zur Panik: Präventive Impfungen für bestimmte Gruppen halten sie aktuell nicht für notwendig.

Impfungen gegen Affenpocken sollen laut einem Berliner Amtsarzt sehr gezielt eingesetzt werden. Es sei Konsens unter den Gesundheitsämtern der Stadt, dass der Impfstoff erst einmal nicht präventiv bei bestimmten Gruppen eingesetzt werden solle - sondern vor allem bei Menschen, die tatsächlich engen Kontakt zu Infizierten hatten, sagte der Amtsarzt des Bezirks Neukölln, Nicolai Savaskan, am Mittwoch der Nachrichtenagentur DPA.

In der vergangenen Woche hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) hingegen eine Impfung für Risikogruppen mit einem Pockenimpfstoff empfohlen. Ziel der Impfung in solchen Fällen ist es, den Krankheitsverlauf abzumildern. Wann erste Impfdosen in Berlin gespritzt werden könnten, war zunächst unklar.

Das Bundesgesundheitsministerium rechnete für Mittwoch mit einer Lieferung von Pockenimpfstoff, der auch gegen Affenpocken eingesetzt werden kann. Der Bund stelle ihn den Bundesländern zur Verfügung, hatte ein Ministeriumssprecher am Dienstag mitgeteilt. Zum genauen Verteilschlüssel war zunächst nichts bekannt. Die Berliner Gesundheitsverwaltung äußerte sich am Mittwoch auf Anfrage zunächst nicht dazu.

Bislang 168 Fälle in Berlin nachgewiesen

Auf der Internetseite der Gesundheitsverwaltung ist von mittlerweile 168 bestätigten Fällen in Berlin die Rede, 17 Personen müssen oder mussten wegen der Infektion im Krankenhaus behandelt werden [berlin.de/sen/wgpg]. Ende März waren die ersten Fälle in der Stadt nachgewiesen worden. Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht von bundesweit rund 260 Fällen [rki.de]. In insgesamt elf Bundesländern wurden bisher Infektionen erkannt.

Bei dem Vakzin namens Imvanex wird ein abgeschwächtes Impfvirus genutzt, um eine Immunantwort zu erzeugen. Zum geplanten Einsatz sagte Savaskan vor diesem Hintergrund weiter, dass bei Menschen mit unterdrücktem Immunsystem Vorsicht angebracht sei. Zweifel einer Vermehrung und Fusion von Viren seien nicht ausgeschlossen.

"Die Befürchtung ist auch, dass sich Menschen bei vorbeugender Impfung in falscher Sicherheit wiegen und Safer-Sex-Regeln vernachlässigen würden", sagte Savaskan. Kondome schützten, denn für die Übertragung des Affenpockenvirus sei Schleimhautkontakt entscheidend. Der Rat an Menschen mit wechselnden Sex-Partnern sei zudem, sich in Hinblick auf Hautveränderungen regelmäßig zu inspizieren. Wer infiziert sei, solle die Pocken auf der Haut bedecken, um die Umgebung vor einer Ansteckung zu schützen.

Kein Pandemie-Potenzial wie bei Sars-CoV-2

Die Bezirke mit den bislang meisten Fällen sind laut Savaskan Friedrichshain-Kreuzberg, Schöneberg und Neukölln. Die meisten Fälle seien verbunden mit Reisen an Orte, wo es größere Übertragungsereignisse gegeben hatte, nur in wenigen Fällen sei der Ansteckungsort bisher unklar. "In den Bereich der Sexarbeit sind die Affenpocken in Berlin bisher nicht nachweislich eingetragen worden", sagte er, "aber man muss einschränkend dazu sagen, dass die Inkubationszeit ja 21 Tage beträgt, etwaige Infektionen womöglich also erst später bekannt werden."

Savaskan unterstrich, dass wegen der unterschiedlichen Übertragungswege kein Pandemie-Potenzial wie bei Covid-19 zu erwarten sei. Sars-CoV-2 kann anders als die Affenpocken auch durch feinste, in der Luft schwebende Tröpfchen (Aerosole) übertragen werden.

Entgegen der Bezeichnung befällt das Virus vordergründig Nagetiere und nicht Affen. Diese sind ähnlich wie Menschen sogenannte Fehlwirte. Das Virus ist mit dem 1980 ausgerotteten humanen Pockenvirus verwandt, die Krankheit verläuft jedoch deutlich milder.

Sendung: Fritz, 15.06.2022, 10.30 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Und soweit ich informiert bin, werden von Krankenkasse nur zugelassene Arzneimittel bezahlt, denn nur für die gibt es auch entsprechende Verträge. Der Rest muss erst genehmigt werden. Natürlich kann der Bund, wie er es bei corona machen musste, Verordnungen erlassen, mit denen Vergütungen festgelegt werden. Denn die Krankenkasse hat bei Corona nichts bezahlen müssen, was mit der Impfung zusammen hing. Und zum affenpockenimpfstoff: ist hier halt nicht zugelassen. Stikoempfehlung hin oder her.

  2. 9.

    168 Fälle, 0,000057, lol

  3. 8.

    Diese Aussage: "Die Befürchtung ist auch, dass sich Menschen bei vorbeugender Impfung in falscher Sicherheit wiegen und Safer-Sex-Regeln vernachlässigen würden" kann man eigentlich als schwulenfeindlich interpretieren. Der Amtsarzt, wenn er diese Aussage nicht homophob meint, ist zumindest ignorant, was der Begriff Safer-Sex bedeutet. Zum einen, weil er nicht versteht, dass nicht nur Kondome zu Safer Sex zählt, sondern auch PrEP. Zum anderen, weil dem RKI ihn widerspricht.

    Man kann nur hoffen, dass dieser Impfstoff zügig in den Schwerpunktpraxen ankommt, wo Ärzt:innen, die guten Kenntnis zu LGBTQ-Themen diesen Impfstoff zum Einsatz bringen können und die Empfehlung der STIKO durchführen.

  4. 7.

    Soweit ich informiert bin, übernimmt die Krankenkasse die Kosten, wenn es eine Stiko-Empfehlung gibt.
    Diese liegt wohl seit dem 09.06.22 vor.

  5. 6.

    Na ganz toll. Jetzt wird also einfach mal - mit Ankündigung - die Empfehlung der Stiko ignoriert. Wieviele Infektionen muss es noch geben, bis auch die Berliner Verwaltung Handlungsbedarf sieht? Solche Aussagen können nur von Leuten kommen, die selbst nicht gefährdet sind!

  6. 5.

    Und worauf begründet sich Ihre Behauptung?
    Aber ich lese dann gerne in eingen Tagen von Ihrer Einsicht, dass Sie falsch lagen.

  7. 3.

    Ja, nur werden die Impfstoffe nicht zum Hausarzt kommen. Der würde sich auch weigern sie zu verimpfen, es sei denn, der Patient bezahlt komplett selbst. Die Krankenkasse wird das nicht übernehmen.

  8. 2.

    Einer Empfehlung kann man folgen, muss es aber nicht.

    Wer lässt sich beim Gesundheitsamt impfen? Dafür ist der Hausarzt da.

    Gehen Sie zu iIhrem Hausarzt. Der impdt Sie bestimmt und bezieht den Impfstoff ganz normal über die Apotheke wie üblich.

  9. 1.

    Genau das war zu befürchten, das die Empfehlungen der Stiko nicht umgesetzt werden. Die Impfstoffe verschwinden erst mal im Schrank oder werden unter der Hand zugeteilt. Super, da man nicht genug Impfstoffe hat im präventiv Risikogruppen zu impfen. Auch da sich die Kriterien wer zur Risikogruppe gehört nur schwer prüfen lassen. Wie will man denn die Ausbreitung eindämmen? Mit Aufklärung ? Bloß kein Sex bis 50? Schon gar nicht unter Männern ? "Die Befürchtung ist auch, dass sich Menschen bei vorbeugender Impfung in falscher Sicherheit wiegen und Safer-Sex-Regeln vernachlässigen würden". Das sind sie schon durch PrEP, genau deswegen sind ja schon vom Kondom erschlagene Geschlechtskrankheiten wieder zurück. Hier gewährt die Politik ja auch großzügigen Zugang auf Kosten der Allgemeinheit. Nur helfen bei Pocken auch keine Kondome...

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