Interview | Allergieforschung - Warum die Pollen immer länger fliegen

So 19.06.22 | 07:25 Uhr
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Ein junger Mann schnäuzt sich hinter Birkenblüten. (Quelle: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)
Audio: rbb24 Inforadio | 17.06.2022 | Gespräch mit Torsten Zuberbier | Bild: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Für Menschen mit Allergien ist der Frühsommer manchmal eine Qual. Und mittlerweile fliegen die Pollen immer länger. Das hat auch etwas mit Klimawandel zu tun, sagt der Allergieforscher Torsten Zuberbier. Aber nicht nur.

rbb: Herr Zuberbier, lässt es sich tatsächlich auch wissenschaftlich bestätigen, dass sich die Allergiesaison verlängert hat?

Prof. Torsten Zuberbier: Ja, denn wir haben den Klimawandel. Sie können zeigen, dass sich in den letzten 20 Jahren der Pollenflug nicht nur zeitlich ausgedehnt hat - also früher anfängt, später aufhört - sondern auch stärker geworden ist.

Aber - das ist die gute Botschaft: Es muss keine Qual sein, weil wir gute Möglichkeiten zur Behandlung haben. Und die sollte man wahrnehmen, gerade wenn es jetzt so schönes Wetter ist.

Zur Person

Prof. Dr. Torsten Zuberbier (Bild: Charité Berlin)
Charité Berlin

Professor Torsten Zuberbier ist Leiter des Instituts für Allergieforschung an der Charité Berlin.

Warum sind denn die Pollen länger unterwegs?

Wenn Pflanzen bessere Wachstumsbedingungen haben, vermehren sie sich einfach mehr. Pollen sind männliche Samenzellen, und die suchen dann über den Wind getragen irgendwo andere Pflanzen ihrer Art, also Bäume oder Gräser. Und wenn die Witterungsbedingungen gut sind, dann ist dieser Flug eben intensiver.

Auch eine höhere CO2-Konzentration soll da eine Rolle spielen.

Das ist richtig - primär an vielbefahrenen Straßen können wir erheblich besseres Pflanzenwachstum messen. CO2 ist schlichtweg ein Dünger für Pflanzen, Pflanzen atmen CO2 ein und Sauerstoff aus. Bei uns ist es genau umgekehrt.

Ist das also auch ein Grund dafür, dass die Pollenmenge insgesamt gestiegen ist?

Nein, die Pollenmenge ist insgesamt primär durch die wärmere Witterung gestiegen, weil Pflanzen dann besser wachsen können. Aber die Pollenmenge in innerstädtischen Bereichen hat durchaus etwas mit den CO2-Konzentrationen durch den Verkehr zu tun. Andererseits muss man sagen: Verkehr an innerstädtischen Straßen gab es natürlich auch vor 40 Jahren. Damals wurden aber die Mittelstreifen regelmäßig gemäht. Inzwischen wachsen da zum Beispiel die Gräser gut – das lässt sich zumindest für Berlin sagen.

Also, wo man eigentlich denken würde, gute Umweltmaßnahme, ist das für Allergiker:innen vielleicht nicht das Beste. Eigentlich würde man doch sagen, dass in Städten gar nicht so viele Pollen unterwegs sind wie zum Beispiel auf dem Land. Kann man das so einfach sagen?

Nein, in den Städten sind nicht nur Gräserpollen ganz kräftig unterwegs, sondern auch Kräuterpollen. Und die Baumpollen – zum Beispiel Birkenpollen - wehen teilweise 20 Kilometer weit. Da muss man schon sehr weit weg sein. Allerdings kann man sagen, es wäre jetzt an der Zeit, städtische Bepflanzungspläne zu überdenken, zum Beispiel keine Birken und allergene Pflanzen im Stadtinneren anzupflanzen.

Gibt es denn auch regionale Unterschiede? Sind also Menschen in Berlin und Brandenburg anders betroffen als in Bayern oder Nordrhein-Westfalen?

Nein regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt es überhaupt nicht. Natürlich gibt es das Extrem: Wenn Sie auf Hallig Hooge wohnen - da ist keine einzige Birke, da wird auch kein Baumpollen-Problem entstehen. Aber im Allgemeinen ist es in der Bundesrepublik egal, ob Sie im Süden, im Norden, Osten oder Westen wohnen, wenn es um Pollenbelastung geht.

Dazu kommt, dass es auch immer mehr Allergiker und Allergikerinnen gibt. Woran liegt das?

Das ist eine spannende Frage. Bei 60 Prozent der Bevölkerung gibt es eine Anlage für Allergie in den Genen. Hintergrund ist, dass das in der Evolutionsgeschichte ein Teil des besseren Immunsystems war. Allergiker - das ist die gute Botschaft – haben statistisch gesehen weniger mit schweren Erkrankungen zu tun. Und der Unterschied ist, dass bei diesem guten Immunsystem vermehrt Stoffe als gefährlich eingeschätzt werden, die eigentlich harmlos sind - wie beispielsweise die Pollen oder Hausstaubmilben. Das ist eine Frage von Lebensbedingungen. Und dafür ist unser modernes Leben ausschlaggebend.

Jetzt haben Sie ja gleich am Anfang schon gesagt, es gibt auch eine gute Nachricht, nämlich dass es besser behandelbar ist. Wie denn?

Es gibt die Möglichkeit, mit Stufentherapie so zu behandeln, dass man praktisch nebenwirkungsfrei und ohne Beschwerden sein kann. Es beginnt mit nicht müde machenden Antihistaminika-Tabletten. Dazu kommen moderne Sprays für die Nase, bloß keine abschwellenden, aber moderne kortisonhaltige Sprays. Kortison, das nicht mehr in die Blutbahn aufgenommen wird. Und dann gibt es auch weitere Schritte. Ganz wichtig ist es, rechtzeitig zur Diagnose und zur Besprechung der Therapie den Arzt aufsuchen. Nicht einfach nur dazusitzen und zu warten, bis der Pollenflug aufhört.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dörthe Nath, rbb24 Inforadio.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.06.2022, 10:05 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Hallo, ja, das Mittel ist nicht ganz billig, aber, wenn es doch hilft, die anderen üblichen Mittel sind auch nicht kostengünstig. Meinen Arzt kann ich zwar fragen, aber der weiß doch nicht welches Mittel wirkt. Ich habe mit einer kleinen Einheit begonnen und sofort gemerkt, es wirkt. Man muss es ausprobieren. Viel Erfolg und alles gute

  2. 11.

    In jeder Apotheke, freue mich über die Nachfrage , wünsche gute Besserung, lg

  3. 10.

    Das Mittel ist ziemlich teuer. Bevor Sie dafür Geld ausgeben, sollten Sie zunächst Ihren Hausarzt befragen, ob Sie für Placebos gut empfänglich sind. Falls nicht, sollten Sie die Finger davon lassen.

  4. 9.

    Frage: haben Sie auch mal die 3 jährige Hypersensibllisierung gemacht? Voran geht ein Desensibilisierungs Test. Dieser zeigt an wogegen Sie auf alles allergisch sind. Aber wenn Ihnen das Mittel Allvent genügt, ist ja alles in Ordnung.

  5. 8.

    Noch nie gegoogelt? Innerhalb von ein paar Sekunden habe ich das Mittel Allvent gefunden.

  6. 7.

    Mir hiflt ein Mittel ganz besonders, es ist kostenfrei, hat keine negativen Nebenwirkungen, macht jeden Arztbesuch obsolet, erspart mir Therapien, die nachhaltig in mein Immunsystem eingreifen (nein, ich bin keine Impfgegnerin), aber leider ist es Mangelware geworden: REGEN.

  7. 5.

    Ich habe diesen belastenden Heuschnupfen seit 56 Jahren. Ich habe alle Mittel durch die es auf dem Markt gibt. Auch die nicht müde machenden, wo ich mich immer schlapp und gedopt gefühlt habe und nie so richtig beschwerdefrei war. Ich bin gegen alles mögliche was grünt und blüht allergisch, besonders aber gegen Birken.
    Nun bin ich auf ein pflanzliches Mittel gestoßen und bin endlich befreit. Es heißt Allvent , zwei Kapseln am Morgen und ich kann endlich mal ins Freie gehen ohne Beschwerden.

  8. 4.

    Mit Stufentherapie ist hier wohl die sequentielle Abfolge der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gemeint bis eine Besserung eintritt, Hyposensibilisierung ist eine davon. Diese kann ganz gut helfen, bei mir leider nur wenig. Auch 4 Tabletten täglich hatten kaum Effekt. Dafür hilft mir Budesonidspray enorm, ganz selten mal ein Sprühstoß und die Symptome sind weg.
    Das mit dem abhängig werden gilt für anschwellende Schupfensprays, kortisonhaltige können einfach austrocknen. Aber dagegen hilft einfach eine gewöhnliche Nasensalbe.

  9. 3.

    Ich habe eine fünfjährige Desensibilisierungsbehandlung gegen Gräser und Pollen hinter mir. Herausgekommen ist nichts. Bin genauso von stark juckenden Augen und Niesattacken betroffen wie zuvor. Lora und Cetirizin mildern die Symptome zum Glück etwas. Also „die gute Nachricht“,auch bei diesem Thema gibt es die ganze Bandbreite an Möglichkeiten.

  10. 2.

    Danke für das interessante Interview. Dazu aus persönlicher Erfahrung noch Folgendes angemerkt: Kreuzallergien bekommt man gut in den Griff, wenn man in der Pollenzeit auf bestimmte Nahrungsmittel, wie Kernobst, verzichtet. Ich habe lange gebraucht, um überhaupt einordnen zu können, dass ich z.B. während des Birkenpollenflugs bei gleichzeitigem Genuss von tgl. einem Apfel übelste Beschwerden habe. Alle Nahrungs- und Genussmittel, wie etwas Bier, die die Ausschüttung von Histaminen beeinflussen, muss ich leider meiden, aber es hilft ungemein!
    In Berlin haben wir noch ein ganz besonderes Problem-Kraut, gegen das kaum noch vorgegangen wird, obwohl sein drastisches Allergiepotenzial zweifelsfrei anerkannt ist: die fiese Ambrosia, sie blüht ab Sommer bis in den späten Herbst hinein und gedeiht fröhlich zwischen Gräsern an vielen Orten der Stadt. Dieses nordamerikanische Gewächs macht Atemnot, sie gehört konsequent ausgerupft, aber leider: https://ambrosia.met.fu-berlin :(

  11. 1.

    Habe diese 3 jährige Stufentherapie gemacht und bin nun gegen Pollen und Haustaubmilben so gut wie beschwerdefrei. Zur Vorsicht habe ich immer zuhause das Mittel Loratadin 10mg. Es ist frei verkäuflich. Kann jedem nur empfehlen diese Hypersensibilisierung zu tätigen. Nasensprays helfen immer nur kurzfristig und machen die Nasenschleinhäute abhängig davon.

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