Mit Laptop und Smartphone zur eigenen Wohnung - Wie ein Berliner Digital-Projekt Menschen in eine neue Bleibe bringt

Ohne Smartphone oder Laptop ist es fast unmöglich, eine Wohnung zu finden. Das Berliner Projekt "Digitales Zuhause" stattet Wohnungslose mit Geräten aus und schult sie in der Benutzung. Dafür gab es nun eine Auszeichnung für das Projekt und erste Schlüsselübergaben. Von Anja Herr
Talal Khalifa muss kurz lachen, wenn er an den Zustand seines Laptops von vor zwei Jahren denkt. Das Gerät war langsam. Zu langsam. Voller Viren. Er kannte sich nicht aus damit. Und das, obwohl er dringend eine Wohnung brauchte. "Wegen Corona konnte ich nirgends direkt hin, zu keiner Wohnungsbaugenossenschaft, zu keiner Beratungsstelle", erinnert er sich. Talal Khalifa und seine damalige Frau hatten sich getrennt. Er kam vorübergehend in einer Trägerwohnung des Vereins "Neue Chance" unter. Aber sein Ziel war es, eine eigene Wohnung zu finden.
"Wohnungslose haben oft weder Smartphone noch Laptop"
Neben ihm sitzt Sozialarbeiter Domingo Waller und nickt zu Talal Khalifas Worten. Auch er erinnert sich gut an diese Zeit, an den unsäglichen Zustand des Laptops. Er hat ihn wieder fit gemacht - und Talal Khalifa dabei geholfen, eine Wohnung zu suchen. Waller arbeitet beim Verein "Neue Chance" und ist Mitbegründer des Projekts "Digitales Zuhause". Zu Beginn der Corona-Zeit fielen ihm und seinen elf Kolleg:innen auf, dass Wohnungslose es plötzlich besonders schwer hatten: "Behördenkontakte waren nur noch online möglich, auch die Wohnungssuche generell", erinnert er sich.
"Menschen, die sowieso schon digital abgehängt und benachteiligt waren, konnten den alltäglichen Anforderungen plötzlich gar nicht mehr gerecht werden", sagt Waller. Mit dem Projekt wollten sie gegensteuern: Wohnungslose mit Geräten ausstatten und sie beraten, damit sie wenigstens die Chance haben, eine Wohnung zu finden. "Es ist oftmals so, dass die wohnungslosen Menschen in den Trägereinrichtungen über keine digitalen Endgeräte verfügen - sie haben weder Smartphone noch Laptop", berichtet Waller. Das funktioniere in der heutigen Zeit nicht mehr. Die Welt werde immer digitaler, die Geräte seien unbedingt notwendig, um gut leben zu können.

Firmen spenden Geräte
Zu Beginn sammelte der Verein Geräte-Spenden von Privatpersonen ein, das reichte aber bald nicht mehr. "Der Bedarf war und ist sehr groß", sagt Waller. Deshalb arbeiten sie jetzt immer häufiger mit Firmen zusammen. Wenn diese ihre Laptops zum Beispiel auf Grund von neuer Software austauschen, spenden sie die alten Geräte an den Verein "Digitales Zuhause". Mittlerweile haben sie einen Mitarbeiter, der extra dafür zuständig ist, die gespendeten Geräte so aufzubereiten, dass sie von den Wohnungslosen gut genutzt werden können.
Außerdem erhält der Verein eine Förderung der "Aktion Mensch". Mit dem Geld finanziert er Schulungen für Wohnungslose, damit diese lernen, die Geräte richtig zu bedienen. Sozialarbeiter richten die Geräte ein, helfen bei der Recherche von Wohnungsanzeigen und beim Umgang mit Textbearbeitungsprogrammen, E-Mail-Diensten oder sozialen Medien.
"Sie waren wie gute Freunde, das hat mir Mut gemacht"
Talal Khalif hat davon profitiert - und nach einem Jahr eine Wohnung in Marzahn gefunden. Die Zusage kam per Mail. "Alleine hätte ich aufgegeben", mutmaßt er heute. Aber durch das Projekt "Digitales Zuhause" hat es funktioniert. "Die waren wie gute Freunde für mich. Das hat mir Mut und mich stark gemacht", sagt Talal Khalif. 130 Menschen hat der Verein bislang auf diese Weise helfen können. Domingo Waller hofft, dass sie das Projekt noch ausbauen und somit weiteren Menschen helfen können.
Dass sie zum Digitaltag den Preis für digitales Miteinander in der Kategorie "Digitale Teilhabe" gewonnen haben, freut ihn - immerhin gibt es neben der Auszeichnung auch noch 10.000 Euro Preisgeld, die in das Projekt fließen. Dass es also fortgeführt werden kann, sei wichtiger denn je. "Wir müssen auch auf die Nebeneffekte der Digitalisierung schauen. Es gibt Menschen, die da auf der Strecke bleiben", sagt der Sozialarbeiter. Menschen, die nicht als so genannte "Digital Natives" aufgewachsen seien, fehlten die Kenntnisse häufig. "Aber auch ihnen müssen wir die Möglichkeit geben, dass sie digital teilhaben können."
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.06.2022, 19:30 Uhr