rbb-exklusiv - Beschlagnahmtes Vermögen bei Encrochat-Ermittlungen geht in die Millionen

Do 09.06.22 | 06:14 Uhr
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Razzia bei der Bülowstraße in Berlin Schöneberg. (Quelle: M. Pudwell)
Bild: M. Pudwell

Nachdem Sicherheitsbehörden den Krypto-Messengerdienst Encrochat geknackt haben, laufen etliche Verfahren gegen Waffen- und Drogenhändler, auch in Berlin. Die Summe der beschlagnahmten Vermögenswerte explodiert. Von Sebastian Schöbel

Die Summe der Vermögenswerte, die bisher im Zusammenhang mit den Encrochat-Ermittlungen im Milieu der organisierten Kriminalität von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wurde, ist in nur sechs Monaten um fast das Fünfzigfache gestiegen. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Anfrage des Linken-Politikers Sebastian Schlüsselburg hervor, die dem rbb exklusiv vorliegt.

Wurden noch bis November 2021 Waffen, Drogen, Bargeld und Luxusgegenstände im Wert von rund 650.000 Euro beschlagnahmt, stieg die Summe laut Innenverwaltung bis Mai 2022 bereits auf rund 30 Millionen Euro.

Ermittler entwickeln neue forensische Verfahren

Bei der Berliner Polizei waren im Mai 744 Sachverhalte im Zusammenhang mit Encrochat anhängig, die Staatsanwaltschaft ermittelt in 348 Verfahren. 34 Personen befinden sich laut Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Ermittelt wird hauptsächlich wegen Drogendelikten, Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz und wegen Geldwäsche.

"Die bisherige Ermittlungsarbeit ist ein großer Erfolg für den Rechtsstaat", sagte Schlüsselburg dem rbb. Der Linken-Politiker plädierte erneut dafür, "einen Teil des abgeschöpften kriminellen Vermögens auch direkt zur Stärkung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten zu verwenden".

Französischen Behörden war es im Juni 2020 gelungen, das vor allem von Kriminellen genutzte Encrochat-Netzwerk von Kryptohandys zu infiltrieren. Insgesamt liegen der Berliner Polizei dadurch rund 1,6 Millionen Datensätze vor. Dafür haben die Berliner Ermittler laut Landeskriminalamt zum Teil neuartige forensische Verfahren entwickelt: So ist es ihnen unter anderem gelungen, auf Fotos, die über den Messengerdienst verschlüsselt geteilt wurden, selbst kleinste Details wie Fingerabdrücke zu identifizieren.

Strafverfolgung wird massiv aufgestockt

Mit den Encrochat-Ermittlungen sind bei der Staatsanwaltschaft inzwischen vier Abteilungen und eine Spezialeinheit beschäftigt. Am Landgericht Berlin sind fünf zusätzliche große Strafkammern eingeplant, um die Vielzahl von Gerichtsverfahren zu bewältigen. Zwei der Kammern arbeiten bereits. Im Amtsgericht Tiergarten wurden vier Sicherheitssäle für die Verhandlungen eingerichtet, zwei weitere Säle werden am Landgericht entstehen. Allein die Menge an Gerichtsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ist mittlerweile so groß, dass alle 28 Strafkammern Fälle dazu aufnehmen.

Weitere Verfahrenswelle durch "SkyECC"-Messenger

Nachdem auch der von vielen Kriminellen genutzte Krypto-Messengerdienst SkyECC von Sicherheitsbehörden geknackt wurde, laufen auch in Berlin dazu bereits erste Verfahren. "Der Datenbestand soll angeblich viermal so groß sein wie bei Encrochat", sagte Schlüsselburg. "Es wird also noch mehr Arbeit auf die Strafverfolgungsbehörden zukommen."

Die Polizei Berlin hat laut Innenverwaltung 38 Datenpakete von Europol angefordert. Bei der Staatsanwaltschaft sind inzwischen neun sogenannte "Sky-Verfahren" anhängig. In der Regel wird ermittelt wegen Drogen-, Geldwäsche- und Waffendelikten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.06.2022, 6 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    @henrik
    30 Mio in einem halben Jahr sind ein " lächerlicher Betrag " ?
    Da müssen Sie ja ein tolles Einkommen haben.

  2. 6.

    Ihre Feststellungen stützen sich auf welche Daten die wo ersichtlich sind?

  3. 5.

    Eine lächerlich geringe Summe. So viel Geld wird in der Szene jeden Tag umgesetzt. Immerhin es dient der Öffenlichtkeit zu zeigen, wir machen was.

  4. 4.

    Das ist doch toll. Kann man dann bei nachweislich Straftat gleich den jeweiligen Bundesländern in die Kassen spülen, damit hier ein klares Signal gesetzt wird. Ganz nebenbei bauen die Bundesländer dadurch ihre Schulden ab.

  5. 3.

    Weiter so - und die beschlagnahmten Vermögenswerte ausnahmslos in den Staatshaushalt überführen, wenn sie nicht aus Diebstahl, Raub und Mord stammen - diese müssen an die Betroffenen zurück.
    Und die Luxuskarren in Anwesenheit der Straftäter verschrotten.

  6. 2.

    Und was passiert mit den ermittelten Tätern? Nichts. Ein "dudu" und das war's dann. Die Täter machen anschließend da weiter wo sie aufgehört haben.

  7. 1.

    Das sind gute Nachrichten von der Berliner Polizei, der Berliner Staatsanwaltschaft und den Berliner Gerichten. Sehr gut, weiter so. Schon vor über 20 Jahren haben italienische Behörden beklagt dass Deutschland ein Geldwäsche- und Steuerhinterziehungs-Paradies ist. Schwarzgeld aus krimminellen Geschäften konnte zu leicht in Immobilien und Firmen investiert werden. Darüber gibt es Bücher und ausführliche journalistische Recherchen. Bitte solche Maßnahmen auch bei der Steuerhinterziehung vornehmen. Dem deutschen Gemeinwesen entgehen jährlich Milliardenbeträge.

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