Nach Amokfahrt am Breitscheidplatz - 29-jähriger Fahrer macht bislang keine Angaben zur Tat

Fr 10.06.22 | 17:00 Uhr
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Ein Wagen eines Sicherheitsdienstes steht vor dem Geschäft, wo am Mittwoch ein Auto in das Schaufenster gefahren war. Am Vortag war ein 29-jähriger mit seinem Auto in der Nähe der Berliner Gedächtniskirche in eine Schülergruppe aus Hessen gefahren, deren Lehrerin ums Leben kam. (Foto: Fabian Sommer/dpa)
Audio: rbb24 inforadio | 10.06.2022 | Franziska Giffey | Bild: Fabian Sommer/dpa

Eine Frau ist tot, mehr als 30 Menschen sind verletzt. Der Autofahrer ist in der Psychiatrie untergebracht und schweigt bisher zur Tat. Der Senat hat für Betroffene der Amoktat ein Beratungstelefon eingerichtet.

Die Ermittlungen zu der tödlichen Amokfahrt am Kurfürstendamm in Berlin werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft umfangreich gestaltet und einige Zeit in Anspruch nehmen. Der 29 Jahre alte Fahrer hat bislang keine Angaben zur Tat gemacht. Er befindet sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft in einem psychiatrischen Krankenhaus. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat eine psychische Erkrankung des Mannes zu der Todesfahrt geführt, bei der eine Frau getötet und mehr als 30 Menschen verletzt wurden. Bereits zuvor ist der Mann mehrfach psychologisch auffällig gewesen.

Sozialpsychiatrischer Dienst hat mehrfach eingegriffen

Der sozialpsychiatrische Dienst des Bezirkes Charlottenburg-Wilmersdorf habe seit 2014 mehrfach eingreifen müssen, sagte der Bezirksstadtrat für Jugend und Gesundheit, Detlef Wagner (CDU), am Freitag. Das letzte Mal sei dies Anfang 2020 der Fall gewesen. Eine konkrete Anzahl der Einsätze nannte Wagner mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht.

Nach rbb-Informationen ist der Deutsch-Armenier 2020 an eine psychiatrische Klinik überstellt worden, wo eine Einweisung geprüft werden sollte. Was dann geschah, ist nicht bekannt. "Wir sind immer die Erstintervenierenden", erklärte Wagner. "Danach sind wir raus." Dies sei auch im Fall des 29-Jährigen so, sagte der Bezirksstadtrat. Nach Anfang 2020 gebe es keine weiteren Eintragungen. "Der Mann ist - jedenfalls laut unseren Akten - nicht mehr mit psychischen Problemen in Erscheinung getreten", so Wagner.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mord und versuchten Mord in 17 Fällen

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor. Er war am Mittwoch auf dem Ku'damm und der Tauentzienstraße in zwei Menschengruppen gefahren. Besonders getroffen von der Tat ist eine Schulklasse aus dem nordhessischen Bad Arolsen, die in der Hauptstadt zu Gast war. Die Lehrerin starb, ein Lehrer und sieben Schüler kamen mit schweren Verletzungen in Krankenhäuser, 17 weitere Menschen wurden verletzt.

Schweigeminute im Bundesrat

Der Bundesrat legte am Freitag eine Schweigeminute ein und gedachte damit der Opfer in Berlin und des tödlichen Zugunglücks von Garmisch-Partenkirchen. "Wir verurteilen die Gewalttat am Ku'damm, wir trauern um die Toten in Berlin und in Bayern, wir fühlen mit den Verletzten und den Angehörigen der Opfer", sagte Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Im Anschluss erhob sich das Plenum.

Am Vorabend hatten der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Tatort Blumen für die Opfer niedergelegt. "Ich empfinde ganz tiefe Trauer, wenn ich diesen Ort sehe, und mein Herz ist wirklich schwer, seitdem ich die Nachrichten erfahren habe", sagte Rhein.

Kostenfreie Hotline für Betroffene

Das Land Berlin hat für alle Betroffenen der Amoktat ein kostenfreies Beratungstelefon eingerichtet, bei dem betroffene Personen erste psychosoziale Unterstützung erhalten können, wie der Senat am Freitag mitteilte. Die kostenfreie Nummer lautet 0800 – 0009547 und sei an jedem Tag der Woche zu jeder Uhrzeit erreichbar.

Diskussion um Verkehrsberuhigung

Unterdessen ist in der Hauptstadt erneut eine Diskussion entbrannt um die Gestaltung des Areals rund um Ku'damm und Gedächtniskirche, das zu den beliebtesten Orten für Touristen und zum Einkaufen in Berlin zählt. 2016 war dort ein islamistischer Attentäter auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gefahren. Rund um den Platz wurden danach schwere Absperrungen aufgestellt. Genau gegenüber ereignete sich nun die tödliche Autofahrt.

Sendung: rbb24 inforadio, 10.06.2022, 16 Uhr

25 Kommentare

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  1. 25.

    Schön, wie hier wieder alle wissen, was zutun ist.
    Die Person ist schon häufig mit Straftaten aufgefallen.
    Auch ein „psychisch Kranker“ kann zur Tatzeit voll zurechnungs- und damit schuldfähig sein. Andererseits kann ein ansonsten Gesunder in einer Ausnahmesituation nur eingeschränkt oder gar nicht schuldfähig sein. Darum geht es vor allem bei der Bewertung der Tat. Wenn sich folgende Zeugenaussage bestätigen sollte: „Er überfuhr die Lehrerin, setzte zurück und überrollte sie nochmal“, das zeigt auf, dass er sehr wohl sehr bewusst und vorsätzlich das Verbrechen begangen haben könnte. Deutschland hat sich ganz bewusst für eine ungefilterte Einwanderung sowie die damit verbundenen Risiken und Gefahren, auch für die einheimische Bevölkerung, entschieden. Immer wieder auf „psychische Erkrankungen“ bei schweren Verbrechen, Terroranschlägen oder Amoktaten zu verweisen, geht deshalb meines Erachtens regelmäßig am Thema vorbei.

  2. 24.

    Lesen Sie Paragraph 7 PsychKG. Entweder bekommt der Täter einen Strafprozess oder er wird in die forensische Psychiatrie im Rahmen eines sogenannten Sicherungsverfahren eingewiesen! Auch der Begriff der Gemeingefährlichkeit kommt dabei zum tragen.

  3. 23.

    Von der Unschuldsvermutung haben viele Bürger anscheinend noch nichts gehört.

    Erst wenn die Berufsrichter und Schöffen das Urteil über diesen Mann gesprochen haben und es rechtskräftig ist, ist er schuldig

  4. 20.

    Auch im Maßregelvollzug darf niemand gegen seinen Willen therapiert werden.

    Ob die Richter und Schöffen das Mittel der Unterbringung genug nutzen, kann niemand beurteilen, der nicht am Verfahren und der Beratung teilgenommen hat

    Ihre Aussage ist teilweise Unsinn

  5. 19.

    Dolmetscher werden bei der Polizei dazu geholt, um eine rechtlich einwandfreie Aussage gewährleisten zu können. Auch wenn der Täter sich auf Deutsch verständigen kann (Niveau A2-C1), muss er deswegen nicht jedes Wort der deutschen Sprache kennen und verstehen. Im Zweifelsfall kann die Verteidigung später behaupten, der Mandant hätte eine Frage nicht richtig verstanden oder eine Antwort anders gemeint. Von der Anwesenheit eines Dolmetschers lässt sich also nicht darauf schließen, dass der Mann "kaum ein Wort Deutsch" spricht.

  6. 18.

    Der Mann lebt seit 14 Jahren in Berlin. Da er kein Deutsch spricht, musste die Polizei bei der Vernehmung einen Dolmetscher hinzuziehen. Er wurde vor sieben Jahren eingebürgert. Bei den Ermittlungen sind vereidigte Dolmetscher erforderlich, um eine Verständigung zu ermöglichen. Wie funktioniert eine Einbürgerung, wenn der Bewerber kaum ein Wort deutsch spricht? Es handelt sich bei dem 29-jährigen Gor H. um einen Armenier mit deutschen Pass, der eine geraume Zeit seines Lebens in Deutschland zubringt. Natürlich muss bei diesem Armenier eine Störung oder Erkrankung vorliegen. Einen psychisch gesunden Amoktäter habe ich weltweit bisher noch nirgendwo beobachten können. Den gibt es nicht und wird es mutmaßlich nie geben. Normalerweise versucht ein gesunder Mensch auch nicht, massenhaft seine Artgenossen umzubringen.

  7. 17.

    Sie pauschalisieren beim Blick auf psychisch Kranke. Den Fall den ich als Opfer eine psychischen Kranken erlebt habe hat mir gezeigt, dass dieser Täter genügend kriminelle Energie hätte um auch als Gesunder diese Straftaten zu begehen. Jeder Fall muss einzeln betrachtet werden. Der Brandstifter bei uns im Haus hat sich sogar auf seine psychisch Erkrankung berufen, als festgenommen wurde. Ich empfehle auch die Lektüre von Paragraph 7 PsychKG.

  8. 14.

    Die Richter (und deren Gutachter) nutzen viel zu zögerlich das Instrument der Psychiatrie-Einweisung schizophren-paranoider Menschen … Ja, es stellt einen Freiheitsentzug dar … Aber die Gesellschaft besitzt dieses präventive Mittel aus (offensichtlich) gutem Grund … Überall und immer häufiger trifft man im öffentlichen Raum der Stadt auf psychisch auffällige Menschen ... Vermutlich gefangen in einer Psychose …. Im Selbstgespräch, laut schreiend und fluchend oder auch schweigend in sich gekehrt herum stehend … Diesen Menschen brauchen (gerichtlich verordnete) Hilfe und stellen (leider) ein echtes Sicherheitsrisiko dar … Denn ganz plötzlich attackieren sie andere … Die Fremdgefährdung ist hier bereits EXISTENT, liebe Richter und muss nicht erst durch Tat bewiesen werden !

  9. 13.

    Führerschein weg bei diagnostizierter Schizophrenie

  10. 12.

    Viel wird bei dem kommenden Prozess wohl nicht rauskommen. Geht dann wohl in eine Geschlossene. Hoffentlich wird allen Opfern die nötige Hilfe zuteil, ohne grossen bürokratischen Aufwand.

  11. 11.

    Ihr Verständnis von psychischen Erkrankungen lässt mich an ihrer Intelligenz zweifeln. Und nun?
    Wann dürfen wir sie untersuchen, falls sie - sicherheitshalber - in eine Klinik eingewiesen werden sollten?

    Der "Täter" ist - neben den anderen Opfern auch selbst Opfer - Opfer seiner Krankheit, Opfer mangelnder oder zu rarer Hilfe und medizinischer Unterstützung durch lange Wartezeiten auf Therapieplätze, die man selbst als "Gesunder" kaum durchhalten würde...
    Bei klarem Verstand, ohne Einfluss seiner Erkrankung würde er vermutlich sein eigenes Handeln auch verurteilen.

  12. 10.

    Beschäftigen Sie sich mit dem PsychKG und Sie werden erkennen warum. Dieses Gesetz bedarf in Fällen wo psychisch Kranke erkennbar eine Gefahr werden dringend eine Reform.

  13. 9.

    Das Problem liegt darin, dass erst gehandelt wird, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Anfang des Jahres habe ich persönlich die gleiche Erfahrung machen müssen. Erst nach Brandstiftung wurde ein psychisch Kranker in die Psychiatrie eingewiesen. Zuvor hatte er erhebliche Schäden an der Bausubstanz des Hauses angerichtet und Mieter mit dem Tod bedroht. Der Vermieter unterließ aber Anzeigen, wir Mieter haben, ich weiß nicht oft, die Polizei gerufen, trotz Anzeigen konnte sie nicht helfen!

  14. 8.

    Stimmt, was auffällt ist, dass der Täter sich ein Ort aussuchte, der bzgl. eines Attentats schon mal traurige Berühmtheit erlangte, zudem touristisch stets gut besucht ist, wegen der zentralen Lage jeder weiß, wo dieser Platz ist und zudem für ein Attentat wegen vieler Menschen auf sehr großzügigen Gehwegen sich bestens eignet.
    Der Mann mag „psychisch“ auffällig sein, aber der Mann hat seine Tat schon allein deswegen geplant, weil die Wahl des Orts für den Anschlag gegen ihn spricht.

  15. 7.

    Und das Problem sind nicht die Autos. Das Problem ist, dass es keine systematische und niedrigschwellige Hilfe gibt. Die Behörden machen den Zugang schwer durch Berge von Formularen. Arzttermin? Therapie? Wenn immer nur versucht wird, Kosten einzusparen, werden wir immer mehr solcher Fälle haben. Unsere Gesellschaft produziert Arme und Kranke, dazu traumatisierte Flüchtlinge, Angst vor Klima und Krieg und und
    Obwohl psych. Erkrank. rasant ansteigen, wird das Probl v d Politik nicht ernst genomm

  16. 6.

    Solange psychische Erkrankungen nicht wirklich ernst genommen werden, wird es leider wohl eher mehr als weniger selbst- oder fremdschädigenden Verhalten aufgrund von Psychosen geben. Es mag ja vielleicht richtig sein, dass psychisch Kranke nicht gegen ihren Willen behandelt werden. Ich habe es allerdings noch nie erlebt, dass mich eine Ärztin bei einer schwerwiegenden körperlichen Erkrankung fragt, ob ich "gerne" ins Krankenhaus "möchte", da heißt es immer "Sie müssen", obwohl man auch nicht gegen den eigenen Willen behandelt werden darf. Bei psychischen Erkrankungen habe ich das schon des öfteren erlebt. Einmal auch, als ich mit einer Freundin mit einer akuten schitzophrenen Psychose im Krankenhaus war, und die Ärztin ihr diese Frage stellte. Wäre ich nicht dabei gewesen und hätte sie davon überzeugt, das es besser ist zu bleiben, hätte die Ärztin die Freundin wieder gehen lassen, weil sie auf einmal nicht mehr ins Krankenhaus wollte.

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