20 Jahre kein Personenverkehr - Zwischen Guben und Zielona Góra fahren wieder Regionalbahnen

Sa 11.06.22 | 11:15 Uhr | Von Rico Herkner
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Triebzug PESA 218M ist für die Bedienung der Verbindung RB92 geplant. (Quelle: UMWL)
Audio: Antenne Brandenburg | 10.06.2022 | Fred Mahro (CDU) | Bild: UMWL

Bahnreisende können ab Sonntag wieder direkt von Guben in die polnische Universitätsstadt Zielona Góra fahren - nach 20 Jahren wird die Verbindung reaktiviert. Es ist ein Etappenziel auf dem Weg zum weiteren Ausbau der Strecke. Von Rico Herkner

Seit 2002 war sie für den Personenverkehr gesperrt: die direkte Regionalverbindung zwischen Guben in der brandenburgischen Niederlausitz und Zielona Góra, der polnischen Universitätsstadt mit rund 139.000 Einwohnern. Das wird sich ab Sonntag ändern.

Vorerst fahren die Triebwagen zwar nur samstags, sonntags und an Feiertagen. Doch für die Zukunft streben Polen und Deutschland einen Ausbau der wichtigen Verbindung an.

Aus Sicht des Fahrgastverbandes IGEB ist die neue eineinhalbstündige Zugverbindung ideal für Kurzurlauber. Denn die Region beiderseits der deutsch-polnischen Grenze bietet ideale Ausflugsziele.

Sie könne ein "Anfang für noch bessere Zugverbindungen in der deutsch-polnischen Lausitz sein", ergänzt Lukas Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn. Es brauche "ein dichtes Taktangebot" an jedem Tag der Woche. Und: Die Züge müssten schon bald bis nach Cottbus fahren.

Vier Jahre von der Idee bis zur Umsetzung

Das liegt auch durchaus im Interesse der Politik: 2018 gab der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Anstoß zur Revitalisierung der deutsch-polnischen Bahnstrecke. Bei einem Treffen mit Vertretern der Woiwodschaft Lubuskie bestand schnell Einigkeit, den grenzüberschreitenden Personenverkehr auch in der Lausitz zu verbessern.

Doch die Wiederaufnahme des Personenzugverkehr zwischen Guben und Zielona Góra nach 20 Jahren Pause ist nur ein Etappenziel. Das langfristige Vorhaben ist eine direkte Zugverbindung zwischen Cottbus und Zielona Góra über Guben. Zielmarke des VBB und der benachbarten Region Lubuskie: täglich sechs bis acht Zugpaare im Zweistundentakt zwischen Cottbus und Zielona Góra. Dieser Standard entspricht auch den Vorgaben des polnischen Eisenbahnverkehrsamtes (UTK).

Infrastruktur bremst besseres Angebot

Doch dafür fehlen bislang die technischen Voraussetzungen. Für den Personenverkehr gibt es vorerst nicht ausreichend Zweisystem-Triebwagen, die gleichzeitig auf dem deutschen und polnischen Schienennetz fahren können. Darum verkehren zunächst maximal drei Züge pro Tag und Richtung. Wegen des kleinen Fahrzeugbestandes ist der durchgehende Verkehr bis Cottbus vorerst nicht möglich. Denn die längere Reisezeit würde zu noch größeren Taktabständen im Fahrplan führen. Die Verbindung wäre für Reisende unattraktiv.

Zwar nutzen Güterzüge bereits seit längerem den Grenzübergang Gubin/Guben auf ihrem Weg nach Poznan/Gdansk. Doch dabei findet meist ein zeitaufwändiger Lokwechsel statt. Denn nur wenige Diesellokomotiven haben sowohl ein polnisches wie ein deutsches Sicherungssystem an Bord.

Ein weiterer Nachteil: Auf deutscher Seite fahren diese Züge trotz Elektrifizierung mit Dieseltechnik.

Elektrifizierung beschlossene Sache

Der rasant steigende Güterverkehr und bessere Angebote im Personenverkehr machen also die Elektrifizierung der Strecke inzwischen unumgänglich. Dazu kommt der Ausbau der Gleisbetts – insbesondere auf polnischer Seite. Darum wurde der Abschnitt Gubin bis Zielona Góra in das polnische Bahn-Infrastrukturprogramm Kolje+ aufgenommen. Auf deutscher Seite fehlen noch zwei Kilometer Oberleitungen zwischen Guben und dem Grenzübergang. Diese sollen aus Mitteln des Lausitzer Strukturwandels finanziert werden.

Zugverbindung Leipzig-Cottbus-Guben/Gubin-Poznan als Fernziel

Das neue Regionalzug-Angebot zwischen Guben und Zielona Góra ermöglicht eine "Entlastung der Strecke Berlin-Warschau", sagt Gubens Bürgermeister Fred Mahro (CDU). Und nicht nur das: Auch für Studentinnen und Studenten sei die Verbindung vorteilhaft, so der VBB. Sie könnten nun an Wochenenden leichter zwischen ihrer Heimat und ihren Studienorten in Cottbus oder Frankfurt (Oder) pendeln.

Doch Fred Mahro denkt noch weiter: Künftig müssten wieder Fernzüge von Leipzig über Cottbus und Guben nach Poznan verkehren. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kämpft ebenfalls seit Jahren für diesen Streckenausbau.

Auf die europäische Dimension der Bahnstrecke zwischen Guben und Zielona Góra verweist auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Denn über diese würden künftig Züge bis nach Finnland fahren und so den Knoten Berlin entlasten. Perspektivisch könne die Regionalstrecke Guben-Zielona Góra schon bald ein wichtiger Zubringer für die Rail Baltica werden, eine bereits im Bau befindliche Verbindung zwischen Mitteleuropa, Vilnius, Riga, Tallin und Helsinki.

Ein historisches Vorbild gibt es: Bis zum zweiten Weltkrieg führte eine Schnellzug-Verbindung von Frankfurt (Main) über Leipzig, Cottbus und Guben bis in die Region des heutigen Kaliningrad.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 12.06.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Rico Herkner

11 Kommentare

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  1. 11.

    Dann fragen Sie mal die Alpentransitländer und Italien, wer die Bahnverbindungen zur Entlastung der Transitstrecken nicht auf die Reihe bekommt?
    Oder um bei Polen zu bleiben wer für die Ostbahn zwischen Berlin und Kietz noch keinen Plan für den Ausbau hat? Auf der anderen Seite der Oder steht ein leistungsfähiges Ost-Nord-Süd Bahnkreuz, nur nach West geht nicht viel, weil auf deutscher Seite über 70 Jahre nach Kriegsende außer weiterem Rückbau nicht viel passiert ist.
    Es geht um den Kommentar von Steffen nach langsamen Ausbau eines europäischen Netzes, nicht nur um die paar km zwischen Guben und Zielona Gora wo Deutschland den kürzesten Teil liefern muss.

  2. 10.

    Wenn es nur die Zusicherung wäre, könnte ETCS helfen. Es fängt aber schon an den Signalen vorne am Zug an. Die NATO ist dabei auch ggf. ein Grund, warum Polen mit dem Ausbau schon etwas weiter ist. Die Eisenbahn ist ideal für die schnelle Verlegung großer Militärverbände.

  3. 9.

    Die klassische Reichsbahnstrecke wäre Guben-Rothenburg-Grünberg. Gibt es da auf der anderen Seite der Oder vielleicht eine Autobahn? (https://plus.tagesspiegel.de/berlin/images/csmprojektgebiet-railblu-deutschland-polen-spnv-kartef448d08d2bjpg/alternates/FREE_620/csmprojektgebiet-railblu-deutschland-polen-spnv-kartef448d08d2bjpg.jpeg) Die Autobahn könnte also die 32 in Polen sein.

  4. 8.

    Wie konnte es 1855 schon Autolobbyisten geben? ;-) Damals fuhren erste Züge von Berlin in die Region Kaliningrad und führten auch Kurswagen mit. Beim historischen Vorbild endeten die Züge dabei in einer Stadt, die damals noch Königsberg hieß. Die hier thematisierten Züge hätten damals in Grünberg geendet. Im Artikel gibt es Hinweise, warum solche Fahrten heute komplizierter sind.

    Die alte preußische Ostbahn als Anbindung an die normalspurige Rail Baltivc gewinnt dabei aktuell auch wieder ab militärstrategische Bedeutung. Was früher das Fulda-Gab gewesen ist, ist heute der Suwalki-Korridor.

  5. 7.

    Dem Alternativtext im Seitenquelltext nach ist das ein Symbolbild eines für die Linie vorgesehenen Zuges. Mit falscher Bezeichnung, denn das Bild zeigt keinen PESA 218M (aka SA131), sondern einen PESA 218Mc (SA133).

    Weder der Zug auf dem Bild noch der im Alternativtext zum Bild genannte Zug hat eine D-Zulassung, somit wäre eine Weiterführung nach Cottbus mit den Zügen auch gar nicht möglich, auch wenn der Artikel etwas anderes suggerieren will.

    Da wird es wohl zwischen Gubin und Guben mit Polregio eine Vereinbarung geben, dass die Züge bis zum nächsten Bahnhof hinter der Grenze dürfen, wie es auch eine solche für die SA139, die nach Frankfurt (Oder)fahren (so sie denn mal fahren, aktuell fährt dort ein von DB Regio angemieteter BR646) gibt, oder für die SA105, die nach Görlitz fahren.

  6. 6.

    Wo ist Deutschland jetzt "der Bremsklotz" daran, dass die polnische Strecke aufgearbeitet wird? Die 2km Oberleitung bis zur Grenze sind sicher nicht der Grund, warum da bisher nichts fährt. Zumal es damit auch nicht getan ist, da muss eine Trennstelle her. Und dann ist da noch eine winzige Lücke an Oberleitung von knapp 50km zwischen Gubin und Nietków.

    Oder meinen Sie, weil die polnischen Züge nicht nach Cottbus weiterfahren dürfen ohne deutsches Zugsicherungssystem?

  7. 5.

    Zum genannten "Historischen Vorbild " kann hinzugefügt werden, dass die damaligen Regierenden mehr Wert auf den Schienenverkehr legten und nicht Lobbyisten der Automobilindustrie waren. Dementsprechend waren auch die Zugverbindungen und Züge. Auch die doch recht großen Entfernungen bis zum Zielbahnhof stellten damals kein Problem dar. Also dann >Es lebe der Fortschritt <.

  8. 4.

    Erschreckend dass ausgerechnet Deutschland dabei der größte Bremsklotz in Europa ist.
    Hat das etwas mit der Macht der deutschen Automobilindustrie zu tun?

  9. 3.

    Sehr schön! Mehr davon! Und eine wirklich dichte Taktung: alle zwei Stunden ein Zug ist immer noch zu selten.

  10. 2.

    Gehört das Foto zu der Bahnlinie? Wo fährt die denn lang, dass man zwischen Guben und Zielona Gora eine Autobahn überquert?

  11. 1.

    Ein guter, wichtiger und längst überfälliger Schritt. Europa wächst verkehrstechnisch abseits der Autobahnen viel zu langsam zusammen.

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