Trockenheit in Brandenburg - Wenn Niederschlag allein nicht mehr reicht

Klimawandel mit hohen Temperaturen und wenig Niederschlägen lässt den Grundwasserspiegel in Brandenburg mächtig absinken. Eine Forscherin schlägt nun Gegenmaßnahmen vor. Von Andreas Heins
In Nord- und Mitteleuropa gehört Deutschland neben Frankreich, Spanien und Italien zu den Ländern, die seit 1980 am stärksten von Wetter- und klimabedingten Extremereignissen betroffen sind. Experten erwarten im Zuge des Klimawandels eine weitere Zunahme an Häufigkeit und Intensität an solchen Ereignissen, besonders in den Bereichen Starkregen, Hochwasser und Dürreperioden. Brandenburg gehört dabei zu den Gebieten mit dem höchsten Dürrerisiko in Deutschland.
Wie sieht die Zukunft der Wasserversorgung aus?
Auch wenn das Jahr 2021 mehr Niederschlag brachte, so sinkt der Grundwasserspiegel in einigen Regionen Brandenburgs weiter. Irina Engelhardt ist Leiterin der Abteilung für Hydrogeologie an der TU Berlin. Sie forscht seit langem zu den Themen Klimaveränderungen, Wasserbedarf und deren Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Sie sagt: "Auch wenn das Jahr 2021 mehr Niederschläge brachte, ist die Situation unverändert angespannt. Es gibt auch Standorte mit guten Nachrichten, wo der Grundwasserleiter es geschafft hat, das Wasser aus Jahren mit höheren Niederschlägen auch für längere Zeit zu speichern, aber allgemein hat sich die Situation nicht verbessert. Besonders in Gebieten mit schlecht durchlässigen Böden fallen die Grundwasserspiegel in den letzten 20 Jahren kontinuierlich."
Einfluss des Klimawandels sind hohe Temperaturen
In Brandenburg wird zu wenig Grundwasser neugebildet, in Deutschland ist nur in Sachsen-Anhalt die Situation schlechter. Die Ursache ist nicht nur der geringe Niederschlag. Es fehlt auch an natürlichen Wasserspeichern, die schnell große Mengen aufnehmen können. Dafür braucht es durchlässige Böden, in denen der Niederschlag schnell versickern kann und vor Verdunstung geschützt ist. Diese gibt es in Brandenburg nur im Bereich der Urstromtäler, die durch eiszeitliches Schmelzwasser gebildet wurden.
Im Bereich der Grundmoränen, die die Gletscher der letzten Eiszeiten zurückgelassen haben, finden sich tonig-schluffige Böden, auf denen das Regenwasser schwer versickern kann. Wenn es dann zu starken Niederschlägen innerhalb weniger Stunden kommt, läuft das Wasser nur an der Oberfläche ab. Auch die Versiegelung des Bodens durch Wohn- und Industriegebiete und die großen Nadelwaldbestände sind auf Grund hoher Transpirationsraten nicht förderlich für die Versickerung der Niederschläge. Der Einfluss des Klimawandels auf den Grundwasserspiegel sind vor allem steigende Temperaturen, nicht so sehr die nachlassenden Niederschläge. Sie sorgen für stärkere Verdunstung und führen dazu, dass weniger Wasser versickern kann.
Was kann dem Grundwasserspiegel helfen?
Besonders problematisch ist der schnelle Wechsel zwischen Perioden ohne Niederschlag und Starkregenereignissen. Da der Boden das Wasser in so kurzer Zeit nicht aufnehmen kann, fließt es in die Gewässer ab und kann das Grundwasser nicht auffüllen. Nötig wären oberirdische Zwischenspeicher, um den Starkregen später dann in das Grundwasser einzuspeisen. In den Mittelmeeranrainerstaaten sind solche Speicher traditionell weit verbreitet. In Deutschland stehen dem vor allem wasserrechtliche Probleme und Naturschutzbedenken entgegen. Das direkte Einspeisen von fremdem Wasser direkt in den Grundwasserleiter ist im Prinzip untersagt.
Irina Engelhardt plädiert auch dafür, über das Einspeisen von gereinigtem Abwasser an geeigneten Stellen nachzudenken, um es dann für die Landwirtschaft zu nutzen. In Israel und Spanien wird so etwas schon seit längerem praktiziert. In Israel beispielsweise wird 90 Prozent des Abwassers recycelt und für die Landwirtschaft wiederverwendet. Dafür müssten die Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgestattet werden, die Arzneimittel und Chemikalien aus dem Abwasser filtert. Auch eine ständige Überwachung wäre nötig.
Denkbar ist auch Wasser aus Regionen, die zu viel haben, in trockene Regionen zu pumpen, sei es über Kanäle oder Pipelines. Es gibt auch natürliche Grundwasserspeicher, die gesättigt sind und so kein zusätzliches Wasser mehr aufnehmen können. Denkbar wäre, diese im Sommer zu übernutzen und dann im Winter mit überschüssigem Wasser wieder aufzufüllen. In dem von Irina Engelhardt koordinierten Projekt "Spreewasser:N" geht es auch darum herauszufinden, welche Maßnahmen hier in Brandenburg sinnvoll und realisierbar sind.
Auch Wetter- und Klimavorrausagen sollen verbessert werden, um beispielsweise Landwirten bei Dürregefahr Bewässerungsempfehlungen an die Hand zu geben. Die Vorwarnzeit soll dabei auf drei bis sechs Monate gesteigert werden. Aber Landwirte planen ihre Aussaaten oft schon ein Jahr im Voraus, um Empfehlungen für das Saatgut zu geben sind langfristige Klimaprognosen nötig. Diese seien oft einfacher zu machen als kurzfristige Wetterprognosen, sagt Irina Engelhardt.
Konkurrenz um Wasserreserven wird steigen
Der größte Wasserverbraucher in Brandenburg ist die Industrie, der Hauptanteil fällt dabei auf den Bergbau mit 40 Prozent und die Energieversorgung mit 25 Prozent des Gesamtwasserverbrauchs. Die Landwirtschaft verbraucht nur 2 Prozent des Wassers in Brandenburg. Mit höheren Temperaturen wird der Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft steigen und auch die Ansiedlungen neuer Industrien wie beispielsweise Tesla führen zu erhöhtem Wasserbedarf. Neben den Verbrauchern werden Landwirtschaft, Industrie, Tourismus und Naturschutz um die knapper werdende Ressource Wasser zunehmend konkurrieren. Um Konflikte zu vermeiden, wäre ein integriertes Wassermanagement nötig, das fehlt bisher in Brandenburg. Im Projekt "Spreewasser:N" arbeiten Behörden, Industrie, Landwirtschafts-, Naturschutz- und Wasserverbände zusammen mit der Wissenschaft daran, ein solches Wasserbewirtschaftungskonzept am Beispiel der unteren Spree zu entwickeln.
Trinkwasserversorgung hat Priorität
Um diese Maßnahmen zu steuern ist ein Konzept notwendig, das analysiert wie das gesamte System des Wassers auf Wetter, Klimaveränderungen, Änderungen im Verhalten der Konsumenten und Anforderungen der Industrie und der Umwelt reagiert, die Ergebnisse bewertet und die Nutzungsinteressen gegeneinander abwägt, das sogenannte integrierte Wasserressourcenmanagement. Es geht darum festzustellen, gibt es bestimmte Kipppunkte, an denen das gesamte System gefährdet ist und wie soll man darauf reagieren?
Brandenburg hat dafür schon die Niedrigwasserampel eingeführt, die bei der Unterschreitung von bestimmten Pegelständen und Abflüssen Warnungen ausgibt und beispielsweise zu sparsamem Wasserverbrauch auffordern soll. "Wir halten das nicht für ausreichend", sagt Irina Engelhardt. "Die Grundwasserstände werden zu wenig berücksichtigt und auch die Beschränkung auf die Durchflussmengen der Oberflächengewässer sehen wir kritisch. Gerade für aquatische Lebewesen sind auch Werte, wie Sauerstoffgehalt, Strömungsgeschwindigkeit und Temperatur relevant.“
Doch was passiert, wenn das Wasser nicht mehr für alle ausreicht? Wassersparen bei den Endverbrauchern allein würde das Problem nicht lösen, auch wenn die Gartenbewässerung sicherlich noch Einsparungspotenzial verspricht. Brandenburg hat jetzt schon den zweitniedrigsten Prokopfwasserverbrauch Deutschlands.
Irina Engelhardt ist überzeugt, eine landesweite Regelung kann es nicht geben. "Die Trinkwasserversorgung hat sicher erste Priorität. Was dann folgt, ob Landwirtschaft, Industrie, Tourismus oder Naturschutz, wird eine politische Entscheidung sein, die von Region zu Region unterschiedlich ausfallen kann. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir in Situationen, wo das Wasser knapp wird, in einigen Regionen die Wasserzufuhr für die Landwirtschaft reduzieren und den Bauern für die Ertragseinbußen Ausgleichszahlungen zukommen lassen. Auch mittels attraktiver Anreizmechanismen könnte eine wassersparsame Landwirtschaft und Industrie besser umsetzbar sein."
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.06.2022, 19:30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 07.06.2022 um 21:20 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.