Beschluss zur Mindestversorgung - Warum das "schnelle" Internet in Brandenburg noch weit entfernt ist

Ende vergangener Woche hat der Bundesrat ein Grundrecht auf Mindestversorgung mit Internet beschlossen. Ein Blick nach Brandenburg zeigt: Im ländlichen Raum geht diese Vorgabe insbesondere an der Lebenswirklichkeit von Familien komplett vorbei. Von Frank Preiss
Wie schnell muss ein Internet-Anschluss sein, um Nutzer nicht auszugrenzen und zu benachteiligen? Diese Frage beschäftigt seit Monaten die Politik in Deutschland. Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat vorerst Antworten gefunden: Jeder Privathaushalt in Deutschland hat rückwirkend zum 1. Juni einen Rechtsanspruch auf eine Mindestversorgung - das beschlossen die Bundesländer mehrheitlich.
In Zahlen ausgedrückt heißt das: Jeder Internet-Anschluss - und sei er auch noch so entlegen - muss mindestens 10 Mbit/s beim Herunterladen von Daten und 1,7 Mbit/s beim Hochladen gewährleisten. Die Latenz - also die Reaktionszeit - darf nicht höher als 150 Millisekunden sein. In einem Jahr sollen diese Werte aktualisiert werden.
Doch wie weit kommt man mit einem solchen Anschluss? Und wie ist Brandenburg damit versorgt?
Richtwerte genügen nur für Gelegenheitsnutzer
Immerhin 98,2 Prozent der Internet-Anschlüsse im Land (in Berlin sind es 100 Prozent) erfüllen die vom Bundesrat festgelegten Werte, wie ein Blick auf den offiziellen Breitband-Atlas [bundesnetzagentur.de] zeigt (Stand November 2021). Allerdings sind Nutzern von 10 oder 16 MBit/s-Anchlüssen enge Grenzen gesetzt, wie Arne Düsterhöft, Digital-Experte beim Verbraucherportal Finanztip.de, im Gespräch mit rbb|24 erklärt.
10 MBit/s genügen für das Surfen im Internet, für E-Mails, Online-Banking und online Musik hören. "Sogar Filme in HD-Qualität lassen sich damit streamen", so Düsterhöft. "Doch gerade Videos reizen die Internetleitung schon ziemlich aus und erlauben kaum Raum für eine zweite Person, die parallel im Netz surfen möchte."
Auch beim Arbeiten von zuhause aus sind solchen Anwendern Grenzen gesetzt, betont der IT-Experte weiter: "Bei Videokonferenzen kommt noch hinzu, dass es bei einem langsamen Internet-Anschluss oft auch beim Upload hapert. Laut Recht auf schnelles Internet stehen dem Internetnutzer zukünftig mindestens 1,7 Mbit/s im Upload zu. Das reicht gerade so aus, damit das eigene Bild bei den Kollegen in der Videokonferenz auch flüssig ankommt."
Familien und größere WGs brauchen mindestens 100 MBit/s
Wesentlich weiter kommt man dagegen mit 50 Mbit/s: Gerade Vielsurfer, Paare und Familien sollten eher dazu greifen, sofern die Leitung es hergibt, rät Düsterhöft: "Filme in Ultra-HD-Qualität (4K) brauchen beispielsweise mindestens 25 Mbit/s. Auch wer öfters größere Dateien herunterlädt, Cloud-Speicher für die Datensicherung nutzt oder über VPN auf dem Firmenserver arbeitet, vermeidet mit einer angemessenen Internetgeschwindigkeit viel Alltagsfrust."
Familien mit Teenagern und größeren Wohngemeinschaften rät Düsterhöft zu Tarifen ab 100 Mbit/s, am besten sogar ab 200 Mbit/s: "Damit bleiben auch mehrere parallele Filme flüssig, falls die Familie sich nicht auf ein Abendprogramm einigen kann. Auch Internet-Dauernutzer und Gamer können so große Dateien hin und her schicken und die neuesten Spiele schnell runterladen, sobald sie rauskommen. Noch größere Tarife mit Gigabit-Geschwindigkeiten (1.000 Mbit/s), wie sie in der Werbung gern angepriesen werden, sind eher ein schöner Luxus für Technik-Enthusiasten", sagt der Finanztip-Journalist.
Übrigens sind die Preise für das Internet anders als in den meisten anderen Lebensbereichen noch vergleichsweise moderat: "Bei Internet-Tarifen ist die Inflation zum Glück nicht angekommen. Dank dem stetigen, wenn auch recht langsamen Netzausbau sinken die Preise Jahr für Jahr eher etwas", sagt Düsterhöft, der den Anbietermarkt aufmerksam beobachtet.

Kleine Gemeinden bleiben abgehängt
Ein Blick in den aktuellen Breitband-Atlas (Stand November 2021) zeigt derweil, dass die Schere zwischen Berlin und Brandenburg beim "schnellen Internet" weit auseinandergeht: Mit mindestens 50 Mbit/s können in Berlin 98,5 Prozent der Haushalte ins Internet gehen - in Brandenburg sind es nur 92,4 Prozent. Damit liegt das Land klar unter dem Bundesdurchschnitt (95,1 Prozent) - und im Länder-Ranking nur noch vor Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Helle Flecken in MOL und LOS
Schon ab 30 Mbit/s werden die Unterschiede zwischen Stadt und Land deutlich sichtbar: In Berlin können 98,9 Prozent der Haushalte mindestens diese Bandbreite nutzen, in Brandenburg flacht schon hier die Kurve deutlich auf 93,5 Prozent ab. Blickt man auf das schnellstmögliche Internet mit 1.000 Mbit/s, so können hiervon grundsätzlich 94 Prozent der Berliner Haushalte Gebrauch machen - in Brandenburg nur 29,4 Prozent.
Der Breitbandatlas zeigt für Brandenburg zudem ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: In Städten wie Frankfurt/Oder (97 Prozent), Potsdam (99) und Cottbus (98) können nahezu alle Haushalte mit mindestens 50 Mbit/s ins Internet gehen, im Landkreis Märkisch-Oderland dagegen nur 86 Prozent. In kleinen Gemeinden des Landkreises wie Alt Tucheband oder Sachsendorf liegt der prozentuale Anteil der Haushalte mit über 30 Mbit/s sogar nur im einstelligen Bereich.
Weitere helle Flecken auf der Breitband-Karte gibt es auch in anderen Landkreisen wie Oder-Spree. In der Gemeinde Rauen bei Fürstenwalde haben nur 35 Prozent der Haushalte die Möglichkeit, mit mehr als 30 Mbit/s zu surfen. In Neu-Seeland in der Lausitz können nur 31 Prozent der Haushalte mit dieser Geschwindigkeit surfen.
Ministerium: "Weiße Flecken" sollen bis 2025 verschwinden
Wo konkret in Brandenburg noch der größte Nachholbedarf beim schnellen Internet besteht, wollte das zuständige Wirtschaftsministerium des Landes auf rbb|24-Nachfrage derweil nicht mitteilen. "Jeder Landkreis bzw. jede kreisfreie Stadt setzt eigenverantwortlich seine/ihre Projekte zum Breitband-Ausbau um und entscheidet, welche unterversorgten Gebiete über die Bundesförderrichtlinie ausgebaut werden sollen", teilte eine Sprecherin lediglich mit. "Eine genaue Analyse mit einem daraus ableitenden Ranking zum Nachholbedarf in den Gebietskörperschaften stellt keine Fördervoraussetzung dar. Es liegen daher zwar den Bewilligungsbehörden Angaben zur geplanten Anzahl auszubauender Teilnehmer vor, jedoch keine Analysen zum Grad des Nachholbedarfs der einzelnen Gebietskörperschaften."
Grundsätzlich gebe es aber natürlich nach wie vor "weiße Flecken, d.h. die Regionen, die über Bandbreiten von unter 30 Mbit/s verfügen", räumte die Sprecherin ein. Dabei gehe es um insgesamt 37 Projektgebiete, die "sukzessive bis 2025 realisiert werden", so die Sprecherin des Brandenburger Wirtschaftsministeriums.
Auf "schnelles Internet" kann man bis zu einem Jahr warten
Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums zeigen derweil, dass der Breitband-Ausbau in Brandenburg seit 2018 zwar beständig, aber nicht mit berauschend schneller Geschwindigkeit vorangekommen ist: So wuchs der Anteil der 50 Mbit/s-Haushalte zwischen 2018 und 2021 um knapp 10 Prozent, jener von mindestens 100 Mbit/s um 39,3 Prozent - und der Glasfaserausbau, der mehr als 1.000 Mbit/s ermöglicht, wuchs in dem Zeitraum um 22,8 Prozent (in Berlin im selben Zeitraum um 40 Prozent).
Allerdings: Werden die vom Bundesrat festgelegten Vorgaben für "schnelles Internet" unterschritten, könnte die Bundesnetzagentur jetzt die Verlegung besserer Anschlüsse veranlassen. Doch dafür braucht der Betroffene viel Geduld: "Stellt ein Internetnutzer mit dem Speed-Test der Bundesnetzagentur [breitbandmessung.de] fest, dass seine Internetleitung zu langsam ist, kann er einen zeitgemäßen Internetanschluss zukünftig über die Bundesnetzagentur einfordern", sagt Finanztipp-Experte Arne Düsterhäft - und betont zugleich: "Richtig fix wird es aber wahrscheinlich nicht funktionieren: Denn damit das schnelle Internet zuhause ankommt, müssen Internetnutzer einen langen Prozesses durchlaufen. Und dies könnte durchaus ein Jahr oder noch länger dauern."
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.06.2022, 11 Uhr