Energiespartipps für mobile Geräte - Wie das Smartphone und Streaming zum Klimawandel beiträgt

In Zeiten schwindender Gasvorräte wird verstärkt über Energiesparen diskutiert. Ungeahnte Chancen liegen dabei in der Nutzung von Smartphone & Co. Eine Nachhaltigkeitsforscherin nennt überraschende Zahlen - und zeigt Alternativen auf. Von Jenny Barke und Frank Preiss
Es scheint, als würden Smartphones, Tablet-PCs und Laptops nicht viel Energie verbrauchen: Durchschnittlich weniger als fünf Kilowattstunden im Jahr - das entspricht nicht einmal einem halben Prozent des mittleren Pro-Kopf-Jahresverbrauchs. Doch in der Berechnung fehlt die sogenannte "graue Energie" für Rohstoffgewinnung, Herstellung, Transport und Entsorgung des Smartphones.
Rechenzentren haben hohen Energieverbrauch
Den größten Posten des Energieverbrauchs macht in diesem Zusammenhang die Infrastruktur für unsere Daten aus, erklärt die Nachhaltigkeitsforscherin an der BTU Cottbus-Senftenberg, Melanie Jaeger-Erben: "Die ganzen Rechenzentren, die Datenzentren, das W-LAN, das Mobilfunknetz, da kommt schon eine ordentliche Summe zusammen. Manche sagen, wenn das Internet ein Land wäre, stünde es im weltweiten Vergleich an dritter Stelle hinter China und den USA."
Wie hoch der Energieverbrauch von Rechenzentren allein in Deutschland ist, belegen Zahlen des "Berliner Borderstep Instituts für Nachhaltigkeit und Innovation", erklärt die Wissenschaftlerin: Im Jahr 2020 fiel demnach hier ein Verbrauch von 16 Milliarden Kilowattstunden an. "Davon könnten 4,8. Millionen Drei-Personen-Haushalte ein Jahr lang mit Energie versorgt werden", rechnet Jaeger-Erben vor.
Streaming ist ein großer Energiefresser
Energiesparen lässt sich vor allem bei der Art und Intensität der Nutzung von Smartphones, Laptops, Tablet-PCs und Smart-TVs. Auf den Markt strömen immer mehr internetfähige Geräte, die täglich immer länger genutzt werden. Dadurch steigt der Energieverbrauch.
Besonders Cloud- und Streamingdienste verursachen hohe Datenmengen und benötigen viel Speicherkapazitäten. Dabei sticht insbesondere Videostreaming hervor: Ein britisches Stromvergleichsportal errechnete: 64 Millionen Zuschauer der Serie "Stranger Things" verbrauchen so viel Co2 wie über 55.000 deutsche Autofahrer pro Jahr.
Die Nachhaltigkeitsforscherin Jaeger-Erben kann weitere brisante Zahlen nennen: "Wenn man nicht eine Stunde Netflix guckt, könnte man sechs Stunden lang eine 30 Watt-Lampe anlassen oder etwa einen Kilometer Autofahren." Das analoge Fernsehschauen sei da wesentlich energieeffizienter, rechnet Jaeger-Erben weiter vor: "Wenn zehn Millionen Leute abends eine Sendung direkt im linearen Programm schauen, muss die nur einmal übertragen werden. Wenn aber zehn Millionen Leute die Sendung in der Mediathek schauen, dann muss sie eben zehn Millionen mal wieder neu übertragen werden. Und das ist halt ein immenser Mehrverbrauch."
Textnachricht schlägt Audionachricht
Und auch Audionachrichten, die bei Messengern wie Whatsapp hoch im Kurs stehen, sind wahre Energiefresser, betont sie: "Audionachrichten haben einen sehr viel höheren Datenverbrauch als Textnachrichten. Das sind alles Daten, die irgendwo gespeichert und übermittelt werden müssen. Jedes Gigabyte, was da eingespart werden kann, bringt im Endeffekt was, weil diese Rechenzentren eben immer mehr Energie verbrauchen. Und bei steigenden Temperaturen durch den Klimawandel müssen diese Rechenzentren ja auch stark gekühlt werden, das potenziert sich also."
Menschen wechseln immer schneller Smartphones aus
Neben der Vielzahl von immer größeren Nutzungsmöglichkeiten internetfähiger Geräte steigt auch deren Anzahl an sich kontinuierlich an: Gab es 2019 noch etwa zwölf Milliarden vernetzte Geräte weltweit, könnte sich deren Zahl bis 2025 auf knapp 30 Milliarden verdreifachen, erwartet Tilman Santarius, Professor für Sozial-ökologische Transformation an der TU Berlin. Fakt ist: Technische Effizienzsteigerung führt zu mehr Konsum und Produktion. Und obwohl beispielsweise Smartphones eine Lebensdauer von mittlerweile bis zu acht Jahren haben, werden sie immer schneller gewechselt - viele Nutzerinnen und Nutzer entscheiden sich nach durchschnittlich drei Jahren für ein neues Modell.
"Wir leben in einer materiellen Kultur, die auf hohen Verbrauch und hohen Verschleiß ausgelegt ist. Das nutzen natürlich Unternehmen, indem sie immer wieder was Neues herausbringen", erklärt die BTU-Wissenschaftlerin. Sie fordert als Antwort darauf, die Gewährleistung auf die Produkte auszubauen, die Reparierbarkeit zu erhöhen und sehr viel stärker in zirkulären Systemen zu denken: "Wie kann man Reparatur, Wartung und Rücknahme oder auch Verleih und Tausch verbessern, damit man einen stärkeren Kreislauf von Produkten hat? Die Politik muss da die Unternehmen puschen", meint sie.
Konsumforscher: “Wer verzichtet, der erhält etwas“
Wichtig ist der Forscherin gleichwohl, nicht zu moralisieren, sondern zu sensibilisieren. Ein Weg, den auch der Konsumforscher Ingo Balderjahn von der Uni Potsdam empfiehlt. Es liege nicht in der Natur des Menschen, freiwillig Opfer zu bringen - daran hinderten sie die Gewohnheiten und der Eigennutz.
Deshalb rät er dazu, auf Appelle zum Konsumverzicht zu verzichten und dafür die Vorteile aufzuzeigen: "Leute, die auf verschwenderischen Konsum und das Zuviel verzichten und weniger konsumieren, denen geht es besser. Sie sind glücklicher und zufriedener, erleben mehr Lebensqualität, mehr Zeit für die Familie. Sie fühlen sich selbstbestimmter. Sie erbringen also keine Opfer, sondern sie erhalten etwas."
Nur so würde auch der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ausgerufene Appell zum Energiesparen funktionieren. Es sollte sich nicht nach Opfer, sondern Gewinn anfühlen, empfiehlt Balderjahn. Der Gewinn beim weniger Streamen könnte zum Beispiel der Schutz für die Umwelt sein. Das gebe den Menschen ein gutes Gefühl statt ein schlechtes Gewissen beim Konsum.
Sendung: rbb24 Inforadio, 24. Juni 2022, 13:11 Uhr
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