101-Jähriger der Beihilfe zum Mord schuldig - Früherer Wachmann im KZ Sachsenhausen zu fünf Jahren Haft verurteilt

Ein Brandenburger Gericht hat einen 101-Jährigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach Ansicht der Richter war der Mann Wachmann im KZ Sachsenhausen und leistete Beihilfe zum Mord an Tausenden Menschen.
Ein 101-jähriger Mann ist am Dienstag in Brandenburg wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden Häftlingen im Konzentrationslager Sachsenhausen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann hatte in dem Prozess vor dem Landgericht Neuruppin bis zuletzt bestritten, in dem KZ Wachmann gewesen zu sein.
Auch die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Gefängnis für den Mann gefordert. Nebenklage-Vertreter Thomas Walther plädierte auf eine mehrjährige Haftstrafe, die ein Maß von fünf Jahren nicht unterschreiten solle. Zwei weitere Nebenklage-Vertreter forderten einen Schuldspruch, ohne ein konkretes Strafmaß zu nennen. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert.
Angeklagter bestreitet, KZ-Wachmann gewesen zu sein
Der inzwischen 101 Jahre alte Josef S. war vor dem Landgericht Neuruppin angeklagt, als damaliger Wachmann in dem KZ von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an mehr als 3.500 Häftlingen geleistet zu haben.
S. hatte in dem seit Oktober vergangenen Jahres laufenden Prozess bestritten, dass er in dem KZ tätig war und angegeben, er habe in der fraglichen Zeit als Landarbeiter bei Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft stützte sich bei ihrer Anklage aber auf Dokumente zu einem SS-Wachmann mit dem Namen, Geburtsdatum und Geburtsort von Josef S. sowie auf weitere Dokumente. Das Gutachten eines Historikers, der sich intensiv mit den Nachweisen für S.' Lebensgeschichte befasst hatte, belastete den Angeklagten schwer.
Verteidiger hat Revision im Fall einer Haftstrafe angekündigt
In dem Konzentrationslager, das im Sommer 1936 von Häftlingen aus den Emsland-Lagern errichtet worden war, waren in der Zeit von seiner Errichtung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert - unter ihnen politische Gegner des NS-Regimes sowie Angehörige von den Nationalsozialisten verfolgten Gruppen wie Juden, Sinti und Roma. Zehntausende Häftlinge kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit, medizinische Versuche und Misshandlungen ums Leben oder wurden Opfer von systematischen Vernichtungsaktionen der SS.
Josef S. ist der bisher älteste NS-Täter, der sich je vor einem deutschen Strafgericht verteidigen musste. Geboren wurde er im November 1920.
Sein Verteidiger hat angekündigt, bei einer drohenden Haftstrafe in Revision zu gehen. Der Bundesgerichtshof müsste sich dann noch einmal mit seinem Fall beschäftigen und vermutlich erst in acht bis zwölf Monaten entschieden.

Sendung: Inforadio, 28.06.2022, 8:30 Uhr