Nach Amokfahrt am Breitscheidplatz - Pfarrerin der Gedächtniskirche befürwortet autofreie Berliner Innenstadt

So 12.06.22 | 15:37 Uhr
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Strassenbarrikaden zum Schutz des Weihnachtsmarktes an der Kaiser-Wilhelm-Gedaechtniskirche (Quelle: dpa/Andreas Gora)
Bild: dpa/Andreas Gora

Nach der Amokfahrt am Mittwoch ist eine neue Debatte um die Sicherheit am Berliner Breitscheidplatz entstanden. Die Pfarrerin der Gedächtniskirche ist gegen weitere Absperrungen, sie will einen offenen Breitscheidplatz.

Die Pfarrerin der Berliner Gedächtniskirche, Kathrin Oxen, wünscht sich eine neue Lösung für die Sicherheit am Breitscheidplatz.

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt 2016 waren dort Absperrungen aufgestellt worden. Am Mittwoch war ein vermutlich psychisch kranker Mann mit seinem Auto in der Nähe der Gedächtniskirche in zwei Menschengruppen gefahren. Dabei starb eine Frau, mehr als 30 Menschen wurden verletzt, einige davon schwer.

"Der Breitscheidplatz soll möglichst viel Aufenthalts- und Lebensqualität bieten"

"Ich frage mich schon, was die Absperrungen bringen", sagte die Pfarrerin der Gedächtniskirche dem "Tagesspiegel" [Bezahlbeitrag]. "Die Amokfahrt ist nicht direkt auf dem Breitscheidplatz passiert, aber sie ist hier passiert." Sie stelle sich die Frage, ob es so etwas wie Sicherheit dort überhaupt geben könne.

Oxen fordert, dass die bisherigen Absperrungen verschwinden und "durch etwas Ansehnlicheres" ersetzt werden. Die Aufenthaltsqualität auf dem Platz sei durch die Barrieren sehr beschränkt. "In was für einer Stadt wollen wir leben? Machen wir alles so, dass man praktisch nur noch durch Barrieren irgendwie hindurchflaniert? Da wäre ich eher für das Konzept einer autofreien Innenstadt", sagte Oxen der Zeitung. Der Breitscheidplatz solle möglichst viel Aufenthalts- und Lebensqualität bieten.

Bezirk und Senat uneins über Verkehrsberuhigung als Sicherheitslösung

Der Bezirk hatte nach der tödlichen Autofahrt in dieser Woche angekündigt, Pläne für weniger Autoverkehr an der Gedächtniskirche so schnell wie möglich umsetzen zu wollen. Auf beiden Seiten des Breitscheidplatzes sollten Autospuren entfernt oder umgelenkt werden, um eine direkte und gerade Fahrt Richtung Breitscheidplatz zu verhindern, sagte die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Kirstin Bauch (Grüne), am Freitag. Dafür gebe es seit Jahren Konzepte, die aber von der Senatsverkehrsverwaltung und dem Senat bisher nicht beschlossen worden seien, so dass die Umsetzung bisher gescheitert sei.

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) sieht keine Lösung darin, die Debatte um die Verkehrsberuhigung des Tauentzien und Sicherheitsfragen miteinander zu vermischen. „Selbst wenn alle Sicherungsmaßnahmen, die in den vergangenen Jahren erdacht, erarbeitet und diskutiert worden sind, umgesetzt wären, hätte diese Tat, diese Amokfahrt vorgestern ganz genau so stattfinden können", sagte Jarasch am Freitag in einem rbb-Interview.

Der 29 Jahre alte Fahrer hat bislang keine Angaben zur Tat gemacht. Er befindet sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor.

Kathrin Oxen (l-r), Pfarrerin der Gedächtniskirche, Ulrike Trautwein, ein Mitglied der Seelsorge der Berliner Feuerwehr und Manfred Kollig, halten am 08.06.2022 eine Gedenk-Andacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)Eine Gedenk-Andacht am 08. Juni 2022 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.06.2022, 18:20 Uhr

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31 Kommentare

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  1. 31.

    Ob sich die Pfarrerin bewusst ist, dass ihr Überlegung für viele Menschen defacto ein Berufsverbot bedeutet?

  2. 30.

    Ich wünsche mir die Welt autofrei und alle sollen lächeln, sich Blumen schenken und für Weltfrieden beten wenn sie schon nicht für die Rettung des Planeten bzw der Planetin nicht auf die autofreie Straße gehen und sich ggf. an die Fahrbahn kleben. Kohleaustieg sofort, Atomkraft nein Danke, Windräder verschandelt die Landschaft und Solarenergie wird nur zu Entsorgungsproblemen in 20 Jahren führen. Aber Straßen bitte besser Beleuchten damit man sich sicherer fühlt.
    Ein Volk im Wahn.

  3. 29.

    "Sinnvoller wäre es die Eignung zum Führen von Kfz von psychisch auffälligen Personen mal näher zu untersuchen, nicht alle über einen Kamm scheren, um Gottes Willen das nicht aber einfach mal ein Auge drauf werfen. "

    Das sollte vor der Führerscheinprüfung Standard sein. Nicht erst wenn jemand auffällt. Bzw. gibt es so viele auffällige Autofahrer auf Berlins Straßen, da könnte man darüber nachdenken eine solche Prüfung alle 4 Jahre zu wiederholen.

    Ein paar Kandidaten wüßte ich bereits. https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/06/fahrradsternfahrt-klimaschutz-verkehrswende-stadtnatur-umweltfes.html

  4. 28.

    " Ich erinnere an den Verkehrsunfall mit 4 Toten "

    das ist etwas anderes : in meinem Kommentar bezog ich mich auf Fahrtauglichkeitsuntersuchungen zur Führerscheinverlängerung ohne vorherigen Unfall

  5. 27.

    "Hauptsache, die Radfahrenden passen weiterhin zwischen den Pollern durch und können Fußgänger:innen auf Fußwegen gefährden - oder möchte etwa jemand den Kudamm auch "radfahrendenfrei machen"?"

    Ihre Wahrnehmung findet sich aber in keiner Statistik wieder! Von Radfahrenden getötete Fußgänger oder Autofahrer = 0. Getötete Radfahrende 2021 nur allein in Berlin: 10, in Worten ZEHN! Immerhin 9 weniger als im Jahr davor.

    "Ich befürchte, viele Autohasser denken anders - sie wollen die GANZE Stadt verpollern." So ein Quatsch! Ich kenne niemanden, der einen toten Gegenstand hasst aber jede Mengen die Radfahrende abgrundtief hassen und auch so fahren.

  6. 26.

    Bei aller Diskussion um das Auto, das Problem war hier weder das Auto noch eine nicht vorhandene Ansperrung. Das Problem war die Psyche des Fahrers und da ist es völlig gleich was er lenkt und wo er das tut. Wenn man die eine Hälfte der Stadt abgesperrt hat sucht sich so ein Mensch eben eine Stelle in der anderen Hälfte oder in einer anderen Stadt.
    Sinnvoller wäre es die Eignung zum Führen von Kfz von psychisch auffälligen Personen mal näher zu untersuchen, nicht alle über einen Kamm scheren, um Gottes Willen das nicht aber einfach mal ein Auge drauf werfen.

  7. 25.

    Wie zynisch muß man sein diese Amoktat für eine Didkussion über eine autofreie Innenstadt zu nutzen. Sinnvoller wäre es hier auf eine Änderung des PSychKG zu drängen um psychisch Kranke, die ein zerstörisches Potential in sich bergen so unterzubringen, dass sie eine Behandlung erfahren und die Allgemeinheit vor ihnen geschützt ist.
    Ich bin selber ein Opfer eines solchen Täters, der zuletzt bei uns im Mietshaus einen Brand gelegt hat. Seine Gemeingefährlichkeit war voll ersichtlich, aber nichts geschah bis das Kind in den Brunnen gefallen war.
    Ich kann nur den Kopf darüber schütteln diesen Vorfall als Anlass zu nutzen um die Innenstadt autofrei zu bekommen, das ist pietätslos!

  8. 24.

    "Hauptsache, die Radfahrenden passen weiterhin zwischen den Pollern durch und können Fußgänger:innen auf Fußwegen gefährden - oder möchte etwa jemand den Kudamm auch "radfahrendenfrei machen"?"

    Ihre gestörte Wahrnehmung findet sich aber in keiner Statistik wieder! Von Radfahrenden getötete Fußgänger oder Autofahrer = 0. Getötete Radfahrende 2021 nur allein in Berlin: 10, in Worten ZEHN! Immerhin 9 weniger als im Jahr davor.

    "Ich befürchte, viele Autohasser denken anders - sie wollen die GANZE Stadt verpollern." So ein Quatsch! Ich kenne niemanden, der einen toten Gegenstand hasst aber jede Mengen die Radfahrende abgrundtief hassen und auch so fahren.

  9. 23.

    "Da wäre ich eher für das Konzept einer autofreien Innenstadt..." - klar, aber was soll das senn sein, DIE Berliner Innenstadt?
    Innenstadt ist ja nun auch Mitte, wie schon der Name sagt, zum Beispiel auch der Alex, der ja für Bösewichte mit fahrbarem Untersatz frei zugänglich ist, egal was man am Breitscheidplatz veranstaltet.
    Und wo will man aufhören? Die Schlossstraße ist nicht "Innenstadt", aber was machen wir denn zum Beispiel dann mit ihr?
    Wer partout mit seinem Auto in eine Menschenmenge rasen will, für den bietet diese Stadt (wie auch jede andere) eine Fülle an Möglichkeiten...

  10. 22.

    Zitat: "Der Autofahrer ist heute Staatsfeind Nr1."

    Achjechen, die ca. 36.000.000 Haushalte, auf die mind. ein Fahrzeug angemeldet sind, sollen also Horte für Staastfeinde N°1 in Deutschland sein? Das erscheint mir doch eine Opferrolle zu viel kabolzt zu sein, Schmeling.

  11. 20.

    Erst waren es die SUVs die Schuld sind, jetzt war es oh Gott ein Kleinwagen, nun sind alle Autos schuld. Das ist ein totaler Blödsinn, das wird immer mal passieren und in einer Großstadt sowieso, damit muss man eben leben so schlimm es ist. Es wird nicht weniger, das ist auch sicher, und sicher ist auch, dass eine Verbannung von Autos, Motorrädern, E-Radfahrern und E-Scootern, Drohnen und was auch immer das ganze leider in keinster Weise ändern wird.

  12. 19.

    Bevor sie hier ein Text einsetzen sollten sie die Zusammenhänge lesen. Meine Zustimmung betrifft den Text von #1 wo es darum geht dass der Schutz eines Platzes kein perfekter Schutz ist da es genug andere Plätze gibt.
    Zum Thema verpollern schrieb # 1: "Man kann schließlich nicht die ganze Stadt verpollern."
    So ich hoffe das Thema ist geklärt!

  13. 18.

    Ich erinnere an den Verkehrsunfall mit 4 Toten. Der behandelnde Arzt durfte nur nach ausdrücklicher Zustimmung Verursachers aussagen. Es wurde auch so kommuniziert. Das handeln der Ärzte bei Fahruntauglichkeit war nur in der DDR legitimiert und wurde praktiziert, um Leben zu schützen. Anders hier jnd heute kein Arzt äußert sich ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen.

  14. 17.

    Warum ist es so schwer zu verstehen das Amokfahrten an jeder Ecke passieren können? Dieseganze Diskussion ist nur politisch Instrumentalisierung, draufsattelten, die Situation ausnutzen für eine linke Autofeindliche Ideologie. Mich widert diese scheinheilige Politik von allen Lagen inclusive Kirche nur an. Und mit scheinheilig kennt sich ja Kirche besonders gut aus. Und von allen Parteien erwartet ich schon lange nichts mehr. Der Autofahrer ist heute Staatsfeind Nr1. Nur gut als Steuerzahler.

  15. 16.

    Einfach etwas tiefer hängen: Es gilt, sorgsam diejenigen Bereiche zu scheiden, in denen das Auto den größtmöglichen Vorzug bietet - das ist etwa bei weit entfernt voneinander liegenden Zielen der Fall - und jenen Bereichen, in denen andere Verkehrsmittel besser zum Zuge kommen.

    Je dichter die Stadt bebaut ist und je kürzer die zurückgelegten Wege sind, umso mehr ist es schlüssig, zu Fuß Gehenden Vorrang einzuräumen - zusätzlich als Zubringer mal per Straßenbahn, mal per U- und S-Bahn. Das Fahrrad liegt irgendwo dazwischen: weniger Platz beanspruchend als ein Auto, doch mehr Unruhe stiftend als eine U-, S- oder Straßenbahn.

    Menschen unterscheiden sich ja nicht durchgängig nach ihrer Verkehrsmittelbenutzung, dass die einen nur so, die anderen immer nur anders dächten. Vielmehr geht es um Gewichte. Und die haben sich verändert und die lassen sich auch ändern.

  16. 15.

    Zum einen ist es kein Spizeug wie sich am aktuellen Beispiel zeigt, zum anderen geht es um die politische Instrumentalisierung dieses Vorfalls umd die Öko Doktrin durchzustehen. Der nächste Amoklauf findet dann ggfs nicht mit einem KFZ statt. Und dann?

  17. 14.

    " ebenso eine erkannte Fahruntüchtigkeit ".

    hier ist der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden , Allgemeingut überwiegt

  18. 13.

    Ich befürchte, viele Autohasser denken anders - sie wollen die GANZE Stadt verpollern.

    Hauptsache, die Radfahrenden passen weiterhin zwischen den Pollern durch und können Fußgänger:innen auf Fußwegen gefährden - oder möchte etwa jemand den Kudamm auch "radfahrendenfrei machen"?

  19. 12.

    Da wird endlich mal über eine Autofreie Innenstadt diskutiert und schon regen sich hier Erwachsene darüber auf zukünftig nicht mehr ihr Lieblingsspielzeug nutzen zu dürfen. Es gibt weiß Gott noch andere gute Hobbys. Meinen Segen hat die Pfarrerin.

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