Nach Amokfahrt am Breitscheidplatz - Pfarrerin der Gedächtniskirche befürwortet autofreie Berliner Innenstadt

Nach der Amokfahrt am Mittwoch ist eine neue Debatte um die Sicherheit am Berliner Breitscheidplatz entstanden. Die Pfarrerin der Gedächtniskirche ist gegen weitere Absperrungen, sie will einen offenen Breitscheidplatz.
Die Pfarrerin der Berliner Gedächtniskirche, Kathrin Oxen, wünscht sich eine neue Lösung für die Sicherheit am Breitscheidplatz.
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt 2016 waren dort Absperrungen aufgestellt worden. Am Mittwoch war ein vermutlich psychisch kranker Mann mit seinem Auto in der Nähe der Gedächtniskirche in zwei Menschengruppen gefahren. Dabei starb eine Frau, mehr als 30 Menschen wurden verletzt, einige davon schwer.
"Der Breitscheidplatz soll möglichst viel Aufenthalts- und Lebensqualität bieten"
"Ich frage mich schon, was die Absperrungen bringen", sagte die Pfarrerin der Gedächtniskirche dem "Tagesspiegel" [Bezahlbeitrag]. "Die Amokfahrt ist nicht direkt auf dem Breitscheidplatz passiert, aber sie ist hier passiert." Sie stelle sich die Frage, ob es so etwas wie Sicherheit dort überhaupt geben könne.
Oxen fordert, dass die bisherigen Absperrungen verschwinden und "durch etwas Ansehnlicheres" ersetzt werden. Die Aufenthaltsqualität auf dem Platz sei durch die Barrieren sehr beschränkt. "In was für einer Stadt wollen wir leben? Machen wir alles so, dass man praktisch nur noch durch Barrieren irgendwie hindurchflaniert? Da wäre ich eher für das Konzept einer autofreien Innenstadt", sagte Oxen der Zeitung. Der Breitscheidplatz solle möglichst viel Aufenthalts- und Lebensqualität bieten.
Bezirk und Senat uneins über Verkehrsberuhigung als Sicherheitslösung
Der Bezirk hatte nach der tödlichen Autofahrt in dieser Woche angekündigt, Pläne für weniger Autoverkehr an der Gedächtniskirche so schnell wie möglich umsetzen zu wollen. Auf beiden Seiten des Breitscheidplatzes sollten Autospuren entfernt oder umgelenkt werden, um eine direkte und gerade Fahrt Richtung Breitscheidplatz zu verhindern, sagte die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Kirstin Bauch (Grüne), am Freitag. Dafür gebe es seit Jahren Konzepte, die aber von der Senatsverkehrsverwaltung und dem Senat bisher nicht beschlossen worden seien, so dass die Umsetzung bisher gescheitert sei.
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) sieht keine Lösung darin, die Debatte um die Verkehrsberuhigung des Tauentzien und Sicherheitsfragen miteinander zu vermischen. „Selbst wenn alle Sicherungsmaßnahmen, die in den vergangenen Jahren erdacht, erarbeitet und diskutiert worden sind, umgesetzt wären, hätte diese Tat, diese Amokfahrt vorgestern ganz genau so stattfinden können", sagte Jarasch am Freitag in einem rbb-Interview.
Der 29 Jahre alte Fahrer hat bislang keine Angaben zur Tat gemacht. Er befindet sich auf Antrag der Staatsanwaltschaft in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.06.2022, 18:20 Uhr
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