Waldbrandforscher im Interview - Glasscherben als Ursache von Waldbränden "wirklich keine realistische Option"

Mi 22.06.22 | 11:38 Uhr | Von Hasan Gökkaya
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Ein Hinweisschild zur Waldbrandgefahrenstufe an einem Naturschutzgebiet in Brandenburg. (Quelle: dpa/R.Keuenhof)
Bild: dpa/R.Keuenhof

Hunderte Hektar Wald wurden in Treuenbrietzen und Beelitz (Potsdam-Mittelmark) durch zwei Feuer zerstört. Brandstiftung ist schnell der erste Gedanke - zu Recht? Und warum sind die Brandenburger Wälder so anfällig? Ein Experte gibt Antworten.

rbb|24: Herr Ibisch, der Meteorologe Jörg Kachelmann hat auf Twitter erklärt, dass der Waldbrand in Treuenbrietzen durch Brandstiftung verursacht worden sei. Was denken Sie?

Pierre Ibisch: Das ist zunächst einmal Polizeiarbeit. Wir wissen aber, dass der Wald munitionsbelastet ist und Kampfmittel sich selbst entzünden können. Allerdings bedarf es deutlich extremerer Bedingungen, als wir sie bei Ausbruch des Feuers hatten. Eine Selbstzündung erscheint mir somit nicht plausibel. Es war zwar trocken, aber die große Hitze kam ja viel später. Insofern kann ich mir vorstellen, dass Brandstiftung der Auslöser war.

Können denn hohe Temperaturen Munition entfachen?

An heißen Tagen kann die Temperatur der unbedeckten Bodenoberfläche schon auf 50 oder 60 Grad steigen. Wenn die Luft sehr trocken ist und die Munition sich an der Oberfläche befindet, halte ich das für möglich, aber das war am vergangenen Freitag, als der Brand begann, nicht der Fall. Bei Waldbränden wird schnell von mutmaßlicher Brandstiftung gesprochen – ob durch fahrlässiges Handeln oder bewusstes Feuerlegen.

Kommen wirklich so wenige andere Faktoren infrage?

Unter natürlichen Bedingungen: ja. In unseren Breitengraden kommt eigentlich nur Blitzschlag infrage – den es übrigens am Freitag nicht gab. Dann ist man schon beim Faktor Mensch, der Funken freisetzt, eine Zigarette in den Wald wirft oder sogar bewusst Feuer legt. Hinzukommt der Beitrag der Klimakrise. Je häufiger Temperaturrekorde erreicht werden, umso trockener ist der Boden generell und die Gefahr von Waldbränden erhöht sich.

Was ist mit den berühmten Glasscherben, die das Sonnenlicht bündeln und den Boden erhitzen sollen?

Studien haben gezeigt, dass das als Ursache auszuschließen ist. Glasscherben müssten schon wirklich sehr gescheit liegen, um ein Feuer auslösen zu können. Sie müssten sich etwa in einem bestimmten Winkel einen Meter über dem Boden befinden und so weiter. Das ist also wirklich keine realistische Option.

Der Brand hat Auswirkungen auf ihre Forschung, die sie seit 2018 in Treuenbrietzen durchführen. Was machen Sie konkret?

Das Projekt "Pyrophob" [pyrophob.de] ist das größte Vorhaben zur Waldbrandforschung in Deutschland. Wir untersuchen die Wirkungen unterschiedlicher Maßnahmen auf die Regeneration des Ökosystems. Dazu gehört etwa das Belassen abgestorbener Bäume oder das Pflanzen verschiedener Baumarten. Im Projektgebiet haben wir auch Wetter- und Mikroklimastationen installiert, die etwa Auskunft über Temperaturen und Luftfeuchtigkeit geben. Durch unsere Arbeit hatten weniger gut brennbare Laubbäume bereits begonnen, sich zu entwickeln. Nun müssen wir fürchten, dass der Brand einen Teil unserer Arbeit, dazu gehören auch Messgeräte, zerstört hat. Wie groß der Schaden genau ist, wissen wir noch nicht.

ZUR PERON

Pierre Ibisch ist Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Er ist dort als Direktor des Centre for Econics and Ecosystem Management tätig und Leiter des Forschungsprojekts "Pyrophob". Ibisch ist auch Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung.

Das Projekt wird vom Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium finanziert. Wurde das Geld auch genutzt, um Kampfmittel zu räumen?

Ja, das war allein aus Gründen der Arbeitssicherheit notwendig. 170.000 Euro wurden ausgegeben, um Flächen in Treuenbrietzen von rund 1.500 Kilogramm Kampfmittel zu räumen, darunter 450 Granaten und Zünder. Zudem wurden 3.700 Kilogramm Munitions-Metallschrott auf etwa 13,3 Hektar entfernt.

Wir hätten gerne mehr räumen lassen, aber die Munitionsbelastung ist auf einigen Flächen so groß, dass das bereitgestellte Budget nicht ausgereicht hätte. Das Sicherheitsrisiko wurde somit auch für uns zu groß, deshalb konnten einige Flächen bisher weder begangen noch forstlich bearbeitet werden. Das sind übrigens nun genau jene Flächen, auf denen es schon 2018 brannte und wo der Brand auch dieses Mal ausgebrochen ist.

Dabei wäre eine vollständige Räumung doch wünschenswert. Wenn auf munitionsbelastetem Boden Feuer ausbricht, wie jetzt in Treuenbrietzen, kann die Feuerwehr schlechter eingreifen. Ist es am Ende nur eine Geldfrage?

Die Räumung von Kampfmitteln ist mit enormen Kosten verbunden. Das lässt sich nicht kleinreden. Ob sie aber zu teuer ist, ist eine Frage, die die Politik entscheiden muss. Ich kann nur auf die Kosten hinweisen, die entstehen, wenn große munitionsbelastete Flächen erst einmal in Brand geraten. Zumindest aber sollte die Sondierung solcher Flächen systematisch vervollständigt werden und Daten über munitionsbelastete Stellen den lokalen Feuerwehren übergeben werden, bevor es brennt. Wir haben unsere Ergebnisse zur Munitionssondierung am Freitag der Feuerwehr übergeben, die Stadt hatte sie vorher. Bestimmte Wege waren gesichert.

Warum sind Wälder in Brandenburg so anfällig für Brände?

Nach wie vor werden Waldflächen im Land zu mehr als 70 Prozent von Nadelbäumen dominiert. Konkret geht das größte Risiko hierbei von den Kiefernforsten aus. Ohne sie gäbe es kein vergleichbares Waldbrandrisiko. Kiefern sind leicht brennbare Bäume, in denen sich Feuer sehr leicht und schnell ausbreitet. Außerdem sind die gefallenen Nadeln harzhaltig, sie zersetzen sich schlechter, das führt zu weniger Humusbildung im Boden, der wiederum wichtig ist um Wasser aufzusaugen. Allein deshalb brauchen wir unbedingt mehr Laubmischwälder.

Warum kultiviert man solche Wälder dann nicht einfach?

Wieder einmal spielt Geld eine Rolle. Kiefernbäume erzeugen gut nachgefragtes Holz von der gewünschten Qualität – aus Nadelbaumholz etwa werden Latten und Bretter hergestellt. In Brandenburg ist es der "Brotbaum" der Forstwirtschaft. Kiefernbäume zu fördern, hat für Waldbesitzer also vor allem wirtschaftliche Gründe.

Allerdings gibt es hier auch eine historische Komponente. Nach dem Zweiten Weltkrieg etwa wurde auf schnellwüchsige Kiefern gesetzt, weil sie relativ schnell und verlässlich in Reihe und Glied auf großen Flächen wuchsen.

Sie sprechen von Waldbesitzern. Wer sind die?

Der Wald in Treuenbrietzen gehörte der Stadt. Aus finanziellen Gründen wurde er verkauft und befindet sich seit kurzem in privater Hand. Generell lässt sich sagen, dass rund die Hälfte der Wälder in Brandenburg in privater Hand sind. Der Rest verteilt sich vor allem auf Landes- und kommunale Wälder. In Landeswäldern gibt es tendenziell ein stärkeres Umdenken, einzelne Förster sind sehr engagiert und zeigen Wege auf, wie man aus den Kiefernforsten herauskommt. Am vielerorts zählt meistens doch der wirtschaftliche Faktor, und so bleibt es bei den Nadelbaum-Plantagen.

Die Wirkung von Projekten wie "Pyrophob" ist auf viele Jahre ausgelegt. Wenn Brandstiftung meistens eine Rolle spielt, sollten nicht direktere Maßnahmen eingeleitet werden?

Welche sollen das sein? Es könnte theoretisch stärker überwacht werden, aber niemand will einen Wald, der voller Kameras ist. Deshalb ist die wichtigste Schraube an der gedreht werden kann, jene, die die Entzündbarkeit von Wäldern senkt. Dafür brauchen wir diversere Laubwälder. Wer sie entwickelt, muss belohnt werden. Außerdem muss das Neuanlegen von Nadelbaum-Reinkulturen verboten werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.06.2022, 11:30 Uhr

Beitrag von Hasan Gökkaya

48 Kommentare

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  1. 48.

    Ich würde sagen, probieren sie es selbst einmal mit einer leeren oder vollen Wasserflasche aus, wie "leicht oder schwer sich der gewünschte Linseneffekt herstellen lässt.
    Ich denke Jörg Kachelmann hat Recht. Wahrscheinlich durch grob fahrlässiges Verhalten eine Zigarettenkippe bzw. außer Kontrolle geratenes rumkokeln oder mit Vorsatz Brandstiftung.

  2. 47.

    Immer schön alles weiter privatisieren, damit die unsichtbare Hand von Adam Smith auch weiterhin kräftig daneben greifen kann. Solange die Märkte und Subventionen weiterhin umweltschädliches Verhalten belohnen und nachhaltiges Wirtschaften bestrafen, werden wir alle gegen die Wand fahren.
    Mal ganz abgesehen davon, dass Wälder, Seen etc. sollten eigentlich Allgemeingut sein, zumindestens in Ländern, die von sich behaupten, dass ihr Wirtschaftssystem "sozial" ausgerichtet sei.

  3. 46.

    @rbb Gute Frage. Und wie hoch sind "die enormen Kosten" von denen immer wieder die Rede ist? Im Vergleich zum Jahresetat der Bundeswehr von aktuell 50 Milliarden, sind die vielleicht sogar mickrig. Jüngst wurden zusätzlich 100 Milliarden beschlossen, um weitere Kriege vorzubereiten. Wäre das Geld zur Beseitigung der vielfältigen Kriegsfolgen auch der aktuellen Kriege nicht besser investiert?! Wer räumt denn jetzt nach den internationalen "Friedenseinsätzen" die zurückgelassene Munition auf?
    "Die Räumung von Kampfmitteln ist mit enormen Kosten verbunden."

  4. 45.

    Es gent nicht um Verteidigung der Kiefer in Brandenburg, bei Ihnen in Sachsen ist es ja die Fichte bzw. das was noch übrig ist! Das die Kiefer nicht die optimale Baumart ist, wohl hinlänglich bekannt. Da kann man meckern wie man will, es müssen einfach mehr Anreize für den Waldumbau geschaffen werden. Viele Waldbesitzer sind schon betagt, die Beantragung von Fördermitteln ist kompliziert und nicht jeder kann in Vorkasse gehen. Pflanzen zum Waldumbau sind auch nicht in ausreichernder Zahl vorhanden.
    In dem Gebiet um Treuenbrietzen hat das vorhandene Totholz als Brandbeschleuniger fungiert.

  5. 44.

    Aber Frau Behm, ist diese Frage so schwer zu beantworten? Schwamm die DDR in Geld?

  6. 43.

    @ Aber Frau Behm, ist das wirklich so schwer zu beantworten? Die ehemalige schwamm auch nicht gerade in Geld.

  7. 42.

    Neben der Frage, durch was ein Brand ausgelöst werden kann, Leuchtspurmunition ist dafür im übrigen besonders gut wie Kommentator #6 schon anmerkte.

    Das eigentlich wichtige an dem Artikel ist doch, dass die bei einigen Brandenburgern schon fast zum Landesbaum schlechthin hochstilisierte Kiefer DER HAUPTGRUND für die sehr hohe Waldbrandgefahr ist. Die Kiefer an sich brennt super, hoher Harzgehalt, die Nadeln am Boden brennen noch besser und speichern kein Wasser, noch dazu verrotten die kaum und es bildet sich keine Humusschicht.

    Wie lange wollen einige wenige Brandenburger die Kiefernacker - der Mais der Forstwirtschaft - verteidigen?

  8. 41.

    Na da würde mir doch glatt 1 Studie schon reichen.

    Gerade ein Flaschenboden einer klaren Flasche halte ich für sehr gut geeignet einen ausgetrockneten aufgeheizten Kiefernwaldboden zu entzünden.

    Unwahrscheinlich - ok, Unmöglich - ich warte auf ihre Studie.

    PS: Natürlich ist eine vielfach achtlos weggeworfene Zigarette mal abgesehen von Absicht eine bessere Zündquelle.

  9. 40.

    Brandstiftung ist keine "bequeme" Begründung, sondern die wahrscheinlichste. Auch wenn Sie das nicht glauben wollen. Wälder entzünden sich nunmal nicht von selbst.

  10. 39.

    Totholz SOLL gar nicht aus dem Wald geschafft werden - wozu auch? Es dient als natürlicher Dünger und als Lebensraum für jede Menge von sehr kleinen (Insekten) und größeren Tieren. Die frühere Vorgehensweise, den Wald quasi besenrein von jeglichem Totholz zu "reinigen", wird schon seit Jahrzehnten nicht mehr angewandt - und das vollkommen zu Recht.

  11. 37.

    Auch als Autofahrer oder Motorradfahrer sehe ich das häufig.

    Wenn die Zeit an der roten Ampel reicht, steige ich auch schon mal aus oder ab und werfe die Kippe wieder zurück in das Auto, wo sie her kommt.

    Da ist das Geschrei dann groß.

  12. 36.

    Brandstiftung ist vor allem eine bequeme Erklärung, weil es dann nur die Polizei angeht und nicht die ganze Gesellschaft.

  13. 35.

    Wenn es ein Brandstifter war und dieser geschnappt werden kann, dann darf er das alles bezahlen. Das bedeutet: Fette Schulden. Ein Leben auf Hartz-IV-Niveau bis zum Ende. Dazu dann noch die strafrechtliche Seite.

  14. 34.

    Also wenn es dort schon vor 4 Jahren brannte wird es vielleicht dort in 4 Jahren wieder brennen. Hofft die Politik dann wieder auf Regen? Oder werden MP Woitke und WM Steinbach dann mit ihrem neuen Tesla Wagen mit einem Anhänger beladener Braunkohle den Brand bekämpfen?

  15. 33.

    Ist für mich auch überraschend, wieviele Kommentare hier absolut das Glasscherbengerücht glauben wollen und immer wieder mit neuen Vermutungen ankommen, warum das doch sehr gut möglich sein könne.
    Ungeklärt bleibt dabei ja, wie denn die Glasscherben in den Wald gekommen sein sollen - eigentlich schwer, auf Waldboden eine Flasche zerbrechen zu lassen. Und zuerst muss ja jemand überhaupt mit einer Glasflasche in den Wald gehen - dort muss sie ihm dann ausgerechnet auf einen Stein fallen, oder er muss aus unbekannten Gründen versuchen, sie mitten im Wald mit aller Macht zu zertöppern...

  16. 32.

    Nun wurde ja für den Artikel offenbar ein ausgesprochener Experte in solchen Dingen befragt - da kann man dem Mann ja einfach mal glauben, statt es ohne eigenes Faktenwissen anzuzweifeln...

  17. 31.

    In Sachen liegendes Totholz im Wald, stimme ich Ihnen zu. Bei mir in SRB und Umgebung liegt auch durch diverse Stürme davon viel herum. Da kommen die Forstleute kaum nach mit dem herausschaffen. Leider beobachte ich auch, dass es immer wieder neue Feuer durch "Zündler" gibt, so auch bei mir in Strausberg. Da hoffe ich, daß die Feuerwehr alles schnell löschen kann und die Polizei die Brandstifter bald erwischt! Aber auch die Landesregierung muss endlich tätig werden, bislang wird nur vertröstet!

  18. 30.

    Munitionsbelastete Flächen in Sperrgebieten reichen bis in die Jahre der Kaiserzeit zurück. Dann kam das 3. Reich und wiederum danach die NVA und die Sowjetarmee. Nach 1945 wurde auch viel verklappt. In der ehemaligen DDR wurden, wenn überhaupt, systematisch nur begrenzte Flächen abgesucht, meist aber beschränkte man sich auf das Entschärfen u. Vernichten von Fundmunition. Man hatte damals für eine umfassende Suche weder mehr Personal noch mehr Geld. Die Sowjetarmee schob maximal Erde drüber...

  19. 29.

    Glasscherben weiß jedes Kind
    muss man nicht hochstudiert sein

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