Forschungsprojekt der TU Berlin - Erstes emissionsfreies Schubschiff der Welt probt auf Spree und Havel

Auf Spree und Havel ist derzeit das weltweit erste emissionsfreie Binnenfrachtschiff unterwegs. Auf dem mit Wasserstoff angetriebenen Schubschiff liegt angesichts der steigenden Energiepreise viel Hoffnung – doch die Hürden sind hoch. Von Martin Küper
Auf der Nordseite des Berliner Westhafenkanals liegt eine ganze Flotte von sogenannten Leichtern an der Kaimauer. Das sind große Schubkähne ohne Besatzung und ohne eigenen Antrieb. Diese Leichter über die Flüsse zu bugsieren, ist Aufgabe der Schubschiffe, zu denen nun auch das erste hybrid angetriebene Schubschiff namens Elektra gehört. Dieses unterscheidet sich schon durch seinen grünen Anstrich von den meist schwarz-weiß gehaltenen konventionellen Schubschiffen. Vor allem aber fällt die Elektra auf, weil sie keinen Lärm macht und auf dem großen Achterdeck viel Platz hat für ein ganzes Arsenal von Wasserstoffbehältern.
Das erste emissionsfreie Binnenfrachtschiff ist ein Projekt der TU Berlin und der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft Behala. Auf seinen Probefahrten auf Havel und Spree soll es in den folgenden Monaten zeigen, dass Schubschifffahrt auch nachhaltig geht. Das Schubschiff ist hybrid angetrieben. Das heißt, es fährt auf kurzen Distanzen mit Akkuantrieb. Für lange Distanzen gibt es den Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff.
Praxistest im Probebetrieb
An Bord sind neben dem Schiffsführer und zwei Matrosen auch zwei Männer, die sehr aufmerksam jede Aktion des Schiffes beobachten und analysieren. Gerd Holbach und Sebastian Apenbrink von der TU Berlin haben sich zusammen mit ihrem Team dieses Schiff ausgedacht - und die Idee dann mit der Behala und vielen anderen Projektpartnern umgesetzt. Seit 2016 wurde geplant, geworben, finanziert und schließlich gebaut.
Nachdem sie sich einen Leichter vorgenommen hat, legt das Schubschiff ab Richtung Plötzensee-Schleuse. "Wir haben ein funktionierendes System", sagt Projektleiter Gerd Holbach. "Wir müssen noch Langzeittests machen, um zu zeigen, dass wir auch bei jedem Wetter die notwendigen Betriebsstunden hinkriegen." Aber schon jetzt seien sie mit Reedereien in Kontakt, die entsprechende Schiffe herstellen wollen.
Bordeigener Kran hievt den Wasserstoff aufs Schiff
Am Anfang der Probefahrt fährt die "Elektra" ganz leise mit der Energie der vollgeladenen Akkus, von denen sie eine ganze Batterie im Schiffsinneren mitführt. Sie sind mit Landstrom aufgeladen, an E-Tankstellen, wie es sie schon in manchen Häfen gibt und die an die Ladesäulen für E-Autos erinnern. Die beiden Elektromotoren bekommen ihre Energie für lange Strecken vor allem aber aus den drei Brennstoffzellen auf dem Oberdeck, für die wiederum die Wasserstoffbehälter den Treibstoff liefern. In der Brennstoffzelle wird elektrischer Strom aus Wasserstoff gewonnen. Das geschieht durch die Umkehrung der Elektrolyse. Wasserstoff und Luftsauerstoff reagieren zu Wasser, dabei entstehen Wärme und elektrische Energie. Letztere treibt den Elektromotor an.
Eigene Wasserstoff-Tankstellen in jedem Hafen seien dabei künftig nicht nötig, betont Gerd Holbach. Auf der Elektra gibt es einen bordeigenen Kran, mit dem fertig geladene Wasserstoffbehälter auf Deck gehievt werden können - und dann nur ausgetauscht werden müssen.

Wenig Wasserstoff-Vorbilder für die Schifffahrt
Mit Wasserstoff als Treibstoff in der Schifffahrt gibt es bisher kaum praktische Erfahrungen, allenfalls Experimente und Pläne. Zum Beispiel ein wasserstoffbetriebenes Binnenschiff, das bald auf dem Rhein zwischen Rotterdam und Antwerpen verkehren soll. Für die Schiffsverkehre auf See spielt Wasserstoff bisher noch keine Rolle.
Voraussetzung für einen massenhaften Einsatz wäre eine massenhafte und auch kostengünstigere Produktion von grünem Wasserstoff, aber davon ist man noch weit entfernt. Nun begünstigen zwei globale Entwicklungen weitere Schritte in die H2-Zukunft: der zunehmende Druck auf Produzenten und Reedereien, die Emissionen ihrer Flotten aus Klimaschutzgründen zu senken und die steigenden Rohstoffpreisedurch einen teilweisen Ausfall russischer Lieferungen.
Teurer Start
Die Investitionskosten sind allerdings hoch und die Schiffe müssen in der Regel Jahrzehnte genutzt werden, damit sie rentabel sind und Gewinne abwerfen. Als erstes Schiff ihrer Art hatte auch die Elektra einen sehr hohen Preis: mehr als 14 Millionen Euro hat das Schiff gekostet, zum großen Teil finanziert aus Bundesmitteln. Die Anschaffungskosten, so schätzt es Gerd Holbach, würden aber von Schiff zu Schiff künftig deutlich sinken – und was die Kosten für den Betrieb betrifft, hält er die Elektra schon jetzt für konkurrenzfähig. "Wir haben uns die Versorgung mit Wasserstoff gesichert bis Ende 2024 und der Preis ist so, dass wir sagen können bereits vor dem Explodieren der fossilen Energien waren wir pari, im Moment würden wir sogar sagen, wir sind vorteilhaft."
Was Kraft und Reichweite betrifft, so Holbach, braucht sie den Vergleich mit den Diesel-Pendants nicht zu scheuen. Noch in diesem Jahr soll sie für ihre Probefahrten die heimischen Gewässer verlassen und nach Hamburg geschickt werden. Das ist eine durchgehende Fahrt von etwa 400 Kilometern ohne Energieaufnahme.
Geräusch- und geruchsärmer
Michael Senft ist seit zwanzig Jahren schon als Schiffsführer unterwegs, fast immer auf dem Rhein. Seine Reederei hat ihn nun mit seinem Team nach Berlin geschickt, um die Elektra zu testen. Senft kommt nach den ersten Fahrten zu einem klaren Ergebnis: auch für ihn ist die Elektra ein bereits gut funktionierendes Schiff. "Der Hauptunterschied ist, dass es so geräuschlos ist, zumindest solange die Brennstoffzellen außer Betrieb sind. Wenn die Brennstoffzellen dann laufen, hört man schon ein bisschen mehr Betriebsgeräusch, aber trotzdem ist es immer noch sehr angenehm."
Tatsächlich ist es deutlich zu hören, wenn die Brennstoffzellen hochgefahren werden und die leisen Akkus ablösen, aber als in geringer Entfernung ein Diesel-Schubschiff passiert wird klar: Ein fossiler Antrieb ist nicht nur deutlich lauter, man riecht ihn auch noch lange Zeit später. Da ist der Wasserdampf der Elektra absolut konkurrenzlos.
Sendung: rbb24 Abendschau, 06.06.2022, 19:30 Uhr
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