Anhaltender Camping-Boom - Willst du gelten, gehst du zelten

Do 30.06.22 | 12:28 Uhr | Von Jenny Barke
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Wohnmobile stehen am Ufer des Teltow-Kanals auf einem Campingplatz. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

Wohnmobil reiht sich an Wohnmobil, Zelt an Zelt: Die Campingplätze der Region sind voll. Auch postpandemisch hält der Camping-Boom in Berlin und Brandenburg an. Mit einigen Tipps lässt sich Frust vermeiden und das naturnahe Erlebnis genießen. Von Jenny Barke

Statistisch gesehen ist die Pandemie auf den Campingplätzen von Berlin und Brandenburg vorbei. Bereits jetzt erreichen die Übernachtungszahlen wieder das Vorkrisenniveau vom April 2019, das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor.

Dementsprechend groß ist der Andrang bei den 55 Campingplätzen in Brandenburg, sagt Katrin Waitek vom Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland Land Brandenburg (BVCD). "Bei den meisten unserer Campingplätze geht es nicht mehr ohne Vorreservierung", so Waitek. Wer diesen Sommer noch unterkommen wolle, sollte mit seiner Buchung nicht mehr lange warten.

Nicht erst seit der Pandemie gibt es den Trend zum Rückzug in die Natur. Seit 2007 nehmen die Übernachtungszahlen jährlich zu, erreichten 2019 ihren Rekord: 1,4 Millionen Übernachtungen zählte damals das Tourismusnetzwerk Brandenburg. An diese alten Rekorde reichen die Nachfragen nun wieder heran.

Urban-Camping in Berlin immer beliebter

Corona hat diesen Trend nur noch weiter beschleunigt. Noch mehr Menschen hatten eine Sehnsucht nach einem Zurück zur Natur und nach individuellen Reiselösungen. Doch die aktuell rasant steigenden Zahlen könnten noch einen anderen Grund haben, vermutet Christian Tänzler, Pressesprecher des Berliner Tourismusverbands "VisitBerlin": "Viele werden diesen Sommer in Deutschland bleiben, wenn sie sehen, wie Zug- und Flugreisen aktuell oft im Chaos enden. Die Touristen steigen wieder um auf das Auto, und mit dem lässt sich gut auf Campingplätze fahren."

Auch in Berlin zieht der Camping-Tourismus wieder an, so Tänzler. "Wir haben die Feiertage Himmelfahrt und Pfingsten gesehen, dass der Knoten geplatzt ist. Die Gäste kommen zurück und das Wetter tut sein übriges." Er vermutet, dass die Übernachtungszahlen auf Campingplätzen diesen Sommer in Berlin noch das vor der Pandemie übersteigen. Auch in Berlin sollte man lieber heute als morgen auf einem der insgesamt elf Campingplätze buchen [visitberlin.de]. Denn insbesondere Urban-Camping würde immer beliebter.

Zeltwiesen werden für Wohnmobile verkleinert

Urban-Camping: Das Zelt mitten in der Stadt aufschlagen. Es handle sich dabei um einen neuen Trend, den "VisitBerlin" beobachte, so Tänzler: "Immer häufiger sehen wir den Wunsch, die Urbanität mit dem Grünen zu verbinden." Berlin habe dabei einen Wettbewerbsvorteil: Die grüne Stadt biete viel Natur und sei damit angesichts immer höherer Sommertemperaturen angenehmer als so manche europäische Metropole.

Mehr Campingplätze in Berlin sind trotz steigender Nachfrage keine Option: Es herrscht ganz einfach Platzmangel. Auch in Brandenburg kommen manche Anbieter an ihre Kapazitätsgrenzen. "Manche unserer Campingplätze haben inzwischen ihre Zeltwiesen verkleinert. Denn es kommen immer mehr Wohnmobile", sagt Katrin Waitek vom BVCD. Insbesondere Campingwagen und Wohnmobile haben in der Pandemie einen ernormen Aufschwung erfahren.

Führt Wohmobil-Boom zur Trendumkehr?

Allein von 2019 auf 2020 hat sich die Zahl der Neuzulassungen bei Wohnmobilen in Berlin und Brandenburg fast verdoppelt. Während vor allem junge Menschen den Trend für sich erkennen, kehren ältere Wohnmobilisten der Branche allerdings desöfteren den Rücken zu. In Facebook-Gruppen monieren sich einige über die verlorene Freiheit und Idylle sowie die überfüllten und zubetonierten Stellplätze. Vom einstigen Individualtourismus ist nicht mehr viel geblieben: "Vanfluencer" posten unter dem Hashtag #vanlife millionenfach ihre Trips und animieren so zum Nachahmen.

Auf Online-Verkaufsportalen wimmelt es dementsprechend vor Gebrauchtwagen-Angeboten. Doch die vielen Anzeigen könnten auch auf eine Trendumkehr hinweisen. Viele Besitzerinnen und Besitzer verkaufen ihren fahrbaren Untersatz wieder, im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Neuzulassungen bei Wohnmobilen in Brandenburg im ersten Quartal 2022 um mehr als 15 Prozent gesunken.

Lieferengpässe für Wohnmobile

Jonathan Kuhn vom Caravaning Industrie Verband (CIVD) kann diese Trendumkehr nicht erkennen. Er macht Lieferschwierigkeiten bei allen Fahrzeug-Komponenten für den zeitweiligen Rückgang der Wohnmobil-Käufe verantwortlich. "Hersteller und Händler könnten noch viel mehr Fahrzeuge verkaufen, aber die Lieferkettenproblematik erschwert aktuell die Produktion und Auslieferung von Fahrzeugen", heißt es in einer schriftlichen Antwort Kuhns auf rbb|24-Nachfrage. Essentielle Rohstoffe wie Holz, Kunst- und Klebstoff seien weltweit sehr stark nachgefragt.

Wer sich heute ein individuelles Reisemobil zusammenstellen lasse, müsste darauf bis zu einem Jahr warten. Dementsprechend kostspielig werden auch die Modelle: Selbst die Preise für die Gebrauchtwagen im Internet haben sich verdoppelt. Rechnet man die Anschaffungskosten zusammen mit gestiegenen Sprit- und Stromkosten für die Wagen, werden die Camping-Urlaube sehr teuer.

Wer sich einen eigenen Wagen nicht leisten kann oder will, kann über Portale auch Wohnwagen und -mobile mieten. Die Angebote im Netz reichen dafür von privaten Portalen über professionelle Anbieter. Das rbb|24-Verbrauchermagazin supermarkt hat die Optionen verglichen.

Wohnmobil- und Zelt-Airbnb

Enormer Preisanstieg bei Übernachtungen und Sprit, Schlangen vor den Campingplätzen, dicht beisammen stehende Wohnwagen, überfüllte Zeltplätze: Mit dem wiederkehrenden Camping-Boom geht auch viel Ruhe und Freiheit verloren. Für Individualisten finden sich im Netz immer mehr Plattformen, die Campern mit Wunsch nach einem einsamen Naturerlebnis entgegenkommen wollen. Anbieter wie "Landvergnügen" oder "hinterland.camp" verkuppeln die Wohnmobilisten, aber auch Zeltreisenden mit Bauern und Privatleuten im ländlichen Raum.

Die Angebote stellen auch einen Gegenentwurf zum Wildcampen dar, das in Deutschland verboten ist. Wild stehende Camper sind zudem oftmals wegen des Lärms und achtlos weggeworfenen Mülls bei den Einheimischen nicht sonderlich beliebt. Übernachtungen auf Privatgeländen sind hingegen legal.

Die Privatvermittlungen könnten einen weiteren Vorteil haben: Den größten Teil des Jahres stehen die vielen Tausend Wohnmobile in Städten wie Berlin nur herum und nehmen viel Platz weg. Auf den Bauernhöfen und Privatgrundstücken können Fahrzeugbesitzer auch einen Stellplatz mieten und so die riesigen Gefährte von der Straße holen.

Beitrag von Jenny Barke

7 Kommentare

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  1. 7.

    Kleine Korrektur: Campen ist nicht zu verwechseln mit Urlaub mit dem Wohnmobil. Das gehört nicht zusammen und hat nichts miteinander zu tun.

  2. 6.

    Das Prinzip mit der Nachfrage und dem Angebot haben Sie vielleicht nicht ganz realisiert.
    Das ist auch völlig in Ordnung, denn der Preis regelt manchmal ganz wundervoll, dass die Billigheime endlich auch aus einfachen - aber guten - Gasthöfen einfach draußenbleiben.

    Ich mag weder Zelten noch mit so einem Wohnkoffer umherreisen - aber ein guter Landgasthof darf es gerne sein. Ergo, jeder doch so wie er mag. Weshalb muss der Gastwirt jetzt den Preis senken?

  3. 5.

    Liebe Altberlinerin, kann Ihnen nur zustimmen! Nur noch Deutschland, ist soooo schön und gibt soviel Natur!

  4. 4.

    Ich habe keinen Nerv auf Urlaub mit Anstehen, Maske, Tests und UNSICHERHEIT, welche dieser Maßnahmen wo gerade gelten - 500 m weiter wieder andere. Ich fahre einfach nicht. Mein Umland ist super, abends habe ich mein Bett, esse was mir schmeckt und bekommt, und krank werde ich da auch nicht. Weder Montezuma noch Pocken. Dubai und Thai lockt mich null, Malle war ich in den 80ern oft genug. Menschenmassen finde ich schlimm, egal ob in der Camping-Dusche oder am Strand. Tip: Ostwestfalen oder Niedersachsen. Viel Platz, wenig Touristen, und so viel zu entdecken. Und man kann sogar noch Zelten!

  5. 3.

    Leider besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Campen und Zelten! Wer da mit Rad oder zu Fuß mit Rucksack ankommt weiß was ich meine. Man findet nur noch diese riesigen Abstellplätze für Wohnmobile oder Campinghänger, manchmal auch Parkplätze für PKW mit angebauten Riesenzelt. Und da muss man auch noch kämpfen um nicht noch für absolut unnötige Leistungen und Gebühren zu zahlen…..
    Schande über die Betreiber, ich will meine Zeltplätze wieder haben!

  6. 2.

    Postpandemisch? Die Pandemie ist doch noch längst nicht vorbei, man schaue sich allein die aktuellen Inzidenzen an - die ja nichtmal die große, nicht PCR-bestätigte Dunkelziffer erfassen...

  7. 1.

    Ein Grund sind auch die teilweise unverschämten Übernachtungspreise selbst in einfachen Gasthöfen. Aber wenn die Wirte auf diese Gäste verzichten können, kann es in der Gastronomie nicht so schlimm sein!
    Von den Preisen für Speisen und Getränke mal ganz abgesehen.

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