Zustand von Badeseen - "Wenn es sehr heiß ist, filtrieren die Muscheln das Seewasser nicht mehr"

Mi 20.07.22 | 14:38 Uhr
Symbolbild: Blick auf das Schilf am Rande des Müggelsees bei Berlin. (Quelle: dpa/Brüggemann)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.07.2022 | Interview mit Sabine Hilt | Bild: dpa/Brüggemann

Ultraheiß? Dann besser ab in den nächsten See! Damit diese Option auch noch Jahre erhalten bleibt, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Zustand der Badeseen. Aktuelle Sorge bei der Hitze: die Filtrationsleistung der Muscheln.

Die Gewässer in der Region müssen sich ständig an neue Arten, Temperaturunterschiede und Nutzungen anpassen. Es handelt sich um einen unglaublich komplexen Mikrokosmos mit vielen Involvierten: Muscheln zum Beispiel würden bei sehr hohen Temperaturen das Wasser nicht mehr wie gewohnt filtrieren, sagt Sabine Hilt vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) im Gespräch mit dem rbb24 Inforadio am Mittwoch.

Archivbild: Süßwassermuschel (Anodonta cygnea), Carwitzer See, bei Thomsdorf, Brandenburg. (Quelle: dpa/imagebroker)
| Bild: dpa/imagebroker

Gegner von Blaualgen

"Die vorhandenen Muscheln können den Müggelsee einmal am Tag komplett durchfiltrieren", so Hilt. Allerdings sei diese Filtrationsleistung stark von der Temperatur abhängig. So würden die Muscheln bei steigenden Temperaturen erst mal ihre Filtrationsrate erhöhen. "Dann gibt es aber immer Grenzwerte, wo das dann recht drastisch abfällt. Das heißt, wenn es sehr heiß ist, wird überhaupt nicht mehr filtriert."

Die Folge sei zum Beispiel ein starkes Wachstum von Cyanobakterien, also Blaualgen, die den meisten See-Fans und Hundebesitzerinnen und -besitzern wegen ihrer Toxizität bereits bekannt sind. Die wiederum kämen nämlich besonders gut mit den hohen Temperaturen zurecht, so Sabine Hilt.

Muscheln machen Wasser klarer und sauberer

Bei den Muscheln, von denen Sabine Hilt spricht, handelt es sich um die Quagga-Dreikantmuschel. Die war ursprünglich nur in den Zuflüssen des Schwarzen Meeres wohnhaft, siedelt sich aber seit etwa 15 Jahren in europäischen Binnengewässern an und verdrängt die heimische Dreikant-Zebramuschel.

Die Quagga-Muschel weist eine vergleichsweise höhere Filtrationsleistung auf und vermehrt sich viel schneller, dadurch macht sie das Wasser in vielen Seen sauberer und klarer. Das freue wiederum die Wasserpflanzen, sagt Sabine Hilt. Denn je klarer das Wasser, desto mehr Licht dringe in die Tiefe, desto besser könnten die Wasserpflanzen wachsen.

In den Seen wuchern die Wasserpflanzen

Dass es in der Region wieder viele Wasserpflanzen gibt, ist laut Sabine Hilt "eigentlich ein gutes Zeichen, denn sie stehen für eine Verbesserung der Wasserqualität." Sie seien "jahrzehntelang fast ausgestorben" gewesen. Die Pflanzen könnten das Algenwachstum in Gewässern hemmen, was wiederum die Wasserqualität weiter verbessere.

Weil aber noch viele Nährstoffe in unseren Gewässern seien, käme es auch mal schnell zu "massiven Beständen" von Wasserpflanzen. Das störe auch den Menschen beim Baden und Boot fahren. Für das Ökosystem könne es durch viele Pflanzen gerade nachts zu sehr geringen Sauerstoff-Konzentrationen im Wasser kommen.

Archivbild: Mittleres Nixkraut (Najas intewrmdia, Najas marina subsp. intermedia), Zweige mit jungen Fruechten. (Quelle: dpa/A. Jagel)

Hilt: Verbesserung der Wasserqualität

Das "Raue Hornblatt" beispielsweise ist eine hier heimische Wasserpflanze, die sich zuletzt in der Krummen Lanke stark vermehrt hat und dabei die Beine der Schwimmerinnen und Schwimmer stört. "Das fühlt sich hart und stachelig an", so Sabine Hilt. Die Pflanze sieht aus wie ein kleiner Tannenbaum und wird bis zu drei Meter lang. Sie hat keine Wurzeln, sondern schwimmt untergetaucht frei herum, um sich mit den Wasserbewegungen zu verbreiten. Diese werden nicht nur von Fischen, sondern in der Badesaison auch von Schwimmerinnen und Schwimmern verursacht.

Sabine Hilt sagt dazu: "Das Hornblatt und auch das Nixkraut sind typische Arten, die gehören in diese Seen hinein und verdienen ihren negativen Ruf nicht wirklich." Das Fazit der Expertin: "Insgesamt ist das Vorkommen der Wasserpflanzen der Ausdruck einer Verbesserung der Wasserqualität."

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2022., 10:26 Uhr

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