Straßenblockaden in Berlin - "Wir wissen, dass es Gewalt geben kann"

Di 12.07.22 | 18:29 Uhr
Mit viel Mühe lösen Polizeibeamte Klimaaktivisten von der Fahrbahn. (Foto: Marcel Trocoli Castro/rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 12.07.2022 | Marcel Trocoli Casto + Interview mit Benjamin Jendro, GdP Berlin | Bild: Marcel Trocoli Castro/rbb

Die "Letzte Generation" besetzt seit Wochen immer wieder Aus- und Zufahrten von Autobahnen in Berlin. Bei Betroffenen, die im Stau stehen, liegen die Nerven blank. Die Aktivisten bleiben beharrlich. Ein Besuch an der Blockade-Front.

Kurz vor 8 Uhr an einem Wochentag in Berlin: Eine Handvoll Klima-Aktivisten der sogenannten "Letzten Generation" sind auf dem Weg zu ihrer nächsten Straßenblockade. "Meistens bin ich vorher angespannt, wenn ich halt nicht weiß, ob doch noch Polizei kommt und uns kesselt", antwortet Aktivist Theodor Schnarr auf die Frage, wie nervös er gerade sei.

Dass die Polizei die Klima-Aktivisten einkesselt, bevor ihre Blockade gleich überhaupt starten kann, ist nicht die einzige Sorge für Schnarr. "Wir sind uns im Klaren, dass es Gewalt geben kann", sagt er - und meint damit wohl, dass blockierte Autofahrer auch selbst Hand an die Aktivisten legen könnten. Dann steuert das Grüppchen die Autobahn-Abfahrt der A103 in Steglitz an.

Seit fast vier Wochen blockieren Aktivisten der "Letzten Generation" immer wieder Straßen in Berlin. Die Nerven der Autofahrer, die am Weiterfahren gehindert werden, liegen mittlerweile blank. "In der ersten Woche ist eine Freundin von mir einfach direkt mit dem Auto mitgenommen worden", sagt Schnarr. Der Fahrer habe geschrien, dass er einen Termin habe und sei einfach mit der Klima-Aktivistin auf der Motorhaube hängend weitergefahren.

Autofahrer reagieren gereizt

"So, und jetzt geht's los", sagt Schnarr. "Die Ampel ist rot. Der Verkehr steht dann gleich, deswegen können wir rauf gehen." Mit der Angst, dass die Situation auch gleich eskalieren könnte, zieht sich Schnarr eine Warnweste über und setzt sich zusammen mit Mitstreitern auf die A103-Abfahrt. Die Aktivisten entrollen auch Plakate mit Aufschriften wie "Öl sparen statt bohren".

Ein genervt wirkender Autofahrer brüllt sofort aus dem Fenster: "Ich muss zur Arbeit. Ich weiß jetzt nicht, warum die hier die Straße absperren." Schnell füllt sich die Straße mit Autos. Ein langer Stau entwickelt sich. Auch ein Krankwagen kommt jetzt nicht weiter. Schnarr entdeckt ihn. "Ist kein Notfall, oder", fragt er. "Kannst du das mal abklären", bittet er einen Mitstreiter. "Die müssen durch. Die meinten, es ist wichtig", antwortet er Schnarr.

Genervte Autofahrer reden auf die Klimakleber ein. (Foto: Marcel Trocoli Castro/rbb)Konfrontation zwischen Aktivisten und Autofahrern

"Den lassen wir natürlich durch, als das Risiko einzugehen, da einen Menschen zu verletzen", kommentiert Theodor Schnarr die Situation. Nachdem der Rettungswagen mit Blaulicht die Klima-Aktivisten passiert hat, blockieren sie die Straße wieder.

Ein Transporter-Fahrer in blauer Latzhose stürmt auf die Klima-Aktivisten zu. "Ich habe zu tun. Die sitzen da hinten und warten", ruft er. "Setzt euch woanders hin", fordert er. "Es tut uns sehr leid, dass wir im Weg sitzen", antwortet ein Klima-Aktivist freundlich. "Ich habe kein Verständnis für so einen Blödsinn", ruft der Transporter-Fahrer, dreht sich um und geht zurück zu seinem Wagen.

Erst kurz vor dem Eintreffen der Polizei klebt sich Schnarr fest

Sirenen von Polizeiwagen ertönen. Schnarr wird sehr betriebsam und holt eine Tube Schnellkleber hervor. "Jetzt kommt die Polizei und wir fangen an, zu kleben. Das ist wichtig, das nicht gleich zu machen, falls es Gewalt gegen uns gibt und die Menschen uns von der Straße reißen", erklärt er.

Im Stau stehende Autofahrer bauen sich vor den Klima-Aktivisten auf und brüllen. "Euch sollte man die Hand abhacken und an den Straßenrand setzen", schreit einer. Ein anderer ruft: "Ich habe sowas von die Schnauze voll. Ich muss zum Arzt und wer verstänkert hier die Luft? Ihr!"

Autofahrer Gernod Mann fühlt sich durch die Straßenblockierung genötigt. (Foto: Marcel Trocoli Castro/rbb)Autofahrer Gernod Mann.

Auch Autofahrer Gernod Mann steht in der Reihe. Er sagt, dass das Verhalten der Klima-Aktivisten einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstelle. "Es ist Nötigung und ich finde, da müssen strafrechtliche Konsequenzen folgen", fordert Mann. "Dass hier die Polizei in Mannschaftsstärke erscheinen muss, wo die Polizei in Berlin bestimmt ganz andere Sachen zu tun hat, das ist nicht in Ordnung."

Weiße Weste bringe Schnarr nichts

Gegen Aktivist Schnarr laufen bereits Strafverfahren. Schon mehrfach wurde er festgenommen und musste Stunden in einer Zelle verbringen. "Wenn wir das nicht schaffen, wenn wir die Kurve nicht kriegen, dann haben wir in 20, 30 Jahren wegen der klimatischen Veränderungen bürgerkriegsähnliche Zustände", sagt er. "Dann bringt mir eine weiße Weste auch nichts mehr."

Autofahrer Gernod Mann ist das Klima nicht egal, wie er sagt. "Aber man kann Ziele nur so erreichen, dass sie legal erreicht werden, und das sehe ich hier leider nicht."

Polizeibeamte lösen Theodor Schnarr mit Speiseöl von der A103. (Foto: Marcel Trocoli Castro/rbb)
Mit Speiseöl löste die Polizei die Hand von Theodor Schnarr von der Fahrbahn. | Bild: Marcel Trocoli Castro/rbb

Ärger und Wut bei den Autofahrern. Doch solange die Polizei da ist, müssen die Aktivisten nicht befürchten, dass es zu Übergriffen kommt.

Ein Beamter geht auf Schnarr zu und versucht, seine Hand mit Speiseöl von der Fahrbahn zu lösen. "Sie kennen das Spiel. Wenn Sie Schmerzen haben, sagen Sie Bescheid." Denn die Beamten haben auch eine Sorgfaltspflicht beim Ablösen der Hand. Dann ist Schnarrs Hand los.

"Die Hautschichten werden schon angegriffen, aber ich denke, das haben die ganz professionell gelöst", sagt Scharr. Die Polizei nimmt er in Gewahrsam. Am Nachmittag wird er aus der Gefangenensammelstelle wieder entlassen.

Mit Material von Marcel Trocoli Castro

Sendung: rbb24 Abendschau, 12.07.2022, 19:30 Uhr

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