Modellprojekt in Schöneberg - Berlin erprobt Hitzehilfe für Obdachlose

Mo 18.07.22 | 13:44 Uhr
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Ein Obdachloser schläft auf einen Bank beim Tiergarten in Berlin © imago images/Emmanuele Contini
Audio: rbb 88,8 | 18.07.2022 | Silke Mehring | Bild: imago images/Emmanuele Contini

Die Berliner Kältehilfe ist im Winter seit langem etabliert in der Stadt, nun ist auch das Pendant für die heiße Zeit gestartet: In Schöneberg können sich seit Montag obdachlose Menschen in einer Unterkunft vor der Hitze schützen.

Die erste Berliner Notunterkunft der Hitzehilfe hat seit Montag geöffnet.

Das Modellprojekt des Internationalen Bundes Berlin Brandenburg (IBB) in der Kurmärkischen Straße in Berlin-Schöneberg bietet tagsüber 30 obdachlosen Menschen Platz, die sich abkühlen, duschen, essen oder trinken wollen. Außerdem werden Sonnencreme und Kopfbedeckungen verteilt. Geöffnet ist die Unterkunft täglich von 10 bis 20 Uhr.

Gefördert wird das Projekt von der Senatsverwaltung für Soziales. Es läuft bis zum 30. September. Mit dem Testlauf will die Sozialverwaltung die Hitzehilfe für die kommenden Sommer optimieren. "Durch den fortschreitenden Klimawandel treten häufiger Hitzewellen auf. Sie stellen eine zunehmende Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung dar. Obdachlose Menschen zählen zur vulnerablen Gruppe", so die Sozialverwaltung.

1.000 Notbrunnen könnten als Trinkwasserspender dienen

Der sozialpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Björn Wohlert, begrüßte das Projekt zwar auf Nachfrage des rbb. Er kritisierte jedoch, dass Berlin erst jetzt eine Hitze-Notunterkunft startet. "Der Senat weiß seit vielen Jahren, dass die Sommer im Durchschnitt wärmer werden", so Wohlert. "Da wundert es mich, dass wir erst jetzt Erkenntnisse gewinnen und Konzepte prüfen müssen." Wohlert fordert über das aktuelle Angebot hinaus ganztägig geöffnete Unterkünfte - auch in den Außenbezirken. Erfahrene Träger wie etwa der IBB müssten dazu stärker unterstützt werden.

Neben der Unterkunft in Schöneberg investiert die Sozialverwaltung schon länger in einige Projekte. So öffnet die Tabor-Gemeinde in Kreuzberg seit Kurzem zweimal pro Woche ihre Pforten - mittwochs und sonntags - damit sich obdachlose Menschen im Kirchenraum abkühlen können.

Die Verwaltung unterstützt das Angebot mit rund 1.000 Euro monatlich. Mit 400.000 Euro jährlich beteiligt sie sich an der Karuna-Taskforce, deren Helfer im Sommer Getränke auf der Straße verteilen und mit vier klimatisierten Bussen in der Stadt unterwegs sind, in denen sich obdachlose Menschen ausruhen können. Derzeit prüft die Verwaltung nach eigenen Angaben außerdem, ob die rund 1.000 Notbrunnen der Stadt, die im Katastrophenfall angezapft werden sollen, auch im Sommer genutzt werden könnten, um an mehreren Orten kaltes Trinkwasser anzubieten.

Karuna-Verein fordert deutlich mehr Einrichtungen

Joerg Richert, Geschäftsleiter des Karuna-Vereins, fordert darüber hinaus deutlich mehr Schattenplätze und "cooling center" in der Stadt. Dehydrierung sei im Sommer unter obdachlosen Menschen ein massives Problem, sagte er dem rbb. Ab 35 Grad würden die Anrufe durch das Sozialamt mit Bitte um Hilfe deutlich zunehmen. So könne der Asphalt, auf dem die Menschen mitunter sitzen, bis zu 60 Grad heiß werden. Insbesondere Alkoholkranke bekämen schneller Kreislaufprobleme.

Die Bemühungen des Landes nannte Richert einen Tropfen auf den heißen Stein. Er fordert deshalb mehr Systematik in der Hitzehilfe, die sich Berlin von New York oder Seattle abschauen könnte. Dort öffnen flächendeckend öffentliche, klimatisierte Gebäude, wie zum Beispiel Büchereien oder Gemeindezentren, damit vor allem vulnerable Gruppen wie Alte, Kinder oder Obdachlose sich abkühlen können. Berlin bräuchte nach Richerts Einschätzung etwa 200 solcher Einrichtungen. In Frage kämen zum Beispiel auch Bahnhöfe. "Es geht dabei weniger ums Geld als darum, die Stadtplanung und die verschiedensten Verwaltungen und Bezirke an einen Tisch zu bekommen", so Richert.

Der sozialpolitische Sprecher der FDP, Tobias Bauschke, äußerte sich dem rbb gegenüber optimistisch, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Hitzehilfe in Berlin wächst. "Die Sensibilität steigt von Jahr zu Jahr an", so Bauschke. "Hitzehilfe wird in Berlin mal denselben Stellenwert bekommen wie Kältehilfe."

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.07.2022, 19:30 Uhr

20 Kommentare

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  1. 20.

    "Das können sie doch jetzt schon machen." Das tun auch viele. Aber gut ist die Idee mit den Kirchen, die könnte tatsächlich ihre gepredigte Barmherzigkeit mal in Taten umsetzen, die Gebäude sind immer kühl und die wohlhabenden Kirchen könnten auch Trinkwasser spenden.

  2. 19.

    Wir haben doch überall die lilafarbenen BWB-Brunnen die keiner benutzt, weil das Wasser viel zu hart/kalkig ist. Den Kalk sieht man auf dem Gehweg, richtig weiße Spuren. Für die obdachlose Menschen wären sie aber ok., besser als gar nix.

  3. 18.

    Nein, hier gibt’s absolut nichts; die BRD ist ja bekanntlich eins der ärmsten Länder der Welt. Nur dumme Fragen und dazugehörige Fragezeichen scheint’s hier im Überfluss zu geben. Davon können obdachlose Menschen sich aber nun leider auch nichts kaufen.

  4. 17.

    Sind denn tatsächlich ein paar Groschen bei dem ganzen "Kriege führen" da???

  5. 16.

    https://www.bwb.de/de/trinkbrunnen.php
    @Tim: Sie sind mein Held des Tages! Danke für den Link!
    Verbreiten!
    ++1

  6. 15.

    "wieso nicht solche Einrichtungen auf dem ganzen Stadtgebiet verteilt und rund um die Uhr 7 Tage die Woche geöffnet."

    Soweit ich weiß, trifft das auf die Trinkbrunnen zu. Wirklich eine sehr gute Sache.

  7. 14.

    „Sind diese Trinkwasserbrunnen zentral gelegen und für Menschen, die obdachlos sind, gut erreichbar?“

    Ja, die sind relativ flächendeckend über die ganze Stadt verteilt:
    https://www.bwb.de/de/trinkbrunnen.php

  8. 13.

    „ Hat schon Jemand versucht einen Lösch-
    Wassereimer am Trinkbrunnen zu füllen ?“
    Nee, hab ich noch nicht versucht, die Eimerchen, die da runter passen sind nicht zum löschen geeignet. ;-)
    Außerdem heißen die nicht umsonst „Trinkbrunnen“.
    Aber bei uns gibt es eine Pumpe am Straßenrand, die ist für sowas geeignet sein.

  9. 12.

    „Die Ärmsten im eigenen Land, bekommen immer zuletzt die notwendige Aufmerksamkeit. Ein allgemeines deutsches Phänomen.“

    Ich denke, da irren Sie sich … Oder fällt Ihnen spontan ein Land ein, in dem das anders wäre?

  10. 11.

    Sind diese Trinkwasserbrunnen zentral gelegen und für Menschen, die obdachlos sind, gut erreichbar?

  11. 10.

    „Ein allgemeines deutsches Phänomen.“

    Ist mir neu, wo ist das denn flächendeckend anders?

  12. 9.

    „Es gibt in Berlin bereits knapp 200 Trinkbrunnen von den Berliner Wasserbetrieben wo man Stadtwasser bekommt und seine Wasserflasche füllen kann.“

    Da die Sommer zunehmend heißer und trockener werden, war die Installation der Trinkbrunnen wirklich eine verdammt gute Idee. Auf meiner Laufrunde, die mich auch über das im Sommer brütend heiße und trockene Tempelhofer Feld führt, hab ich nun schon des Öfteren dankend davon Gebrauch gemacht. Dass dadurch nun auch Obdachlose einen quasi unbegrenzten Zugang zu Trinkwasser erhalten, macht diese Brunnen nur noch sinnvoller.

  13. 8.

    "In Frage kämen zum Beispiel auch Bahnhöfe." Erm, das verstehe ich nicht. Es geht um die Hitze tagsüber, richtig? Die Bahnhöfe sind tagsüber doch offen. Was hindert denn die Obdachlosen daran, sich tagsüber auf den kühlen Bahnhof zu setzen um sich abzukühlen? Das können sie doch jetzt schon machen.

  14. 7.

    Die Idee ist ja gut aber wieso bloß ein Pilotprojekt wieso nicht solche Einrichtungen auf dem ganzen Stadtgebiet verteilt und rund um die Uhr 7 Tage die Woche geöffnet. Es sind die Ärmsten Menschen dieser Gesellschaft und auch diese Menschen haben ein Recht auf ein Würdevolles Leben in unser Gemeinschaft. Die Stadt verschleudert so viel Geld für nutzlose Dinge hier wäre es richtig angelegt.

  15. 6.

    Viele Bahnhöfe heizen sich in den Hitzewellen auch stark auf. Zudem werden sie leider immer mehr mit Shops zugebaut in denen zum Teil auch noch gebacken wird. Also, wenn die Bahnhöfe zukünftig von noch mehr Menschen und Fahrgästen genutzt werden sollen, muss die BVG anfangen die Flächen dafür freizumachen - statt sie immer mehr zuzubauen.
    Auch eine bessere Belüftung, z.B. um die Bahnhöfe (z.B. Herrmannplatz) nachts durch kühlere Aussenluft zu kühlen, könnte helfen.

  16. 5.

    Es gibt in Berlin bereits knapp 200 Trinkbrunnen von den Berliner Wasserbetrieben wo man Stadtwasser bekommt und seine Wasserflasche füllen kann.

  17. 4.

    Schreiben Sie bitte nicht solche Kommentare. Lassen Sie bitte die Politiker weiter ihre verdienten Schlaf genießen. Was in der längeren Vergangenheit gut war und funktioniert hat, wurde nicht mehr für notwendig erachtet. Die teure Rechnung kommt jetzt.

  18. 3.

    Die Ärmsten im eigenen Land, bekommen immer zuletzt die notwendige Aufmerksamkeit. Ein allgemeines deutsches Phänomen. Dazu brauchten wir wirklich eine Studie, um etwas zu ändern.

  19. 2.

    In Hamburg haben sich öffentliche Wasserstationen bewährt. Vielleicht sollte hier Berlin mal in Hamburg anrufen und copycat spielen. Es kann so einfach sein.

  20. 1.

    In Europa ist Krieg?
    Warum lässt der Senat von Berlin die
    Handpumpen der Not-Wasserversorgung
    nicht in funktionsfähigen Zustand
    versetzen ?
    Hat schon Jemand versucht einen Lösch-
    Wassereimer am Trinkbrunnen zu füllen ?
    Ist es zu teuer ?
    Soll Lösch-Wasser gespart werden ?

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