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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 24.08.2022 | Thomas Bittner | Quelle: dpa/Jörg Carstensen

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Bahn will mehrere Reisezentren in Brandenburger Bahnhöfen schließen

Bahn-Tickets können inzwischen auch an Automaten oder digital erworben werden, vor allem ältere Kunden kaufen aber gerne weiter am Schalter. Dennoch will die Bahn jetzt in Brandenburg Reisezentren schließen. Kommunalvertreter sind verärgert. Von Thomas Bittner

Wittenberge hat eine lange Tradition als Eisenbahnknoten. Das 175 Jahre alte klassizistische Bahnhofsgebäude kündet noch heute davon. Aber Fahrkarten kann man hier schon lange nicht mehr kaufen. Ein kleiner Container vor dem leer stehenden Haus dient als Reisezentrum der Deutschen Bahn. Doch selbst dieses Provisorium steht vor dem Aus.

Wenn im Dezember der Fahrplanwechsel ansteht, gibt es auf einigen Regionalstrecken neue Betreiber. Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) hat für zwei ehemalige Linien der DB Regio den Zuschlag bekommen. So wird der viel genutzte Regional-Express RE 1 von Brandenburg und Potsdam nach Berlin und weiter nach Frankfurt (Oder) in der Hauptverkehrszeit alle 20 Minuten fahren. Mit dem RE 8 kommen ODEG-Fahrgäste vom Flughafen BER über Berlin auch nach Wittenberge.

Der Betreiberwechsel hat allerdings Auswirkungen nicht nur auf den Zugverkehr, sondern auch auf die dazugehörige Infrastruktur. Zurzeit betreibt die Deutsche Bahn in Brandenburg fünf Reisezentren: in Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg/Havel, Rathenow und Wittenberge. Doch diese will die Bahn nun nicht mehr alle weiterbetreiben.

Nach derzeitigen Plänen sollen von den fünf DB-Reisezentren mit insgesamt 20 Mitarbeitenden nur die in Cottbus und Rathenow erhalten bleiben, die Ticketzentralen in Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und Wittenberge werden geschlossen. Die Beschäftigten wechseln in andere Reisezentren in Berlin, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern.

"Das tut dem System nicht gut"

Bahngewerkschaften lehnen Verlängerung des Neun-Euro-Tickets ab

Die Zukunft des Neun-Euro-Tickets wird seit Wochen diskutiert - nun auch mit den Gewerkschaften der Bahn. Sie lehnen eine Fortführung des Tickets ab. Die Infrastruktur sei für derartige Massenbeförderungen (zumindest noch) nicht ausgelegt.

Wittenberge akzeptiert den Verlust des Reisezentrums nicht

Für Oliver Hermann, den Bürgermeister von Wittenberge, ist der Verlust des Reisezentrums in seiner Stadt nicht akzeptabel. "Einerseits gibt es den angekündigten Deutschland-Takt, also eine Frequenzerweiterung. Es soll ein Bahnsteig hier gebaut werden, 2027 wird die Landesgartenschau hier stattfinden. Und dann soll's hier kein Ticketing mehr für den Fernverkehr geben? Ich glaub, das passt nicht richtig zusammen."

Quelle: dpa/Oliver Gierens

Ausgerechnet Wittenberge. Hier halten die Züge der ICE-Flotte, aber auch IC- und EC-Verbindungen gibt es. Selbst nach Westerland auf Sylt kann man ohne Umsteigen mit der Bahn reisen. Einen Ticketschalter für diese Züge aber wird es ab Dezember nicht mehr geben, wenn es bei den Plänen bleibt.

Die Deutsche Bahn verweist darauf, dass viele Kunden Online-Tickets kaufen oder die Bahn-App nutzen. Außerdem gibt es noch die Fahrkartenautomaten am Gleis. Und dennoch: Vor allem ältere Bahnkunden wünschen sich auch zukünftig Beratung und Hilfe direkt am Ticketschalter.

Hoher Aufwand für Fernverkehr-Tickets

Die ODEG wird Nahverkehrs-Tickets entlang ihrer neuen Strecken auch an Schaltern verkaufen. Fahrkarten für Fernzüge wird es dort aber nicht mehr geben, weil das in der Ausschreibung nicht verlangt war. "Der Verkauf von Fernverkehrstickets zieht einen erhöhten Personalbedarf für die Beratungsgespräche sowie zusätzlichen Aufwand für die Schulung der Mitarbeiter in den Fernverkehrstarifen nach sich", schreibt die ODEG auf rbb-Anfrage. Dieser Aufwand sei nicht kalkuliert.

Brandenburgs Infrastrukturministerium verteidigt die fehlende Verpflichtung der neuen Betreiber zum Ticketverkauf. Das Land sei nur für den Nahverkehr auf der Schiene zuständig, um den Fernverkehr müsse sich der Bund kümmern. Aus rechtlichen Gründen sei es nicht möglich, bei der Vergabe auch diesen Vertrieb auszuschreiben.

Ticketverkauf über Konkurrenz?

Das Ticket-Dilemma entsteht auch durch das Hin- und Herschieben von Verantwortung zwischen Bund und Ländern. Jetzt will man in Brandenburg die Bahnkonkurrenten wenigstens für pragmatische Lösungen gewinnen. Minister Guido Beermann, CDU, sagte im rbb: "Das Land ist auf die Beteiligten zugegangen." Die Deutsche Bahn müsse mit der ODEG sprechen, ob man nicht gemeinsam auch Ferntickets verkaufen könne.

Das scheitert allerdings nicht selten an den Konditionen der Deutschen Bahn. Die Provisionen des Staatskonzerns für Kartenverkäufe, etwa bei Reisebüros oder Agenturen, sind in den letzten Jahren immer weiter zusammengestrichen worden. Jeder beratungsintensive Schalter-Kunde, der nach langem Hin und Her eine Fahrkarte nach Garmisch-Partenkirchen oder Flensburg kauft, wäre Kassengift für die ODEG-Ticketzentralen.

Nach Ende des Neun-Euro-Tickets

Verkehrsunternehmen schlagen bundesweites 69-Euro-Ticket vor

Die Verkehrsunternehmen in Deutschland schlagen ein dauerhaftes 69- als Nachfolger des Neun-Euro-Tickets vor. Derweil hat die Initiative "Berlin autofrei" eine Petition für den Erhalt des Neun-Euro-Tickets gestartet.

Neues Kundenzentrum im Frankfurter Bahnhof

Und dennoch ist Bewegung in die Sache gekommen. Landtagsabgeordnete, Stadtverordnete und Bürgermeister haben nachgefragt und Vorschläge gemacht.

Nach Beermanns Worten wird gemeinsam mit DB Region und der ODEG nach Lösungen gesucht. "Soweit ich weiß, klappt das für Frankfurt und Brandenburg, aber man ist auch insgesamt im Gespräch", sagte der Politiker.

In Frankfurt (Oder) wird die kommunale Stadtverkehrsgesellschaft SVF die Räume der DB übernehmen und zusammen mit der ODEG ein Kundenzentrum betreiben. "Es wird sich optisch etwas ändern, die Öffnungszeiten werden erweitert", sagt Magdalena Warchol, die Leiterin der Unternehmenssteuerung der SVF im rbb. "Wir hoffen, dass wir das in Richtung eines Mobilitätspunktes ausbauen können." Noch werden Service-Mitarbeiter gesucht, man könne sich bewerben.

Für Wittenberge ist eine solche Lösung noch nicht gefunden worden. Und die Zeit läuft. In weniger als vier Monaten ist Fahrplanwechsel.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.08.2022, 19:30 Uhr

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