Interview | Bäume im Trockenstress - "Solche Grünast-Abbrüche sind im Vorfeld nicht zu erkennen"

Sa 06.08.22 | 10:44 Uhr
  17
Abgebrochener Ast von einem Baum im Tiergarten. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Den Bäumen fehlt Regen, immer häufiger brechen schwere Äste unvermittelt ab. Der Fachbereichsleiter für Grünflächen in Potsdam erklärt, warum es noch keine eindeutige Erklärung für das Abbrechen der noch lebenden Äste gibt.

rbb|24: Herr Schmäh, die Dürre setzt den Bäumen auch in diesem Sommer stark zu. Hin und wieder brechen Äste ab, die eigentlich gesund aussehen und häufig recht groß sind. Wie kommt es dazu?

Lars Schmäh: Die Wissenschaft untersucht das noch. Es gibt derzeit mehrere Thesen. Vereinfacht gesagt, ist der Baum ein Lebewesen, hat eine Überlebensstrategie und trennt sich in Extremsituationen von den Bestandteilen, die er am wenigsten zum Überleben braucht. Die erste These ist: Die Äste im unteren Bereich der Krone liegen häufig im Schatten und dort betreibt der Baum weniger Photosynthesen als im oberen oder äußeren Bereich. Eine andere These sagt, dass die Hitze dazu führt, dass die Astoberfläche sich erwärmt und sich die äußere Holzfläche stärker erwärmt als die innere und diese Spannung zum Versagen des Holzes führt. Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass durch die Trockenheit die Wasserflüsse im Baum gestört werden und teils sogar abbrechen und das die Stabilität des Astes beeinträchtigt. Plausibel ist, dass alle Erklärungen eine Rolle spielen.

Zur Person

Lars Schmaeh. (Quelle: privat)
privat

Lars Schmäh ist kommissarischer Fachbereichsleiter für Klima, Umwelt und Grünflächen bei der Stadt Potsdam.

Welche Baumpflegemaßnahmen mussten Sie in den letzten Jahren anpassen, weil das Klima sich verändert hat?

Das Baumsubstrat haben wir angepasst. Früher haben wir einfach ein Loch in die Erde gegraben, den Baum gepflanzt und die gleiche Erde wieder verwendet. Jetzt heben wir große Pflanzgruben aus, tauschen den Boden aus, verwenden hochwertiges Pflanzsubstrat, setzen Dränrohre ein, damit Wasser und Luft in den Wurzelbereich kommen. Manche Bäume an besonders schwierigen Standorten bewässern wir über die Zeit der Fertigstellungs- und Entwicklungspflege von sieben Jahren hinaus entweder über oberirdische Bewässerung oder durch Wassersäcke. Wir müssen die Bäume aufgrund der Trockenheit erheblich intensiver pflegen, die Kosten dafür haben sich dafür in den letzten Jahren um 50 bis 100 Prozent erhöht.

Gibt es die Möglichkeit, vom Abbruch bedrohte Äste im Vorfeld zu erkennen?

Das ist ja das Spannende: Solche Grünast-Abbrüche sind im Vorfeld nicht zu erkennen. Die gehen ganz plötzlich vonstatten. Im Gegensatz dazu kann man Abbrüche vonTotholz vorhersehen und dem entgegenwirken: Man sieht den Vitalitätsverlust, so dass zunächst weniger Laub ausgebildet wird und dann gibt es kleine Zweige, die gar keine Blätter mehr tragen. Das können wir im Vorfeld gut beobachten und den Ast abnehmen. Bei den Grünast-Abbrüchen ist das Schwierige, dass man das im Vorfeld nicht sehen kann.

Wann ist in Potsdam zuletzt unvermittelt ein großer Ast abgebrochen?

Wir hatten vor wenigen Wochen in Babelsberg einen großen Grünast, der von einer alten Rotbuche abgefallen ist. Der Ast war knapp zehn Meter lang und hatte einen Durchmesser von 15 bis 20 Zentimetern. Bei solchen Grünast-Abbrüchen handelt es sich häufig um waagerecht abstehende Äste aus dem unteren Kronenbereich.

Wie hoch schätzen Sie die Gefahr für Passanten ein, von einem herabfallenden Ast getroffen zu werden?

Bei über 100.000 städtischen Bäumen, die wir in Potsdam haben, hat es in diesen Sommer bislang etwa in zehn Fällen Grünastbrüche gegeben. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, von einem Auto oder Fahrrad angefahren zu werden, als von einem Ast erschlagen zu werden.

Wie können Baumpfleger:innen den Bäumen helfen fitter zu werden?

Wir begutachten die Bäume alle jährlich. Nach der Begutachtung werden festgestellte Aufwände umgesetzt, so wird Totholz beseitigt und Wunden an Bäumen werden gepflegt. Wenn ein Ast abgebrochen ist, wird die Abbruchstelle beschnitten und begradigt, damit die Rinde wieder über die Abbruchsstelle wächst und die Schnittwunde sich schließt. Sehr viel Aufwand, Zeit und Geld investieren wir bei Jungbaumpflanzungen, damit der Baum möglichst gute Standortbedingungen bekommt. Dazu haben wir inzwischen die Fertigstellungs- und Entwicklungspflege von drei Jahren auf sieben Jahre ausgeweitet. Wir bieten den Jungbäumen sozusagen eine gute Kinderstube, damit sie möglichst stark in ihr Leben starten.

Das Gespräch führte Anna Bordel.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.08.2022, 16:05 Uhr

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 17.

    Das ist wie mit dem Gas. Manche haben ja auch gedacht, Gas gibt es endlos, ist billig und kommt automatisch aus der Leitung. Bis jemand den Hahn abdreht und die Preise unbezahlbar werden. Genauso das Wasser. "Wozu Wasser sparen, das kommt doch automatisch aus dem Wasserhahn". Aber wie es da reinkommt und woher, das wollen viele nicht wissen.

  2. 16.

    Nee, falsche Unterstellung! Wenn, dann GEO, NATURE, Wiki und "Lügenpresse". Aber leugnen Sie ruhig weiter Tatsachen, die nicht nur mir aufgefallen sind. Das qualifiziert Sie als bildungsimmun und Klimawandelignorant.
    https://galk.de/startseite/platanen-platzt-der-kragen
    https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/platanen-verlieren-borke-die-baeume-lassen-ihre-huelle-fallen-15675312.html

  3. 15.

    Ja die Reinigungsleistung der Natur wird von den Naturschutzbehörden und Gesetzgebung immer noch unterschätzt oder unterbewertet.
    Birke kann zum Beispiel Mikroplastik in Ihrem Holz anreichern. Verbraucht dafür aber auch ordentlich Wasser.
    Märkischer Sand ist ebenfalls ein hervorragender Filter, den man nur regelmässig waschen muss, wenn notwendig.
    Weniger Müll auf den Straßen und Wegen würde das ganze natürlich argumentativ leichter machen.


  4. 14.

    In 10 Jahren sind aber die Bäume entsprechend gewachsen und haben dadurch mehr Rinde zum Abwerfen.
    Aber bleiben sie ruhig bei ihren eigenen Beobachtungen und der Erkenntnissen der Telegram-Uni.

  5. 13.

    Ne, lass mal, statt mir die Welt so zurecht zu biegen, wie sie mir gefällt, mache ich mich auch u.a. schlau, indem ich dann doch der Naturwissenschaft vertraue. Das erweitert den Horizont.

  6. 12.

    Sie sind auf Googel angewiesen? Ick brauch det nich. Es is hinlänglich bekannt, dass diese Bäume sich häuten. Aber wenn ma sich nur auf fremdes Wissen berufen muss, bleibt natürlich kein Spielraum für eigene Beobachtungen.
    Die Art und Weise, in welchem Ausmaß die Rinde abgeworfen wird, hat sich in den letzten ca. 10 Jahren verändert! Früher immer relativ kleine Stücke - voriges Jahr mitunter so große Stücke, die länger sind als der Radweg breit ist.
    Jetzt hab ick keine Lust mehr, noch länger Holz in den Wald zu tragen.

  7. 11.

    Die grünen Eicheln werden jetzt schon abgeworfen von manchen Bäumen.

  8. 10.

    Schön, dass Sie sich Ihre eigenen Gedanken machen, aber manchmal kann Google doch hilfreich sein. Eines der vielen Zitate zu diesem Thema lautet "Die Bäume entledigen sich der Rinde wegen des Wachstums. Da es im Frühjahr meist ausgiebig regnet und die Platanen viel Wasser aufnehmen, haben sie im Sommer einen regelrechten Wachstumsschub. Sie haben in der Höhe und im Umfang zugelegt, sind also dicker geworden. Die Trockenheit ist für diese Bäume nicht problematisch".

  9. 9.

    Glauben Se mir doch einfach, wat ick schreibe. Ick bin zwar Stadtmenschin, gehe aber trotzdem mit offene Augen durch Natur, Wald und Flur. Deswejen kenn ick auch den Unterschied zwischen Windbruch und Windwurf.
    Det weeß ja jeda, det sich Platanen pellen, aber wenn 1,5-m-große Stücke abgesprengt werden und der janze Stamm dann nackigt dasteht, is det nich normal.
    Zum Glück sind se nich einjejangen, sondern haben sich in der Rejenzeit erholt und neue Rinde jebildet.
    Sonst noch Fragen? ;-)

  10. 8.

    Das mit den Platanen find ich spannend, denen platzt die Rinde nicht wg der Trockenheit ab, sondern weil sie wachsen, denen scheint die Trockenheit nichts auszumachen. Habe ich in Südfrankreich so gesehen und wurde mir auch so erklärt.

  11. 7.

    Hier könnte der Einsatz von unterirdischen Versickerungsanlagen Rigolen Abhilfe schaffen, als ersten Schritt zu einer sogenannten Schwammstadt. Diese Rigolen könnten durchaus von mehreren gemeinsamen betrieben werden und so die Flächennutzung optimieren ohne die Bäume zu beeinträchtigen. Problem bleibt allerdings erstmal die Bodenverdichtung die beim Bau von Rigolen erst einmal aufgebrochen werden muss.

  12. 6.

    Doch, hier inner Innenstadt sind es keine Mastjahre, so oft wie das vorkommt - in den letzten Jahren fast regelmäßig. War ja nur ein Beispiel, wo es besonders auffällt. Bei Linden und Ahorn das Gleiche - Grund: Trockenheit und Abgasbelastung. Hier ist ein BVG-Betriebshof in der Nähe, da fahren nicht nur die zwei regulären Buslinien, sondern noch Hunderte Busse mit nur Betriebsfahrten.
    Bei den Platanen platzt wegen Wassermangel die äußere Rindenschicht ab, so dass bei vielen Bäumen die Stämme so hell aussahen, als wären sie mit nem Harvester geschält worden. Und bei den Kastanien fallen seit Jahren die Mastjahre wegen der Miniermotte aus.

  13. 5.

    Das muss nicht sein, dieses Jahr war für Bäume ein sogenanntes Mastjahr, eine Überlebensstrategie gg Fressfeinde, damit so viel wie möglich Samen bzw Früchte sich verteilen oder übrigbleiben. Die Trockenheit mag jedoch auch einen Teil dazu beitragen.

  14. 4.

    GANZ GENAU SO
    und von den übrigen Flächen Rings um den Baum,wird das Regenwasser in auch nur kleinsten Mengen schnell in die Kanalisation abgeleitet. Weil sonst diese verstopft.
    In Grünau Walchenseestr Ecke Lahmerstr werden gerade 2(!) RE (Gulli) gesetzt, damit diese anfallendes RegenWasser in Form einer riesigen Pfütze aufnehmen und ableiten. nur 5m weiter ist ein "Wald"stück wo dieses Wasser dringend gebraucht wird.Eventuelle Kontaminationen könnten wie bisher durch d.Wurzeln gefiltert werden

  15. 3.

    Ein weiteres Anzeichen dafür, wie schlecht es den Bäumen geht, wird sich im Herbst zeigen: Notfruktifikation!
    Dann muss man unter den Eichen bei mir umme Ecke aufpassen, dass ma nicht wegrollt.
    Dafür ist der Tisch für Eichhörnchen und Mäuse reich gedeckt.

  16. 2.

    Ein weiterer Grund dürften die viel zu kleinen Baumscheiben sein die für Bäume an den Straßen vorgesehen sind. Mein Großvater, der Bauer war sagte mir in jungen Jahren, dass bei der Fläche die ein Baum braucht um Wasser zu bekommen mindestens der Durchmesser an der breitesten Stelle der Baumkrone entsprechen muss. Und wie sieht sieht es bei vielen Strassenbäumen aus? Verdichteter Boden bis etwa 1 m an den Stamm. Wie können Wurzeln da Wasser aufnehmen?

  17. 1.

    Meine Nachbarn mit eigenem Brunnen im garten wässern ihre Rasenflächen oder ihren einen Mini-Apfelbaum stundenlang, dass man meint, jedes Grundstück hat eine eigene unendliche Wasserquelle. Die kommen gar nicht drauf, dass das Wasser von oben kommt, und dem Wald und den Strassenbäumen fehlt dann das Wasser. Aber bei soviel Dummheit und Egoismus wundert mich nichts mehr. Wenn man was sagt, dann heißt es nur, ach, das bißchen Wasser..... auweia!

Nächster Artikel