Abserviert für 700.000 Euro - Wie Schlesinger einen Manager kaltstellte

Fr 19.08.22 | 13:12 Uhr | Von René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst
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Im 13. Stock, der Intendanz des rbb, brennt abends Licht (Quelle: DPA/Carsten Koall)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.08.2022 | Jo Goll | Bild: DPA/Carsten Koall

Als Intendantin servierte Patricia Schlesinger gemeinsam mit ihrer Chefjustiziarin beim rbb einen Medienmanager ab. Um ihn loszuwerden, muss der Sender ihm mehr als 700.000 Euro zahlen. Vom rbb-Rechercheteam*

Der rbb bezahlt seit vier Jahren einen Medienmanager, der faktisch freigestellt ist. Bis 31. August 2026 soll der Mann insgesamt mehr als 700.000 Euro erhalten. Davon hat der Sender ihm seit seinem Ausscheiden bereits mehr als 300.000 Euro ausgezahlt.

Die monatlichen Zahlungen verantwortet nach Informationen des rbb-Rechercheteams neben der kürzlich abberufenen Intendantin Patricia Schlesinger auch Susann Lange, damals Justiziarin des Senders und heute Juristische Direktorin. Die beiden boten dem zum Vertragsabschluss 57-jährigen Manager die lukrative "Vorruhestandsregelung" an.

Der Manager hatte seit den Neunzigerjahren für den rbb gearbeitet, ursprünglich als Jurist, zuletzt als Geschäftsführer der rbb media GmbH. Bei der Tochterfirma des Senders könne er auf eine "außerordentliche Erfolgsgeschichte" zurückblicken, ließ sich Schlesinger im Sommer 2018 in einer Pressemitteilung zu seinem Weggang zitieren. Man bedauere diesen sehr, die Zusammenarbeit sei ausgezeichnet gewesen.

Warum wurde dieses Angebot unterbreitet?

Nachdem der Manager seinen Posten geräumt hatte, erhielt er noch ein Beraterhonorar in Höhe von insgesamt 10.000 Euro, außerdem Boni in Höhe von 24.000 Euro. Der rbb erklärte damals öffentlich, der Manager habe die rbb media auf eigenen Wunsch verlassen. Aus einem Schreiben, mit dem er sein Amt als Geschäftsführer niederlegte, geht hervor, dass er danach eigentlich im Justiziariat des rbb tätig sein sollte – also in der Abteilung von Susann Lange. Nach Informationen des rbb-Rechercheteams besetzt er dort formal noch heute eine Planstelle und steht sogar im Urlaubsplan.

Warum genau der rbb dem von der Intendantin hochgelobten Manager Zahlungen in Höhe von rund 100.000 Euro pro Jahr anbot, damit dieser nicht mehr für das Haus arbeitete, wollte niemand beantworten. "Diese Vorgänge liefen über das Justiziariat Ihres eigenen Senders. Sie sitzen also an der Quelle", schrieb Schlesingers Anwalt Ralf Höcker auf Anfrage des rbb-Rechercheteams am Mittwoch. "Bitte sehen Sie in die Akten des rbb-Justiziariats. Frau Schlesinger hat darauf keinen Zugriff mehr."

Blick in die Akten des rbb-Justiziariats

Lange wollte sich weder zur "Vorruhestandsregelung" des Managers noch zu ihrer eigenen Rolle bei den zugrunde liegenden Verhandlungen äußern. In einer E-Mail an das rbb-Rechercheteam behauptete die Juristische Direktorin am heutigen Freitag knapp, es habe keine Möglichkeit gegeben, den Mitarbeiter wieder in den rbb einzugliedern. Sie hatte für ihre Antwort zuvor noch um eine Fristverlängerung gebeten.

Allerdings leitete sie dem rbb-Rechercheteam – anscheinend aus Versehen – den E-Mail-Verkehr zur internen Abstimmung ihrer Abteilung weiter. Aus diesem geht hervor, dass eine Mitarbeiterin von Lange im Justiziariat damals, also 2018, Bedenken zu einem Compliance-Verfahren geäußert hatte.

Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte

Kurz bevor Schlesinger und Lange dem Manager ihr Angebot unterbreiteten, lief im Haus eine interne Untersuchung wegen möglicher Verfehlungen des Mannes. Nach Informationen des rbb-Rechercheteams hatte der Mann diese Untersuchung selbst angestoßen.

Die Untersuchung ergaben zwar keine Verfehlungen, die eine Kündigung ermöglicht hätten – verursachten allerdings ein echtes Problem: Offenbar wurden während der Untersuchung Mitarbeitende über das Privatleben des Mannes ausgefragt. Nach Einschätzung von Beteiligten verletzte der Sender damit die Persönlichkeitsrechte des Managers.

Lange profitierte augenscheinlich vom Weggang des Managers bei der rbb media. Eine Woche, nachdem sie und Schlesinger ihm die "Vorruhestandsregelung" angeboten hatten und er zustimmte, sein Amt niederzulegen, sorgte Schlesinger dafür, dass Lange vorübergehend selbst zweite Geschäftsführerin der Tochterfirma wurde.

Beschlossen wurde dies auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der rbb media, offenbar unter vier Augen: Laut notariell beglaubigtem Protokoll waren nur Schlesinger und Lange anwesend. Als zweite Geschäftsführerin erhielt Lange nach Informationen des rbb-Rechercheteams einen monatlichen Zuschlag von 2.000 Euro - zusätzlich zu dem, was sie bereits beim rbb verdiente.

Gemeinsamer Urlaub in Ruanda mit Schlesinger und Spörl

Nach einem am Freitagmittag veröffentlichten Bericht des Onlineportals "Business Insider" sollen noch weitere ehemalige Beschäftigte faktisch freigestellt und mit ähnlich lukrativen "Vorruhestandsregelungen" versorgt worden sein, damit sie nicht mehr für das Haus arbeiten.

Die Person, die Schlesinger im Sommer 2018 zur Hauptgeschäftsführerin bestimmte, leitet die rbb media noch heute: Edda Kraft. Der Sender warb sie von einer Tochterfirma des MDR ab, die Kraft bis dahin geführt hatte. Kraft teilte dem rbb-Rechercheteam am Dienstag auf Anfrage mit, Schlesinger habe sie wegen des Geschäftsführerpostens bereits im April 2018 kontaktiert – also mehr als zwei Monate, bevor der hochgelobte Medienmanager sein Amt niederlegte und die "Vorruhestandsregelung" angeboten bekam.

Höcker behauptete, der Vorschlag, Kraft abzuwerben, sei aus dem rbb an Schlesinger herangetragen worden. Schlesinger und Kraft hätten sich bis dahin nur oberflächlich gekannt und seien sich nur wenige Male begegnet.

Offenbar haben die rbb-Intendantin und die Nachfolgerin des abservierten Managers seither Freundschaft geschlossen. Im Juni 2022 machten Kraft und Schlesinger noch gemeinsam Urlaub in Ostafrika. Ein Foto, das die deutsche Botschaft in Ruanda auf Twitter veröffentlichte, zeigt die beiden als Teil einer Reisegruppe, zu der auch Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl gehörte.

Kurz nach Schlesingers Rückkehr nach Deutschland wurden erste Details über die rbb-Affäre bekannt. Gegenstand der Berichterstattung war auch ein im Oktober 2020 geschlossener Vertrag eines Beraters mit der rbb media, die durch den Abgang des Managers derzeit von der Schlesinger-Vertrauten Edda Kraft geführt wird.

*Das rbb-Rechercheteam besteht aus René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst. Es recherchiert zu den Vorwürfen gegen die rbb-Spitze, arbeitet selbstständig, unabhängig und ist nicht an Weisungen gebunden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.08.2022, 14 Uhr

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Beitrag von René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst

216 Kommentare

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  1. 216.

    Tja, Rechte und Rechtsextreme nehmen den Skandal zum Anlass mit den ÖR abzurechnen. Danke Frau Schlesinger! Und allen die das korrupte System gestützt und geschützt haben.

  2. 215.

    Oh Mann, ich beneide Sie nicht um diese Situation, in der Sie stecken. Bleiben Sie stark, ich bin sicher, die Mehrzahl der Menschen weiß, dass hier viele Unschuldige mit verurteilt werden. Viel Kraft, halten Sie durch!

  3. 214.

    Weshalb sind Sie dann nicht so konsequent, sich endlich aus den Kommentarspalten dieses Portals zu entfernen?
    Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unter Generalverdacht zu stellen, zeugt von wenig Gerechtigkeitsempfinden.

  4. 213.

    Frau v. Kirchbach geht auch. Schade! Sie hat im Hauptausschuss auf die Frage, ob Sie Konsequenzen zieht, noch gesagt: "Ich habe den Rundfunkrat gestern gefragt, ob er mir als seine Vorsitzende vertraut; er hat mich als eine Vorsitzende gewählt. Der Rundfunkrat hat sich geschlossen hinter mich gestellt. Ich habe mich entschieden, dass das das Gremium ist, was über meine Funktion entscheidet. "
    (Nachzusehen im Video Teil 2 ab 1:8:0)
    Ich sehe ein das, bei dem was gestern kam, eine Prüfung der eigenen Verantwortung möglich sein muss. Aber hier ist es ein rausstehlen aus der Verantwortung. Der nächste Hauptausschuss hätte bestimmt noch einige Fragen gehabt.

    Nein Frau von Kirchbach! Ihre persönliche Integrität als Pfarrerin und Seelsorgerin stellt niemand infrage! Aber die Integrität des von Ihnen bekleideten Ehrenamtes und der damit verbundenen Kontrollfunktion schon.

  5. 212.

    Wir brauchen dringend eine Erhöhung der Rundfunk-Beiträge!
    Wie man sieht.

  6. 211.

    Und das von unseren Gebühren sehr traurig

  7. 210.

    "Friederike von Kirchbach tritt mit sofortiger Wirkung zurück"
    Wurde natürlich zuerst in anderen Medien verbreitet.

  8. 209.

    Was für eine glorreiche Idee. Also gleich mal über Hunderte gut und ehrlich arbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken? Klasse. Mich kotzt die Situation auch an, aber was mich noch mehr ankotzt ist, wenn Kommentare wie ihrer die vielen vielen sehr guten Angestellten, die nichts mit der Führungsebene gemein haben, vergessen. An jedem hängt ein individuelles Leben und eine Arbeitsstelle. Beste Grüße von mir, einem Mitarbeiter, der im rbb seine Ausbildung gemacht hat und dort sehr gerne arbeitet. Nach wie vor!

  9. 208.

    Was bin ich froh. dass dieser "Sternchenwahn" nicht in den Schulen umgesetzt werden soll.
    Diese "Sprachhunzerei" tut mitunter richtig weh.

  10. 207.

    Schlesinger, von Dassel, jetzt Scholz usw. Was war das noch harmlos, als man sich über Herrn Sarrazin aufregte!

  11. 206.

    Der gesamte RBB müßte für immer abgeschaltet werden,damit einige leute auf den Boden der Tatsachen zurück kommen.Ich habe dem Sender schon lange von meiner Liste entfernt.

  12. 205.

    Vielleicht kann der RBB noch wesentlich reformiert werden?

    In dem demnächst zu novellierenden RBB-Staatsvertrag sollte ein 5-köpfiger VERWALTUNGSRAT mit wesentlich mehr Kontrollfunktionen (auch gegenüber der Intendanz!) als bisher ausgestattet werden. Seine Mitglieder sollten hauptamtlich beschäftigt werden. Arbeitszeitaufwändige Nebenjobs sollten nicht (!)genehmigt werden.

    Ein qualifizierter Wirtschaftsprüfer sollte stets dabei sein. Alle anderen Mitglieder sollten ebenfalls fachlich und professionell in einem hohen Maß qualifiziert sein. Das „4-Augen-Prinzip“ muss regelmäßig bei allen (!) internen und externen Rechtsgeschäften gelten.












  13. 204.

    Auf diesen Post kann ich leider nicht antworten. Als ich in der ersten Zeile auf ein Sternchen gestoßen bin ist mir das weiterlesen vergangen. Ich lehne es ab mit Menschen zu kommunizieren die in meiner Gegenwart sprechen oder schreiben als hätten sie einen Sprachfehler. Wenn eine echte Sprachbehinderung vorliegt ist das was anderes.

  14. 203.

    Das unterscheidet die Menschen: die Einen können lesen, die Anderen verstehen - manche können beides....

  15. 202.

    Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) heute aktueller denn je:
    "Man läßt alles in der Welt gehn, bis es schädlich wird; dann zürnt man und schlägt drein."

  16. 201.

    Wenn es mir nicht wegen der rechtschaffenden Mitarbeiter leid täte, sollte man dem RBB die Sendeerlaubnis entziehen.
    Anscheinend sind vielmehr Leute in diese Betrügereien verwickelt als angenommen.

  17. 200.

    mir kommt die Galle hoch: wurde wg. ein paar Monate nicht gezahlter Beiträge in die Enge getrieben mit zig. Mahnbriefen, dann wurde der Vorgang (Forderung) an die Stadtverwaltung übertragen (die auch eine "Eintreibungsgebühr" dafür bekommt) und ich erhielt unangemeldeten Besuch, angebl. Vollstreckungsbeamtin (war aber keine lt. Ausweis) Angedroht wurde Gehaltspfändung, Vermögensauskunft und ersatzweise Gefängnis. Das in einem Rechtsstaat. UND nun die Misere mit dem RBB -> Selbstbedienungsmentalität vom Feinsten (immer nur im 100.000 Bereich) und der Bürger soll das alles (zwangsweise) bezahlen: Pfui. Ist nicht mehr zu ertragen... beendet endlich den Zwangsbeitrag = 8,2Mrd. pro Jahr.

  18. 199.

    Sie können den ÖRR noch so oft in Schutz nehmen, siehe auch Ihren Kommentar #178. Auch die Politik hat bei den Rundfunkstaatsverträgen teilweise versagt. In diesen Verträgen wurden Kontrollgremien festgeschrieben, die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden und nicht gerecht werden können. Egal wie hoch das einzelne Budget eines Senders ist, so sollte doch wohl auch ein Vertreter der sich in Finanzen auskennt dabei sein. Und kuschen oder nicht nachfragen bei der GF führt zu solchen Auswüchsen wie sie jetzt bekannt werden.

  19. 198.

    … nach dem was nun alles so an das Tageslicht kommt , fordere ich meine eingezahlten GEZ-Gebühren zurück !!!

  20. 197.

    "Dann sollte die Politik dafür sorgen, dass die ÖR einfach ihre Programme verschlüsseln ...." Dazu bedarf es einer Gesetzesänderung, bzw. Abschaffung des Rundfunkgesetzes."
    Das dürfte doch kein Problem sein nachdem die letzten Jahre gezeigt haben wie schnell Gesetze geändert werden können.....wenn der politische Wille vorhanden ist!

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