Straßenbäume im Stresstest - Auf der Suche nach klimaresistenten Baumarten

Do 18.08.22 | 06:07 Uhr | Von Maren Schibilsky
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Vertrockneter Straßenbaum vor Wolkenhimmel (Quelle: rbb)
Audio: Fritz radio | Do 18.08.22 | Schmalbach, F. | Bild: rbb

Jedes Jahr verliert Berlin mehr als 1.100 Straßenbäume. Als natürliche Klimaanlage der Metropole sind sie unabdingbar. Daher wird in Eberswalde seit sechs Jahren an den Straßenbäumen der Zukunft geforscht. Von Maren Schibilsky

In der Baumschule in Nauen wachsen jährlich tausende junge Straßenbäume für Berlin und Brandenburg heran. Unter freiem Himmel stehen sie in langen Reihen. Schonungslos der anhaltenden Hitze und Trockenheit ausgesetzt. Baumschulgärtner Söhren Hobohm geht durch die Baumreihen und entdeckt immer wieder verbrannte und trockene Blätter.

"An Tagen mit über 35 Grad im Schatten messen wir manchmal bis zu 50 Grad Celsius im Boden. Das halten die Jungbäume nicht aus", klagt der Baumschulgärtner. "Eiweiß beginnt bekanntlich bei 40 Grad zu gerinnen. Dazu kommt die Strahlungshitze."

Seit Jahren treibt Sören Hobohm die Sorge um, mit welchen Straßenbäumen sie in der Klimakrise bestehen können. "Das Sortiment wird sich in den nächsten 50 Jahren immer weiter ausdünnen." Rotbuchen oder Birken schaffen es im Straßenraum nicht mehr. Das zeige sich jetzt schon, meint der Baumm-Experte. Aber auch die Eberesche und der Bergahorn in Städten gehören zu den Verlierern der Klimakrise.

Welche Bäume sind stressresistent?

Baumschulen haben eine sehr lange Tradition bei der Anzucht von Straßenbäumen. "Auf lang anhaltende Hitze und Trockenheit sind sie aber nicht vorbereitet", meint Ralf Kätzel vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde. Deshalb haben der Baumbiologe und ein Team der Humboldt-Universität Berlin bereits vor sechs Jahren das Forschungsprojekt "Trees4streets" gestartet, das jetzt im August endet.

Sie wollten herausfinden, welche Straßenbaumarten an die Klimakrise am besten angepasst sind. "Eigentlich war es die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen", berichtet Ralf Kätzel. "Unter möglichst vielen Bäumen mussten wir die finden, die neben Hitze und Trockenheit auch mit 'Stadtstress' zurechtkommen."

Straßenbäume müssen viel aushalten: Luftschadstoffe, Staub, Hundeurin und Streusalze. Darüberhinaus haben sie durch die Versiegelung in der Stadt nur einen extrem engen Wurzelraum im Vergleich zu Waldbäumen.

Insgesamt sieben Baumarten haben die Forschenden getestet. Darunter Linde, Platane, Ahorn und Eiche. Und sie haben ein neues Anzuchtverfahren für Straßenbäume genutzt. Das sogenannte in-vitro-Verfahren. Miniaturbäumchen im Laborglas.

Anzucht neuer Straßenbäume im in-vitro-Verfahren (Quelle: rbb)

In Amerika gibt es dieses Anzuchtverfahren schon länger. Hierzulande ist es für Straßenbäume neu. Die Vorteile: Die Pflanzen wachsen schneller auf einem Nährmedium heran. Ohne Schädlinge und Krankheiten. Schon im Labor werden Stresstests gemacht – erzählt Antje Schüttig von der Humboldt-Universität Berlin.

Im in-vitro-Labor in der Lentzeallee hat sie hunderte Bäumchen auf eigener Wurzel im Glas kultiviert und anschließend das Wasser weg genommen, aber auch Salze hinzugefügt. "Wir haben es den Bäumchen richtig schwer gemacht.", meint die Forscherin. "So konnten wir frühzeitig selektieren."

Stresstests bis das Alarmsystem anschlägt

Dann mussten die Bäume im Gewächshaus und im Freiland bestehen. Dazu gibt es Versuchsflächen in der Baumschule Nauen und der Baumschule Lorberg in Tremmen.

Regelmäßig hat Ralf Kätzel die "Zukunftsbäume" besucht und Blattproben genommen, um ihre Inhaltsstoffe zu untersuchen. "Wir konnten sehen, welcher Baum sein Alarmsystem anschaltet und wer nicht.", erzählt der Baumbiologe. "Alarmsystem anschalten muss ja nicht schlecht sein. Es darf nur nicht zum Tod führen. Das ist genau die Balance, die man austesten muss."

Über mehrere Jahre haben die Forschenden Stresstests gemacht und jede Reaktion der Bäume verfolgt. "Es gibt Bäume, die haben ein sehr gutes Anpassungsverhalten. Aber die treiben im nächsten Jahr gar nicht mehr aus, weil sie ihre ganze Energie in die Stressanpassung stecken.", berichtet Ralf Kätzel vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde. Deshalb ist ein langer Atem bei der Erforschung von Bäumen wichtig.

Anzucht neuer Straßenbäume in einer Baumschule (Quelle: rbb)

Einen Superbaum gibt es nicht

Nach sechs Jahren stehen jetzt die "Gewinner" in der Baumschule Lorberg in Tremmen. Es sind vor allem Linden und mehrere Ahornarten, die das Rennen gemacht haben. "Es gibt aber nicht DEN Gewinner.", betont Ralf Kätzel. "Den Superbaum, der alle Klimawandelsituationen übersteht, den gibt es nicht." Gemeinsam mit Hanno Leight von der Baumschule Lorberg begutachtet der Forscher die Linden, die hier in hundert Meter langen Reihen wachsen. Auffällig ist eine holländische Linde mit kleinen Blättern. "Das ist ein Hybrid aus Sommer- und Winterlinde, die besonders gute Eigenschaften hat.", berichtet Ralf Kätzel. Auch kaukasische Linden haben gut abgeschnitten.

Hanno Leight von der Baumschule Lorberg freut sich, dass die Linde dabei ist: "Das ist wunderbar, wenn wir jetzt eine Linde haben, die größere Mengen an Hitze, Trockenheit, aber auch Lärm und Schmutz ertragen kann." Schließlich ist sie in Berlin der häufigste Straßenbaum.

In der Bundeshauptstadt sollen sich die ersten Zukunftsbäume ab Herbst 2022 im Straßenraum bewähren. Auch in Eberswalde sind Modellpflanzungen geplant.

Beitrag von Maren Schibilsky

17 Kommentare

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  1. 17.

    Die Bäume sind alle gesund, das kann man jedes Frühjahr sehen, saftig grün.

  2. 16.

    Außerhalb von Wasserschutzgebieten könnte die Robinie durchaus mehr Bedeutung für BB und auch B bekommen.
    Schnell wachsend, trotzdem sehr gutes vielseitig nutzbares Holz und vor allem sehr anspruchslos, bis auf das Wuchern, was in der Stadt auf Grund der Versiegelung aber beherrschbar sein sollte.
    Daher auch kein schlechter Kandidat für die Alleen, wo man den Bienen am Feldrand noch was gutes tut.

  3. 15.

    „Wenn man die Alleen erhalten will, muss man was an den Normen verändern.“
    Das meinte ich. Die Straßenbetriebe haben wenig Interesse an ihren eigenen Normen etwas zu ändern, weil die Bäume Arbeit bedeuten. Den Konflikt muß man auflösen. Da könnten eben Naturschutz und Denkmalschutz mal positiv zusammenarbeiten. Bürgerproteste sind dabei wohl kaum zu erwarten. Wenn die Norm geändert wird, muss das Land/Bund auch die Straßenbetriebe entsprechend mit Personal und Werkzeug ausstatten.
    Ach die Linde leidiges Thema, momentan auch in FF wo es um die Magistrale geht, die dringend saniert werden muss. Kein ordentlicher Gehweg sondern eher BMX Strecke. Zu wenig Licht in den Läden und Wohnungen, zu viel „Dreck“ von den Linden auf dem Gehweg, aber städtisches Denkmal der Nachkriegsbauweise, nicht besonders attraktiv aber Denkmal.

  4. 14.

    Ich habe neulich gelesen, dass der Japanische Pagodenbaum sich überall bei uns ausbreitet, weil er so gut mit der Trockenheit klar kommt. Statt ihn als Straßenbaum zu nutzen, würde dieser Baum jedoch regelmäßig an Bahndämmen etc entfernt werden, weil er hiesige Bäume verdrängen würde. Ist das nicht Anpassung der Natur? Wandelndes Klima und somit veränderte Vegetation?

  5. 13.

    Es braucht zur Symbiosen - Bildung den
    Pilz mykorrhiza. Die Wurzeln brauchen diesen und ergänzen sich gegenseitig.

  6. 12.

    Bäume sind stressresistent?
    Kunststoffbäume.

  7. 11.

    Während die Menschen noch forschen, planen und diskutieren, schafft der invasive Götterbaum knallharte Fakten und nimmt sich seinen Platz.
    Selbst wenn alle anderen Bäume bei extremer Dürre die Blätter schon im Spätsommer abgeworfen haben, steht der Götterbaum noch in sattem Grün da. Und seit ich darauf achte, entdecke ich in Berlin kleine Götterbäume in Massen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man diesen Baum nochmal verdrängt bekommt und vielleicht wird er hier ja eines Tages auch ganz gezielt als Straßenbaum gepflanzt werden.

  8. 10.

    Ich dachte eher so an diese Berichte:
    https://www.forstwirtschaft-in-deutschland.de/aktuelles/news-detailansicht/news/rekordbluete-der-robinien-auf-dem-hoehepunkt/
    https://www.sueddeutsche.de/panorama/wetter-robinien-trotzen-der-hitze-bluetenpracht-in-brandenburg-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180526-99-461073
    Windanfällig, eher weniger. An exponierten Stellen kann mal dünnes Geäst runterkommen. Als Tiefwurzler mit recht stabilem Holz steht die wie 'ne Eiche.

  9. 9.

    Gute Frage: Sind die nicht zu windanfällig? Aber ansonsten gute Wahl für Vielfalt.

  10. 8.

    Was ist eigentlich aus den Eberswalder Akazien und Robinien geworden?

  11. 7.

    Fahren Sie mal durch Schkeuditz Richtung Leipziger Flughafen. Wunderschöne Kugelahörner erst recht in der Blüte. So stellt man sich eine Stadtbaumalle vor. Sinnlos zu hohe Bäume in der Stadt bringen Ärger. Linden sind so ein Beispiel. Nur weil die billig sind, werden Unmengen an Geldern für die Gullyreinigung oder schlimmer, für die Wasserschädenbeseitigung, wegen verstopfter Gullys, ausgegeben. Deshalb ist die Forschung zu anderen Lindensorten schon sinnvoll. Das immer mehr Alleen verschwinden liegt an den Normen, die übernommen statt angepasst wurden. Wenn man die Alleen erhalten will, muss man was an den Normen verändern. Und da ist es wieder... das Machen... Man kann auch die Geschwindigkeiten auf 80 km/h permanent überwachen, ähnl. der B5 bei Nauen, was Erfolg gebracht hat. (außer Ortskundie die Kontrollen umfahren)

  12. 6.

    Ganz so einfach ist es leider nicht! Auch wenn der Winter nicht mehr so kalt ist wie früher gibt es doch auch sehr frostige Tage. Die Büme im Süden würden bei uns jämmerlich erfrieren.

  13. 5.

    Stimmt, voll sinnlos wie viel Aufwand die sich machen, da gibts bestimmt keinen einzigen logischen Grund dafür, den ein 7. Klässler nach 2 Stunden Bio sich zusammen reimen könnte.

  14. 4.

    Wow, so etwas Spannendes und Wichtiges! Und Linde - mein Favorit schon wegen des himmlischen Dufts während der Blüte! Läuse, die "Kleb" machen, gibts ja dank Hitze immer weniger... In Südeuropa sind Straßenbäume ja ein selbstverständliches Straßengestaltungselement, und Hege und Pflege, nunja... ;-) und trotzdem sind sie grün und werfen Schatten. Vermutlich gibt es dort auch genug Anregungen und Langzeittests für unsere Eberswalder. Ich finde, Eberswalde mausert sich zu einem "Future-Lab", da werden die wichtigsten Dinge für eine Zukunft in Deutschland/Europa _MIT_ Vegetation (also jenseits von Dubai...) erforscht und auf den Weg gebracht.

  15. 3.

    Oh nein, nicht noch mehr Linden.

  16. 2.

    Warum so viel experimentieren?
    Einfach in den Süden fahren und sich dort die Bäume anschauen. Heißen beispielsweise Pinie, Palme, Zypresse!
    Aber das ist für den Deutschen zu einfach, das muss intensiv erarbeitet und erforscht werden!

  17. 1.

    Ist der Stress für die Bäume auch außerhalb der Städte so groß?
    Im Sommer besonders auffällig die immer länger werdenden Lücken in den Alleen.
    Die Diskussion gab es ja schon in den 90er Jahren als befürchtet wurde die brandenburgischen Straßen werden irgendwann den meisten westdeutschen ähneln. Wir sind auf dem besten Weg dahin. Damals waren ja die Bäume „Schuld“ an den Unfällen.
    Muss da auch erst noch der richtige Baum gesucht werden oder nur dem Landesbetrieb etwas Druck gemacht werden?
    Das wäre doch mal etwas wo Natur- und Denkmalschutz sich gemeinsam nützlich machen könnten.

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