Lange Wartezeiten - Per Zufallsprinzip zur Affenpocken-Impfung in Berlin

Do 15.09.22 | 11:53 Uhr | Von Yasser Speck
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Ein Mitarbeiter bereitet eine Spritze mit dem Impfstoff gegen Affenpocken vor. (Quelle: dpa/Sven Hoppe)
Audio: rbb 88.8 | 15.09.2022 | Juliane Kowollik | Bild: dpa/Sven Hoppe

Berlin ist Deutschlands Affenpocken-Hotspot. Nirgendwo in Deutschland stecken sich mehr Menschen mit der Viruskrankheit an. Schutz bietet eine Impfung. Doch die ist ohne Glück nicht so leicht zu bekommen. Von Yasser Speck

In Berlin haben sich seit Mitte Mai über 1.600 Menschen mit Affenpocken infiziert. Damit verbreitet sich das Virus in Berlin so schnell wie nirgends sonst in Deutschland. Um die Menschen vor dem Virus zu schützen, forderte der grüne Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz im Juli 100.000 Impfdosen für Berlin. Nur so könnten alle Personen erreicht werden, die laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission Anspruch auf eine Impfung hätten. Doch es fehlt weiter an Impfstoff: Berlin hat bisher erst 16.000 Impfdosen bekommen.

Solange der Impfstoff knapp ist, müssen Menschen teils wochenlang auf die Impfung warten. So geht es auch dem Berliner Studenten Marvin. Der 27-Jährige versucht eine Impfung gegen Affenpocken - wegen der englischen Bezeichnung "monkeypox" auch MPX genannt - zu bekommen. Bislang vergeblich. "Ich kann eventuell Ende September oder Anfang Oktober geimpft werden, sicher ist das aber noch nicht", sagt Marvin.

Rund 9.000 Dosen verabreicht - aber wo ist der Rest?

Vor zwei Wochen war Marvin zu seinem Hausarzt gegangen, um sich gegen Affenpocken impfen zu lassen. Er wurde jedoch nur auf eine Warteliste gesetzt. Einen genauen Termin habe er noch nicht, sagt der 27-Jährige.

In Berlin gibt es insgesamt rund 30 Stellen, an denen sich Menschen gegen Affenpocken impfen lassen können. Nach Angaben von Oliver Fey von der Senatsverwaltung für Gesundheit wurde auch bereits über 9.000 Mal gegen Affenpocken geimpft.

Wenn 16.000 Dosen an Berlin geliefert wurden und 9.000 verbraucht wurden, müssten rein rechnerisch rund 7.000 noch zu haben sein. Warum warten Menschen wie Marvin dann auf eine Impfung? Auf Nachfrage von rbb|24 antwortete die Senatsverwaltung, dass es zwischen Verimpfung und Meldung Verzögerungen gebe, "so dass die von Ihnen geschätzte Zahl durchaus niedriger sein kann", erklärt Oliver Fey von der Senatsverwaltung. Wieviele der 7.000 Impfdosen also tatsächlich noch nicht genutzt worden sind, ist unklar.

Risikogruppen werden zuerst geimpft

In Berlin richtet sich das Impfangebot derzeit vorrangig an Kontaktpersonen von Affenpocken-Fällen sowie an “Männer, die Sex mit Männern haben und dabei häufig den Partner wechseln”, schreibt das Landesamt für Gesundheit und Soziales auf seiner Website. Außerdem werden Menschen mit HIV oder anderen Vorerkrankungen priorisiert.

Marvin datet Männer, fällt aber nach eigenen Angaben nicht in die Priorisierung. "Ich bin nicht so risikofreudig unterwegs", erzählt er. Er habe "nur einzelne Dates”. Aber auch bei diesen Treffen möchte er geschützt sein, sagt er. "Bei einem Date, wo man intimer wird und sich zum Beispiel küsst und Körperkontakt hat, kann man sich schon anstecken", erklärt der 27-Jährige.

Doch der Impfstoff bleibt knapp, und Berlin hat es nach eigenen Angaben nicht in der Hand, die Belieferung zu beschleunigen. "Das Land Berlin bestellt den Impfstoff nicht, sondern erhält ihn je nach Verfügbarkeit vom Bundesministerium für Gesundheit", sagt Oliver Fey von der Senatsgesundheitsverwaltung. Sobald eine Lieferung ankomme, werde der Impfstoff gleich an die Impfstellen weiterverteilt, betont Fey.

Impfung noch am selben Tag

Zu den Impfstellen gehören unter anderem die Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit im Checkpoint BLN, die Charité und das Auguste-Viktoria-Klinikum in Schöneberg sowie HIV-Schwerpunktpraxen [Übersicht bei dagnae.de]. Auch im Sankt-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof wird gegen Affenpocken geimpft. Hartmut Stocker, Infektiologe und Chefarzt der Klinik, spricht bei der Vergabe von Impfterminen von einem Glücksspiel. "Manchmal sagt einer ab, und der nächste, der zur Tür reinkommt, bekommt die Impfung", so der Infektiologe. "Wir haben zu wenig Impfstoff. Da müssen wir das Zufallsprinzip anwenden", sagt der Mediziner. So könne eine gewisse Gerechtigkeit hergestellt werden.

Marvin hatte bisher kein Glück. Dass man in dieser "Impf-Lotterie" aber auch gewinnen kann, zeigt die Geschichte des 35-jährige Thomas, der ebenfalls in Berlin wohnt. Er ist, genauso wie Marvin, nicht vorerkrankt oder einem hohen Risiko ausgesetzt. Aber auch er möchte sich gegen Affenpocken impfen lassen. Als Thomas wegen einer Bindehautentzündung bei seinem Hausarzt ist, fragt er einfach mal nach. Und siehe da: Er bekommt noch am selben Tag die Spritze. "Das war super unkompliziert", sagt der Berliner.

Und da ich generell keine Sorge bei Impfungen habe, denke ich mir: alles rein was schützt.

Thomas, 35

Er habe nie auf einer Warteliste gestanden, sagt Thomas. Er habe sich impfen lassen, da es helfe, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. "Und da ich generell keine Sorge bei Impfungen habe, denke ich mir: alles rein was schützt", sagt Thomas. Grundsätzlich mache er sich keine großen Sorgen, da er sich jung und gesund fühle. Trotzdem, meint er: "Sicher ist sicher".

Schmerzhafter Ausschlag und Narben möglich

Oft beginnt die Krankheit mit Fieber, Schüttelfrost und Muskelschmerzen. Nach ein paar Tagen kommt dann Hautausschlag dazu. Es bilden sich Pusteln und Bläschen, oft im Genitalbereich. Meist heilen sie von alleine ab, die Pocken können aber extrem schmerzhaft sein, so dass einige Menschen im Krankenhaus behandelt werden müssen. Auch Narben können zurückbleiben.

"Wenn man das mit einer einfachen Impfung vermeiden kann, dann mache ich das", sagt der Berliner Student Marvin. Doch bis es dazu kommt muss er entweder noch sehr geduldig sein oder großes Glück haben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.09.2022, 18:00 Uhr

Beitrag von Yasser Speck

5 Kommentare

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  1. 5.

    Weil der zur strategischen Reserve gehört und von der Bundeswehr verwaltet wird. Zudem wird gern vergessen, dass dieser ältere Impfstoff teils sehr starke Nebenwirkungen hatte sowie vermehrungsfähige Viren. Viele derer, die geimpft werden sollen, sind aber immungeschwächt und hätten das Risiko einer überspringenden Infektion. Zur Ausrottung der humanen Pocken hat man das hingenommen, da diese extrem tödlich sind. Dennoch wurde deswegen der neue Impfstoff entwickelt.

  2. 4.

    Warum nimmt man dann nicht den eingelagerten Pockenimpfstoff gegen die humanen Pocken? In großer Menge vorhanden, alle Nebenwirkungen bekannt und soll doch auch gegen die Affenpocken helfen. Wieviele Menschen in Berlin wären denn überhaupt als Risikopatient eingestuft und haben nicht mehr die klasssische Pockenimpfung erhalten?

  3. 3.

    Die tollen Abläufe sind wieder mal typisch. Es ist nur peinlich. Die Impdosen werden lieber verwaltet statt verimpft

  4. 2.

    Mein Hausarzt am Nollendorfplatz. Macht wegen Impfstoffmangel immer noch nur erst Impfungen.
    Auch für HIVpositve.

  5. 1.

    Die Kommunikation der zuständigen Behörden ist unter aller Sau. Warum ist nicht bekannt, wann konkret Impfstoff geliefert wird. In der Presse war immer wieder die Rede von insgesamt 240.000 Dosen. Sind die schon verteilt oder wann kommen die? Was ist mit den durch die EU bestellten Mengen?

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