rbb|24-Datenrecherche - Das Berliner Müllproblem hängt an mehr als der Verteilung der Mülleimer

Fr 02.09.22 | 06:27 Uhr
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Ein Mülleimer im Mauerpark ist übefüllt. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau l 02.09.2022 | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Dass Müll zu Berlin gehört, hat sich ins kollektive Gedächtnis eingeschleift. Es wird stillschweigend akzeptiert, gar besungen. Aber ginge es nicht auch anders? Eine Spurensuche durch Papierkörbe und Leerungstakte von Haluka Maier-Borst

Müll in den Parks, Müll auf den Bahnsteigen, Müll auf den Straßen, Müll vor der Haustür. Sauber, das ist Berlin wirklich nicht. Nur für diese Feststellung bräuchte es keine Recherche, aber wieso das so ist und ob es nicht anders geht - das sind schon spannendere Fragen.

Der Organisationssoziologe Peter Broytman lebt in Berlin-Neukölln. Er sieht tagtäglich, wie sich das Problem in seinem Stadtteil verschlimmert. Seine Ansicht nach ähnelt die Situation der bei einem leerstehenden Haus, bei dem das erste kaputte Fenster andere dazu verleitet, weitere Dinge zu beschädigen. "Wenn der Erste schon seinen Müll neben den vollen Mülleimer gestellt hat, dann habe ich natürlich wenig Lust, meinen Müll bis nach Hause zu tragen, sondern stelle ihn auch daneben. Nur: Da verweht ihn der Wind, dann fressen die Krähen und Ratten aus der Tüte und sorgen für Chaos", sagt Broytman.

Broytmann glaubt aber, dass das Problem lösbar ist. Dass es den Leuten eben nicht egal sei, was mit ihrem Müll passiert. "Die wenigsten pfeffern ihren Kram irgendwo ins Gebüsch, sondern versuchen schon, den zu entsorgen. Man müsste es ihnen nur einfacher machen", sagt er. Nur wie?

Manchmal würd' ich gerne dem ganzen Dreck entfliehen.

Aus dem Lied "Isolation Berlin" von der gleichnamigen Band

Zu wenig Mülleimer in bestimmten Regionen?

Eine mögliche Erklärung für das aktuelle Problem - und damit auch ein Ansatz zur Lösung - wäre zum Beispiel, dass nicht immer dort die Mülleimer stehen, wo man sie braucht. Dass vielleicht sogar gewisse Kieze systematisch benachteiligt sind: weil die Leute in Neukölln ärmer sind und sich weniger beschweren als in Charlottenburg. Oder weil sich der Senat für Reinickendorf weniger interessiert als für Mitte.

Um das zu klären, hat rbb|24 Daten zu den Standorten aller knapp 24.000 öffentlichen Mülleimer - offiziell "Papierkorb" betitelt - ausgewertet und untersucht, wie viele es denn pro Kopf in jedem Kiez gibt. Die Basis dafür ist eine Antwort auf dem Portal "FragDenStaat"[fragdenstaat.de]. Die ernüchternde Erkenntnis: Ein Muster ist nicht zu erkennen.

In der Tendenz ist die Versorgung im Westen Berlins zwar etwas besser als im Osten der Stadt. Aber in allen Teilen finden sich Kieze - oder ganz formal: "Lebensweltlich Orientierte Räume" (LOR) - mit vielen Körben und mit wenig Körben pro Kopf. Die Verteilung zwischen den Stadtteilen allein ist also offensichtlich nicht das Problem.

Dafür aber die Anzahl insgesamt, findet Danny Freymark. Der CDU-Politiker hat als Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus das Müllproblem der Stadt seit Jahren zu seinem Thema gemacht. Aus seiner Sicht gibt es in der ganzen Stadt grundsätzlich zu wenig Papierkörbe, sagt er. "Wenn Sie auf eine Stadt zum Beispiel wie Wien schauen, da sehen Sie, die haben fast genau so viele Papierkörbe wie Berlin bei deutlich weniger Einwohnern."

Braucht es einfach mehr Mülleimer?

Tatsächlich gibt es wenige Städte, die so wenige Mülleimer pro Kopf aufgestellt haben wie Berlin für seine mehr als 3,6 Millionen Einwohner. Köln, wo gerade einmal rund eine Million Menschen leben, bietet fast genauso viele Papierkörbe an wie die Hauptstadt.

Aber: Bedeuten mehr Papierkörbe auch tatsächlich weniger Dreck? Die Antwort ist schwierig. München zum Beispiel hat deutlich weniger Eimer pro Kopf zur Verfügung als Berlin. Trotzdem - das räumt der Autor als Bayern-Skeptiker zähneknirschend ein - ist München deutlich sauberer als die Hauptstadt. Das geht sogar so weit, dass andere Autoren schon von einem Paradoxon sprechen [mitvergnuegen.de].

Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau.

Aus "Schwarz zu Blau" von Peter Fox

Ist öfter leeren das Mittel der Wahl?

Entsprechend zeigen sich die Berliner Bezirke skeptisch gegenüber mehr Papierkörben als Mittel der Wahl. Als im Juni dieses Jahres Freymark mit einer kleinen Anfrage [pardok.parlament-berlin.de] den Senat und die Bezirksämter zur Vermüllung der Stadt befragt, heißt es beispielsweise aus Reinickendorf, man halte die Anzahl der Abfallbehälter "grundsätzlich für ausreichend". Nur die Frequenz der Leerung sollte erhöht werden.

Also: öfter leeren = weniger Müll? In Friedrichshain-Kreuzberg kann man da nur müde mit dem Kopf schütteln. Man leere schon teilweise sechs Mal die Woche die Mülleimer, heißt es aus dem Bezirk. Weil aber die Mengen an "Einwegverpackungen von mitgebrachten Speisen oder Sperrmüll" immer mehr würden, habe man inzwischen Budget und Ressourcen bei den Leerungen ausgereizt. Dass außerdem teilweise Sperrmüll sogar in Parks entsorgt werde, verschärfe die Lage.

Es fühlt sich gut an im Schlaraffenland zu leben. Zwischen Müll und Palmen beginn' ich abzuheben.

Aus "Köpenick" von Romano

Über saubere Parks und saubere Straßen entscheidet also offensichtlich nicht allein, wie viele Eimer aufgestellt sind, wo sie stehen und wie oft sie geleert werden - sondern mutmaßlich ein bisschen von allem: mangelhafte Organisation plus fehlende finanzielle Mittel.

Organisatorisch könnte die Berliner Stadtreinigung (BSR), die ja berlinweit für die Straßenreinigung zuständig ist, beispielweise die Müllentsorgung in allen Parks übernehmen. Bisher sind die Bezirke dort zuständig, die BSR reinigt nur in einigen ausgewählten Grünflächen. "Das wäre sicher auch nicht billig", sagt Freymark. "Aber da würde man wenigstens den Experten für Müll die Arbeit überlassen."

Bleibt das Thema Geld, für neue Technik oder mehr Personal. Mit mehr Mitteln könnte man zum Beispiel Mülleimer aufstellen, die unter dem Boden in einem großen Container alles sammeln. Und der Bezirk Neukölln beklagt in Antwort auf Freymarks Anfrage: Grundlegendes Problem sei neben dem allgemein höheren Müllaufkommen "die nicht vorhandene Leistungsfähigkeit im zuständigen Fachbereich Grün- und Freiflächen. Weder Personal- noch entsprechende Sachmittel sind vorhanden um den Sammelrhythmus zu intensivieren und somit eine verbesserte Qualität zu erreichen."

Mehrausgaben in Höhe von 100 Millionen Euro pro Jahr wären wohl notwendig, schätzt Freymark, um die Stadt wirklich sauberer zu machen. Das wäre eine gewaltige Summe, denn letztes Jahr bekam die BSR allein für das Reinigen der Straßen 275 Millionen Euro [bsr.de]. Und möglicherweise wären es sogar weit mehr als 100 Millionen. Schließlich sagt die BSR selbst auf Anfrage: "Eine hinreichend belastbare aktuelle Veranschlagung ist derzeit leider nicht möglich."

Damit bleibt vor allem eins klar: Das Müllproblem in Berlin ist komplex, und entsprechend teuer wird es sein, es zu lösen.

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110 Kommentare

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  1. 110.

    Da sind all die Untergangsszenarien von 2015 nicht eingetreten, und die ganz tumben müssen dann halt heute behaupten, Berlin hätte erst seitdem ein Müllproblem und geflüchtete Menschen seien schuld daran. Dass "Mario" und Ihnen solche Versuche nicht peinlich sind...

  2. 109.

    Jaja...."Vor 40 Jahren...." war alles besser, schöner.... gähhhn. WIE VIELE EINWOHNER hatte Berlin damals? Die weggesparten Fachkräfte verursachen den Müll nicht und die Zeitmaschine wird ihn nicht beseitigen!

  3. 108.

    Das Problem lässt sich einfach lösen! In Frankreich, Italien , Spanien und Griechenland bekomme Menschen ,nur ein Teil Unterstützung sie müssen täglich dafür arbeiten.
    In Deutschland könnte das auch so sein , alle unter 55 Jahre müssten dafür Saubermachen oder andere Leistungen erbringen. Die Städte wären sauberer .

  4. 107.

    Wir haben seit einigen Jahren dieses Problem mit dem Müll und das liegt nicht an fehlenden oder zu wenigen Mülltonnen sondern daran, dass es genügend Menschen gibt, die keine Erziehung haben oder dort wo andere herkommen es gang und gäbe ist einfach alles fallen zu lassen.
    DANKE AN ALLE BERLINVERDRECKER
    ihr macht unsere Stadt "schöner" !!

  5. 106.

    @ Mario, aber auch an den Einheimischen. Also an den ach so anständigen Berlinern.

  6. 104.

    Vor 40 Jahren begleitet mich ein Bekannter immer Mal wieder gerne auf meiner Rückkehr aus dem Ruhrgebiet nach Berlin und schwärmte von der Sauberkeit in dieser Westlichen Großstadt.Damals war es auch zumeist so.Heute liegt nicht nur überall Müll auch die Stadt selbst ,ob Bürgersteig,Fahrbahnen,Parks, Denkmäler,etc,alles ist schmudelig oder zerfällt.Jahrlange Sparpolitik ist die dies wohl geschuldet und der Einsparung von Fachkräften. Diese wurden zumeist , unsinniger Weise,durch Leute mit artfremden Berufen ersetzt.Dafuer aber für wenig Geld und das Recht sich heute.Eine auf Partyvolk und nicht auf die eigene Bevölkerung ausgerichtete Stadt muß dann auch mit erhöhten Kosten bei der Entsorgung klarkommen.

  7. 103.

    Ich fasse mal zusammen: Die üblichen ultraliberalen „dann zieht doch aufs spießige Land“ Anarcho-antifa-Argumente, die die eigene Verantwortung für die Umwelt und die Mitmenschen - wie immer - vor dem Hintergrund des eigenen, militant-egoistischen Hyperindividualismus weit von sich weisen…

  8. 102.

    Ja....genau so ist es richtig.
    Und die meisten der Berliner würden dafür stimmen.

  9. 101.

    Kann ich nur zustimmen......
    seit 2015 verdreckt die Stadt.
    Leider will es von oben niemand zugeben.
    Weil wir doch alle sooooo tolerant sind.

  10. 100.

    Das stimmt leider. Wobei mir beigebracht wurde, meinen Müll ordentlich zu entsorgen oder wieder mitzunehmen und das mache ich auch. Und ich bin 1974 in West-Berlin geboren.

  11. 99.

    Die meisten feuern ihren Müll doch einfach in die Landschaft, es werden Kippen noch nicht mal mehr ausgetreten. Und es wird immer mehr, weil die Leute ihr Take-away im Park essen wollen, aber die Verpackungen danach nicht wieder mitnehmen und noch nicht einmal in Container packen ( Volkspark Wilmersdorf). Es hilft nur Aufsichtspersonal, so wie in Schweden. Oder Pfand auf Pizzakartons etc.

  12. 98.

    Alles ist zugemüllt und alles wird mit Grafitti verschandelt. Es ist nur noch zum Kotzen in Berlin. Hart durchgreifen müsste man!
    Lebenswert finde ich Berlin nicht mehr.

  13. 97.

    Wie wäre es mit weniger Verpackungsmaterial? Spart zudem erhebliche Ressourcen an Material und Energie!

  14. 96.

    "Mülltonnen werden in Löwenkäfigen eingeschlossen, um Fremdnutzung zu verhindern. Warum ? Weil Müllentsorgung Geld kostet." Genau! Und in diesem Fall das Geld der Mieter! Glauben Sie wirklich, dass jemand seinen Müll in ein Müllhaus brächte, wenn es nicht verschlossen wäre?

  15. 94.

    Problem ist einfach zu lösen.
    Gar keine Mülleimer aufstellen. Sollen die Bürger ihren Müll doch alleine wegräumen.
    Spätestens wenn sie nicht mehr aus der Haustür kommen wird auch der letzte wach werden.

    Richtige Lösung ist natürlich Müllanfall reduzieren und der Verpackungsindustrie ihre sinnvollen Grenzen aufzeigen.

  16. 93.

    Ja, das dachte ich bisher auch ... Aber auf meiner Walking-Strecke am Maybachufer, dann Richtung Alt-Treptow am ehemaligen Wachturm die große Grünfläche inkl. der Wege dort - es stehen sind alle paar Meter Mülleimer so groß wie normale Mülltonnen! Früh am Morgen wird täglich von der BSR gereinigt und geleert. Was die BSR-Leute erzählen deckt sich mit meiner Beobachtung: es wird direkt >neben< oder ein Meter >neben< der Tonne alles abgestellt, obwohl die Tonne leer ist. Überall der Abfall verstreut.

    Zweite Beobachtung: keine Ausrede ist zu doof, etwas nicht richtig zu tun: Mutter fährt mit Kind auf dem Fahrrad vorbei - direkt vor meinem Gesicht fliegt eine Bananenschale auf die frisch gesäuberte Baumscheibe, 5m weiter steht ein Papierkorb. Freundlich (!) angesprochen auf 1. meinen Schreck, 2. den Müll und 3. die Vorbildfunktion für das liebe Töchterlein ... wer weiß was kam? Genau: "Habe Sie nicht gesehen. ", "Das ist doch Bio und verrottet." "Wir erklären es ihr immer wieder."

  17. 92.

    Ich fasse mal zusammen. Früher war alles besser. Die Jugend verwahrlost immer mehr. die „Fremden“ können sich nicht benehmen. Man sollte nicht unterwegs essen, es darf nur noch Pfand Verpackungen geben, wir brauchen eine Müllpolizei. Ach, ich mach es kurz, noch mehr aufzählen ist zu anstrengend. Einfach China und seinen Überwachungssystem kopieren und Sozialpunkte verteilen. Ist das im Sinne der hier kommentierenden Oberlehrer? China als Vorbild.

  18. 91.

    Es ist mir nicht ganz klar, ob Ihr Kommentar ernst gemeint ist. Er liest sich ein bisschen so, als würden Sie den tumben Fremdenfeind parodieren. Welche "Zugezogenen" meinen Sie denn?

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