Notrufnummer 110 - GdP kritisiert Personalmangel in der Einsatzzentrale der Polizei

Do 08.09.22 | 11:42 Uhr
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Archivbild: Mitarbeiter der Polizei sitzen in der Einsatzzentrale der Berliner Polizei. (Quelle: dpa/B. Pedersen)
Audio: rbb 88.8 | Do 08.09.22 | Kowollik, J. | Bild: dpa/B. Pedersen

Die Einsatzzentrale der Berliner Polizei ist wegen der vielen eingehenden Notrufe ein wichtiger Kontakt zu den Bürgern - aber freiwillig arbeiten will dort nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kaum ein Polizist.

Aus den Polizeiwachen und aus anderen Bereichen müssten immer wieder Polizisten abgestellt werden, um die Zahl von rund 300 nötigen Mitarbeitern für den Schichtbetrieb an den Telefonen und Funkgeräten in der Einsatzzentrale zu erreichen, kritisierte die GdP am Donnerstag. Es gebe derzeit nur 183 feste Mitarbeiter, von denen nächstes Jahr 30 pensioniert würden.

Diese Personalprobleme waren kürzlich auch von der Polizei eingeräumt worden. Die Zahl der dort ständig arbeitenden Polizisten sei "optimierungsfähig", hieß es. Das Defizit werde zum Teil über ein "Hospitationsprogramm" ausgeglichen, "vorrangig auf freiwilliger Basis". Eine dauerhafte Lösung solle erarbeitet werden.

Zustände sind laut GdP "wirklich katastrophal"

Die GdP sprach von einem "Sorgenkind", das seit Jahren große Kopfschmerzen bereite, "weil da einfach niemand mehr hin möchte". Der Vize-Vorsitzende Stephan Kelm teilte mit: "Ich kann es keinem verübeln, denn die Zustände sind wirklich katastrophal."

Nötig seien flexible Arbeitszeiten, verschiedene Arbeitsschichten zur Entzerrung und eine finanzielle Zulage. Geprüft werden müsse, ob nicht mehr Angestellte und Verwaltungsbeamte statt Polizisten eingesetzt werden könnten.

Belastung vergleichbar mit Job eines Fluglotsen

Alle 24 Sekunden geht ein 110-Notruf in der Einsatzzentrale ein, täglich sind das 3.700 Anrufe. Die Hälfte davon führt zu Einsätzen von Streifenwagen, so die Polizei. Der Job sei vergleichbar "mit dem Tempo und der Konzentration in einem Tower der Flugsicherung", heißt es.

"Kein Anruf kann warten, und die Geschwindigkeit ist rasant. Nicht selten muss die Konzentration schlagartig voll da sein, wenn Menschen in Not geraten. Jede Entscheidung kann Leben und Gesundheit retten."

Wegen der Belastungen durch die ständigen Notrufe und den Schichtdienst gebe es Gesprächsangebote des psychosozialen Dienstes sowie Supervision und Coaching-Angebote.

Sendung: rbb 88.8, 08.09.2022, 12:30 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Sehen Sie, Sie haben sich die Antwort schon fast selbst gegeben.

    Es gibt Polizeibeamte:innen, die im Laufe ihrer Dienstzeit dauerhaft jedoch nur teilweise Polizeidienstuntauglich werden. Für diese Menschen ist eine Weiterbeschäftigung in eben so einer Zentrale immerhin eine Lösung.

    Nicht alle Beamte:innen haben von Anfang an für alle Fälle des Lebens ausgesorgt, wie es der breiten Mehrheit wenig informierter Bürger:innen so alltägliche Meinung ist.

  2. 8.

    Auch in diesem Fall war kein Notruf nötig. (Zentralruf der Autoversicherer, Tel. 0800/2502600).
    Aber mal was Grundsätzliches: Es ist besser, wenn der Hauptschuldige die 100% Schuld übernimmt. Freiwillig. Warum? Ohne Polizei keine Strafe. Die Versicherer schätzen den Streit und zahlen erstmal nicht. Wenn jemand sagt "ich wars" dann fließt das Geld sofort. Die Höhe des Schadens hat keinen Einfluss auf die Versicherungsbeiträge und Rückstufung, die kommt sowieso.

  3. 7.

    Also die 110 kann nichts dagegenmachen - stimmt schon. Aber die Beamten vor Ort dokumentieren nicht nur. Soweit wie ich das erlebt habe, sind da auch Fahndungsabfragen etc. im Spiel. Dies führte letztlich dazu, das ich frühzeitig wusste, das das Auto des Verursachers schon länger nicht versichert war. Soll ja keine Seltenheit sein und für eine vollumfängliche und zügige Schadenregulierung nicht unwichtig.

  4. 6.

    „Oft entscheidet sich der Unfallverursacher dann doch, schuldlos zu sein“ - Da haben Sie recht. Da reicht eine Nacht aus. Nur, das hat mit der Polizei nichts zu tun. Also, gut dokumentieren heißt das Zauberwort, immer, ob mit oder ohne Polizei. Die Menschheit ist schlecht? Da kann die 110 nichts dagegen machen.

  5. 5.

    @ Wossi, ich würde wahrscheinlich bei einem Unfall auch die Polizei rufen. Oft entscheidet sich der Unfallverursacher dann doch, schuldlos zu sein. Allerdings wartet man ohne Personenschaden gern mal länger auf den Funkwagen.
    Sicher waren die Beamten nicht vor Ort, aber sie nehmen Aussagen auf und können einfache Sachlagen einschätzen.
    Übrigens musste man schon vor 20-30 Jahren einige Zeit bei der 110 warten und auch gern mal eine bis zwei Stunde, ehe ein Funkwagen kam.
    Es geht hier um die 110. Als Alternative kann man aber auch den nächste Polizeiabschnitt anrufen. Wenn man schon das Handy in der Hand hat, kann man den auch leicht finden.

  6. 4.

    Warum ist die 110 in Ihrem Fall nicht nötig gewesen: Was die Polizei dokumentiert können Sie auch. Die Polizei macht und darf keine Schuldzuweisungen machen. Bei einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung ist die Polizei höchstens Zeuge. Das ist nicht unbedingt notwendig, da ja selbst beim Unfall nicht dabei...
    Es führt kein Weg daran vorbei: Die Anzahl der Notrufe sind zu senken: Durch Rechnungen an die Verursacher, wenn unnötig gerufen. Bei wenigen Fällen kann man großzügig sein. Bei Ausnutzung jeder Kleinigkeit dann eben nicht mehr.

  7. 3.

    Die Idee der "alternativen Rufnummer" ist verständlich, aber in der praktischen Umsetzung wird man in der gleichen Problematik zwischen der "112" (Feuerwehr) und der "116117" (ärztlicher Notfalldienst) landen.

    Die Unsicheren - oder die es besonders eilig habenden - werden die Nummer für "Eiliges" anrufen.
    Und wenn es dann doch nicht eilig ist, was macht man dann?
    An die "normale" Nummer verweisen?
    Die Gesprächszeit für das Weiterleiten ist genauso lang wie die Aufnahme der "nicht so eiligen" Meldung.
    Am Ende hilft eine "Sondernummer" also nicht ...

    Die Verstärkung der Personaldecke ist unvermeidbar!

    Bei mehr Personal verteilt sich die Belastung auf mehr Schultern, mittelfristig werden Stress und Krankenstand sinken und die Zufriedenheit steigen ...
    Dazu braucht es aber mehr als nur "mehr Geld", Verbesserungen in Arbeitsbedingungen und -umfeld können da deutlich effektiver sein!

  8. 2.

    Wäre es da nicht möglich, auch Nicht-Polizisten einzusetzen? Dafür braucht es doch sowieso ganz andere Fähigkeiten als für den restlichen Polizeidienst, und der Großteil der PolizistInnen hat den Beruf sicher nicht gewählt, um in der Einsatzzentrale am Telefon zu sitzen. Für eine komplette Polizeiausbildung bin ich definitiv nicht geeignet, aber mit einer entsprechenden Schulung und einer guten Praxisanleitung könnte ich garantiert Notrufe entgegennehmen...

  9. 1.

    Tatsächlich ein großes Problem, das vielleicht auch strukturell angegangen werden sollte.

    Ich hatte neulich einen PKW Unfall ohne Verletzte oder Umweltauswirkungen (austretende Betriebsstoffe) zu melden und landete unter der Nummer 110 für ca. 1-2 Minuten in einer Warteschleife. Für eine Unfallmeldung, die ich auch nur machen musste, weil der Unfallgegner seine erwiesene Schuld nicht anerkennen wollte, ist eine solche Wartezeit unproblematisch, wenn man ordnungsgemäß die Unfallstelle dokumentiert und räumt um den Verkehr nicht zu behindern.

    Was aber, wenn ich jetzt schwer verletzte Personen (da gibt es auch die 112) oder eine akute Bedrohungslage hätte melden müssen? Da können 90 Sekunden schon endlos sein und im Zweifel auch Schaden anrichten.

    Mein Vorschlag daher, ausser mehr Personal, eine alternative Rufnummer zur Meldung von Unfällen mit Sachschäden.

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