Umfrage unter Eltern und Lehrern - Verbände sprechen sich gegen Elterntaxi-Praxis aus

Do 22.09.22 | 18:44 Uhr
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Grundschüler gehen morgens auf den Schulhof vorbei an einem Schild mit der Aufschrift "Tschüss Mama und Papa! Ab hier schaffe ich es alleine." (Quelle: dpa/Frank Rumpenhorst)
Bild: dpa/Frank Rumpenhorst

Mehrere Verbände haben ihre Forderungen bekräftigt, Kinder möglichst selbstständig zur Schule zu schicken. "Das Elterntaxi muss der Vergangenheit angehören", hieß es am Donnerstag in einer gemeinsamen Mitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks, des ökologischen Verkehrsclubs VCD und des Verbands Bildung und Erziehung.

Täglich gefährliche Situationen an Schulen

Unterstützt sehen sie ihre Forderung durch eine Umfrage, die die Verbände am Donnerstag vorstellten. Bei der Forsa-Befragung sind Eltern und Lehrkräfte interviewt worden. Eines der alarmierendsten Ergebnisse sei, dass elf Prozent der Grundschullehrkräfte in Deutschland im letzten Schuljahr so gut wie täglich und 19 Prozent wöchentlich vor ihrer Schule eine gefährliche Situation erlebten. Diese seien durch Eltern, die ihr Kind mit dem Auto brachten, entstanden.

Viele Eltern und auch viele Lehrkräfte vermuten der Umfrage zufolge, dass die Kinder zum einen aus Bequemlichkeit und zum anderen aus Angst, das Kind alleine zur Schule gehen zu lassen, mit dem Auto gebracht werden. "Damit Kinder ihren Weg zur Schule eigenständig zurücklegen können, brauchen wir überall sichere Rad- und Fußwege", forderte die VCD-Vorsitzende Kerstin Haarmann.

Oft sind vor allem die Überwege zu unsicher

Zwar hält die Mehrheit der befragten Lehrkräfte und Eltern es laut Umfrage für notwendig, Kinder dazu zu ermutigen, ihren Schulweg eigenständig zu gehen. Allerdings zeige die Umfrage auch, dass beide befragten Gruppen deutlichen Nachholbedarf bei der sicheren Gestaltung von Schulwegen sähen. So erachteten nur gut die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer sowie lediglich 27 Prozent der Eltern breite und freie Gehwege vor Schulen als ausreichend gegeben. Nur 38 Prozent der Eltern und 58 Prozent der Lehrkräfte gaben zudem an, dass sichere Überwege für die Kinder vorhanden seien.

An der repräsentativen Umfrage nahmen den Angaben zufolge bundesweit 508 Lehrkräfte an Grundschulen sowie 500 Eltern von sechs- bis zehnjährigen Kindern teil. Die Erhebung wurde vom 20. Juli bis zum 16. August 2022 als Online-Befragung durchgeführt.

Schulweg gehört zum "aktiven Start in den Tag"

Bereits zum Start des neuen Schuljahrs im August hatten die drei Verbände Eltern dazu aufgerufen, ihre Kinder selbstständig zur Schule kommen zu lassen, statt sie mit dem Auto dorthin zu bringen. "Ein aktiver Start in den Tag" fördere die "körperliche und geistige Entwicklung", hieß es in der gemeinsamen Mitteilung. So würde die Kinder besser lernen, sich sicher im Verkehr zu bewegen.

Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann mahnte mehr Personal an Schulen an, um sowohl auf Ängste von Eltern und Kindern eingehen als auch Chancen auf dem Weg zu einer eigenständigen Mobilität von Kindern erläutern zu können. "Wenn beides gelingt, werden sich mehr Eltern dazu entscheiden, ihr Kind nicht mit dem Auto zu bringen."

Schuljahr mit Rekordzahl an Schülerinnen und Schülern in Berlin

Mit dem neuen Schuljahr hat Berlin so viele Schülerinnen und Schülern wie noch nie. Ihre Zahl stieg an den allgemeinbildenden Schulen im Vergleich zum vergangenen Schuljahr um gut 6.800 auf 383.290, wie Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) mitteilte. Darunter sind 37.050 Erstklässler, 1.370 mehr als vor einem Jahr. Das sei die höchste Zahl seit 2005, so Busse.

In Brandenburg starteten im August 303.000 Schülerinnen und Schüler das neue Schuljahr, darunter rund 24.000 Erstklässlerinnen und Erstklässler.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.09.2022, 16:20 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    Was die Kinder heute nicht lernen ist pünktlich an der Bushaltestelle zu sein und auf dem Bus zu warten, sich gegen übergriffige Schulkameraden/innen zu wehren, die die Wartezeit mit Mitschüler/innen ärgern zu überbrücken. Ich

    Diese Kinder werden verweichlicht. Wie wollen diese wie Soft Skills wie Pünktlich- oder Zuverlässigkeit erlernen oder sich gegen den/r übergriffigen Mitschüler:in zu wehren? Am letzten Arbeitstag kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand dieser Kinder werden die Eltern nicht mehr zu ihrem Arbeitsplatz bringen, dann sind diese fahruntüchtig oder bereits tot...

  2. 25.

    Ich bin schwer beeindruckt, dass Sie sich mit ihren 90 Jahren so gut mit dem Internet auskennen und hier auf rbb24 Kommentare verfassen können. Respekt!

  3. 24.

    Kinder wurden mit sechs Woche in der Krippe abgegeben. Wehe wer kein Pionier wurde. Und auf ein Auto haben die meisten 16 Jahre gewartet. Biene hat da einen sehr validen Punkt!

  4. 23.

    Dann sollten Autofahrer vor Fußgängerüberwegen anhalten lernen.
    Gestern erlebt: Autofahrerin guckt uns (Oma und 8jährige) an und fährt trotzdem. So ! schicke ich das Kind nicht alleine los

  5. 22.

    An meinem 1. Schultag musste ich allein zur Schule gehen, die Eltern mussten arbeiten. Autos gab es kaum, denn es war der1.9.1939, der Krieg hatte begonnen. Was heute kaum noch jemand weiß, die meisten Privatpkw wurden "eingezogen ".
    So blieb es, ich wurde niemals begleitet. Genauso erging es meiner Schwester.

  6. 21.

    Ihren Kommentar bezeichne ich mal als schlechten Witz und Beleidigung der Intelligenz der Kinder.

  7. 20.

    Es scheint sich aber leider so entwickelt zu haben (ost wie west) das eher die Eltern Angst und Unsicherheit außerhalb der Wohnung und des Autos haben und dies nun (verpflichtende Elternbewußtsein) auf die Kinder übertragen wollen - ist doch ganz klar :-)

  8. 19.

    Ich erinnere mich, dass es zur Schulzeit meiner Kinder an gefähichen Stellen sog. Schülerlotsen gab, die die Straße absperren, wenn eine Schar Zwerge die Straße überqueren wollten. Und wenn ein Kind mit dem Auto zur Schule gebracht worden wäre, hätte es sich sehr schnell den Ehrentitel Muttikind erworben.

  9. 18.

    Das liegt aber auch in der Zuständigkeit der Schule ,inwieweit die Helikoptereltern die Klassenräume betreten dürfen. Meiner Meinung nach müsste am Schultor Schluss sein

  10. 17.

    Kinder möglichst selbstständig zur Schule zu schicken. Damit die Kinder lernen, am Verkehrsgeschehen und ÖPNV teilzunehmen. Ganz nebenbei sollten Elterntaxis wegen des Klimaschutzes bestreiten werden. Friday4future und auch andere Umweltschutzinitiativen sollten sich mal dem Thema Elterntaxis widmen und die Eltern und chauffierten Kinder hier aktiv aufklären.

  11. 16.

    1956 zugelassen Fahrzeuge, etwa 2 Millionen. Heute so rund 47 Millionen.
    Viele fahren ihre Kinder zur Schule weil mans kann, nicht weil es sinnvoll ist.

  12. 15.

    Die Selbstständigkeit der Ostler sieht man ja in der Führungsetage, da ist relative Leere angesagt. Vielleicht den Mythos der tollen DDR ablegen, das System wäre so oder so zusammen gebrochen.

  13. 14.

    Sorry, aber mich wundert immer, wenn erwähnt wird, dass im "Osten" früher alles anders war. Ich bin im "Westen" geboren und aufgewachsen, auch wir liefen damals völlig selbständig zur Schule, auch unsere Eltern hatten noch nicht unbedingt ein Auto und wenn, dann sind sie damit zur Arbeit, und haben uns nicht zur Schule gebracht. Es gab damals auch im Westen noch kein Internet, also wa nicht jede Straftat sofort in aller Miunde.......Auch wir "Wessis" haben es also geschafft, alleine zu Fuß oder dem ÖPNV zur Schule zu kommen. Das was sich heute vor den Schulen abspielt- ein SUV hupt den anderen an, hat nichts mit Ost und West zu tun, zumal die heutige Elterngeneration ja schon im vereinten D grozß geworden ist.

  14. 13.

    Ich freue mich, wenn wir endlich eine wohnortsnahe Grundschule haben, die Wege dorthin für Kinder, geh- und sehbinderte Menschen sicher sind und auch noch Inklusion gängige Praxis ist, so dass beide Kinder an einem Ort lernen können. So lange begleiten wir unser Kind wohl weiter zur Schule. Hoffen wir mal, dass wir das nicht die nächsten sechs Jahre machen müssen!

  15. 12.

    Mir scheint es eine Bequemlichkeitshalber- und Prestigefrage zu sein. Eltern profilieren sich hier auf Kosten der Selbstständigkeit der Kinder. Für mich liegt es auf dem Weg zur Bahn, also sind wir gemeinsam mit dem Rad unterwegs.
    Meine Tochter hat geweint, weil sie die einzige in der Klasse war, die nicht bis ins Klassenzimmer gebracht wurde. Als ich das bei der Elternversammlung angesprochen habe, meinte die Lehrerin „Es wäre auch gut, wenn die Eltern nicht die Mappe auspacken würden.“

  16. 11.

    Im Osten alle gleich "sozialisiert"? Was soll das sein? Also ich fühlte mich schon immer als Individuum, was ihr im Westen davon gehalten habt, ist mir auch heute noch vollkommen egal.

    Auto hatten wir auch schon, auch wenn es niemand glauben will. Das war primitiv, aber man konnte es wenigstens selbst immer wieder fahrtauglich machen. Probiert das mal mit den aktuellen Geräten..... aussichtslos.

    Wie viel Unsinn über das Leben im Osten muss man sich eigentlich noch von Leuten anhören?

    Und ja, Funktionieren sollten damals auch schon alle. Hat nur letztlich dann doch nicht funktioniert.

    Wird auch diesmal nix, weil der Mensch eben ein Individuum ist, den statistischen Durchschnittsmenschen findet man nur selten - der würde evtl. funktionieren, wie bestellt.

  17. 10.

    Wenn Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht werden, da eine für unbeaufsichtigte Kinder gefährliche Verkehrssituation besteht - weil andere Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen - , dann besteht wohl Handlungsbedarf.

    Da ja gerne mal auf den ach so faulen Kindern rumgehackt wird, finde ich es wichtig, nochmal darauf hinzuweisen, dass es eher die Bequemlichkeit der Eltern als die der Kinder ist, welche zum Elterntaxi führt.
    Im Deutschlandfunk sagte im entsprechenden Beitrag zum Thema ein Vater in etwa: "Warum soll ich mein Kind mit dem Fahrrad zur Schule begleiten, danach mit dem Fahrrad wieder nach Hause und von dort mit dem Auto zur Arbeit fahren?"
    Ich denke, das ist kein selten vorliegendes Argument und ich vermute, dass Eltern, die nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren, auch seltener ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren.

  18. 9.

    Sie können die heutigen Zeiten nicht mit denen vor 20,30,40 Jahren vergleichen.
    Z.B. waren die Kinder im Osten alle gleich sozialisiert.
    Es gab kaum Autos, es gab kaum Informationen zu Gewalttaten,
    Es gab mehr Kinder und somit war es überall präsent in den Köpfen, dass man Rücksicht auf Kinder nimmt.
    Aber heute müssen die Kinder funktionieren, ohne gute Kitaplätze und Schulbildung und sonstige Investitionen zum Leistungsträger werden.

  19. 8.

    "Zwar gab es im Osten weniger Verkehr, aber Kinder wurden mehr zur Selbstständigkeit geführt. "

    Komme zwar aus den Westen, aber Anfang der 1980er Jahre war auch dort üblich, dass Kinder selbständig werden sollten. Meine Mutter begleitete mich die ersten paar Tage zu Fuß (gab's damals noch!) zur Schule, zeigt mir ein paar Stellen, wo ich besonders aufmerksam sein sollte und dann sagte sie: "So - jetzt kennst du den Weg und nun schaffst du das alleine". Ich bin unendlich dankbar für dieses Vertrauen. Kinder sind viel pfiffiger, als man gemeinhin glaubt. Heute ist es eher: "du musst heute zu Hause bleiben, dein Smartphone ist kaputt" ;-) ...Helm nicht vergessen! ;-)

  20. 7.

    Offenbar sehen viele Eltern das anders.

    Hat mal jemand ernsthaft die Eltern nach ihrer Motivation befragt?
    Hier auf dem flachen Land ist es einfacher, die Kinder bis zur Schule zu fahren, weil der Bus ja ewig braucht und den Schultag unnötig verlängert.

    Als ich noch zur Schule gefahren bin, kostete die Monatskarte für die Bahn 5,50 M (Ost). Dazu kamen noch 2 Mark für‘s bewachte Fahrtadunterstellen am Bahnhof.

    Das war damals in den 70ern…

    Da ist niemand auf die Idee gekommen, lieber mit dem Auto zu fahren.
    Nur mal so, als Denkanstoß, was schon mal möglich war…

    Nur

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