Entschädigungspflicht für DDR-Datschen fällt weg - Vertreibung aus dem Paradies

Sa 29.10.22 | 08:10 Uhr | Von Claudia Baradoy
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Symbolbild: Eine Datsche in Frankfurt an der Oder
Bild: dpa/Patrick Pleul

Ostdeutsche Datschen waren bis 2015 gesetzlich geschützt, bis vor Kurzem bestand bei einer Kündigung noch eine Entschädigungspflicht. Diese Regelung fällt nun weg. Das sorgt bei vielen Besitzern der Wochenendhäuschen für ein böses Erwachen. Von Claudia Baradoy

Ein Grundstück mit Wochenendhaus und Wasserzugang, ein Fleckchen Erde mit Ruhe und viel Natur zum Spottpreis von 800 Euro pro Jahr: Zumika Braun liebt ihren kleinen Zufluchtsort direkt an der Havel.

"Morgens ist Vogelgezwitscher. Man muss es erlebt haben, um es zu fühlen. Aus dem Bett zu steigen, den Weg runterzulaufen und erstmal eine Runde zu schwimmen - ganz gleich, wie kalt es ist. Es kribbelt richtig auf der Haut. Es war einfach ein Paradies hier", sagt Braun. Zweieinhalb Jahre hat sie mit ihrem Mann auf dem Grundstück in Briest geackert, das Häuschen renoviert, den Garten neu bepflanzt und viel Geld investiert.

DDR-Datschen

Die Besonderheit von ostdeutschen Datschen: Das Häuschen gehört meist den Pächtern, der Grund und Boden dagegen dem Grundstückseigentümer. Im bundesdeutschen Recht gibt es diese Besonderheit nicht.

Bis zum 3. Oktober 2015 bestand ein Kündigungsschutz für die noch nach DDR-Recht geschlossenen Pachtverträge. Bis zum 3. Oktober 2022 mussten Grundstückseigentümer bei Kündigung Datschen-Besitzern eine Entschädigung für den Zeitwert des Hauses, Anpflanzungen und für Strom- und Wasseranlagen zahlen.

Pachtverträge werden nicht verlängert

Doch neuerdings brodelt es unter den Familien in der Siedlung. Ende September teilte die Grundstückseigentümerin - die Karg-Stiftung aus Frankfurt am Main - mit: Die Pachtverträge, die bis dato jährlich verlängert wurden, können nicht weitergeführt werden. Bis spätestens Ende des Jahres haben die Pächter ihre Grundstücke zu räumen. Ohne die Chance auf nur einen Cent Entschädigung.

Seitdem steht die kleine Siedlung mit ihren rund 50 Pächtern unter Schockstarre: "Wir haben das Haus gekauft. Und waren in dem Glauben geblieben, dass es unser Haus ist. Nicht das Grundstück, aber das Haus. Und dann investiert man natürlich auch, man will es ja schön haben und es war vorher gar nicht bewohnbar. Es hat gerochen, es war schimmlig, es war undicht", erinnert sich Zumika Braun.

Siedlung soll für Internatspläne weichen

Gleich neben Brauns Garten steht der Grund für die Kündigungen: ein verfallenes Herrenhaus. Die Mauern bröckeln, die Fenster sind notdürftig mit Sperrholz vernagelt, das ganze Gelände ist umzäunt und gesperrt. Die Karg-Stiftung will hier ein Internat für hochbegabte Kinder errichten.

"Die Pläne für die Rettung des Herrenhauses befinden sich in einer sehr frühen Phase", teilt die Stiftung dem rbb mit. Und: "Angesichts der maroden Infrastruktur und der erheblichen Betriebskosten lässt sich die Datschensiedlung nicht mehr wirtschaftlich betreiben".

Investitionsschutzfrist ist abgelaufen

Pächter Kristof Eschholz versteht die Welt nicht mehr. Er ist 63 Jahre alt und verlebte schon die Sommer seiner Kindheit hier. Seinen eigenen Kindern hat er hier das Schwimmen beigebracht. "Dieses Pachtgrundstück gehört einfach zu meinem Leben, wie meine Familie. Ich bin dort aufgewachsen. Und deswegen tut es mir sehr weh, dass wir hier jetzt runter sollen", sagt Eschholz.

Doch die Regelung des bundesdeutschen Gesetzes ist eindeutig: Nachdem 2015 der Kündigungsschutz für DDR-Datschen abgelaufen ist, endet nun auch die sogenannte Investitionsschutzfrist. Das heißt: Grundstückseigentümer müssen - seit dem 3. Oktober 2022 - bei einer Kündigung die Pächterinnen und Pächter nicht einmal mehr entschädigen.

Wirklich wehren können sich betroffenen Datschenbesitzer nicht, sagt Rechtsanwalt Torsten Koschel vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN). Es sei zwar bitter für den einzelnen Grundstücksnutzer, "aber der Ablauf dieser Frist war lange bekannt, er war angekündigt", so Koschel.

Datschenbesitzer könnten auf Abrisskosten sitzenbleiben

Der Pachtvertrag von Zumika Braun galt lediglich für je ein Jahr und wurde dann regelmäßig verlängert. Sie hatte allerdings darauf vertraut, hier längerfristig bleiben zu können. Dieser Traum ist nun geplatzt.

Derzeit gebe es beim VDGN vermehrt Beratungsbedarf in ähnlichen Fällen, sagt Torsten Koschel. Wie viele Datschenbesitzer genau in Brandenburg und Berlin insgesamt betroffen sind, weiß er nicht. Er rät Betroffenen, noch einmal das Gespräch mit den Grundstückseigentümern zu suchen. Denn kommt es hart auf hart, bleiben Datschenbesitzer möglicherweise sogar auf den Abriss-Kosten für ihre Wochenendhäuschen sitzen. Zumindest in diesem Punkt hat im Fall Briest die Karg-Stiftung Gesprächsbereitschaft signalisiert. Doch eine Rettung für Zumika Brauns kleines Paradies bedeutet auch dieses Angebot nicht.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Claudia Baradoy

52 Kommentare

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  1. 52.

    Ihr pathologischer Hass auf die Grünen nervt nur noch, zumal sie den bei jeder passenden aber auch unpassenden Gelegenheit ausleben.

    Gehen sie zu einem Arzt, statt uns mit diesen Stuss zu nerven! Was haben die Datschen, der Einigungsvertrag mit den Grünen zu tun? NICHTS!

  2. 51.

    Kann man es nicht machen wie die Amis.Haus auf Hänger und auf anderes Grundstück stellen.Das Haus ist ja schließlich nicht Eigentum des Grundstücks
    Besitzers.

  3. 50.

    @ Erhard
    Raten Sie mal, wem noch?
    @Günther
    In den 20ern wurden in Berlin viele Siedlungen im Erbbauverfahren errichtet. Die Pachtverträge laufen jetzt aus. Ich möchte nicht wissen, was das für Heulen und Zähneklappern gibt. Leider haben wir keine Fuggerei wie in Augsburg, wo heute noch die Mieten von 1521 gelten.

  4. 49.

    Auch im ehemaligen Westen muss man das Grundstück nach Auslaufen des Pachtvertrages an den Eigentümer zurück geben.

  5. 48.

    DiebDatschen sind in der Tat kein Grind, die Grünen un Berlin abzuwählen. Anders sieht das bei der Symbolpolitik der überzeugten Dienstwagennutzerin Jarasch in Bezug auf die Mobilitätswende aus. Der fällt schon bei einfachen Maßnahmen wie Busspur die Rechtslage vor die Füße oder auch bei Sperrung der Friedrichstraße. "In Berlin hat sich die Senatsverwaltung für Verkehr über das Straßenverkehrsrecht - grob gesagt - hinweggesetzt." Schreibt dazu sogar der RBB. Ich bin mir dabei nicht sich, ob die Dame das nicht nicht rechtskräftigen Urteil verstanden hat.

  6. 47.

    So manch Verwirrter hat nicht verstanden, dass im Februar ggf. Neuwahlen für das Land Berlin anstehen, hier aber älteres Bundesrecht aus der Wendezeit gilt.

  7. 46.

    Auch heute gibt es noch im „Westen“ viele Häuser auf Pachtgrundstücken. Da weiß jeder Hausbesitzer, dass sein Haus oder seine Wohnung irgendwann an den Verpächter fällt. Je kürzer die Pachtdauer noch ist, desto niedriger ist dann der Kaufpreis einer dortigen Immobilie. Und denken wir mal an Hongkong: Das haben 1898 die Engländer von China für 99 Jahre gepachtet und musste dann zurück gegeben werden!

  8. 45.

    na so gesehen....stimmt schon, mir gehen nur die verqueren Äußerungen von Eiskalle auf den Keks.

  9. 44.

    Wieso muss sich der Osten immer an den Westen anpassen???? Selbst Dinge, in denen der Osten dem Westsystem weit überlegen war, mussten geopfert werden. Man hat sich diese Dinge nicht mal angesehen und in vielen Bereichen ist es noch heute so.

  10. 43.

    War die DDR am Ende und wurde nicht mehr gewollt, oder umgekehrt. Wer nicht mehr klar kommt, muss sich dem Retter anpassen. Oder wird geglaubt, der Westen brauchte die Fachkräfte?

  11. 41.

    Pacht läuft aber nicht auf ewig, so wie Erbpacht auch meistens"nur" für 100 Jahre gilt. Einige Kolonien waren vom Kaiserreich auch nur gepachtet Die DDR und ihre Gesetze gibt es Gott sei Dank nicht mehr, so wie deren Vorgängerstaat. Land pachten ist nicht, wie eine Wohnung mieten. Fragen Sie mal einen Landwirt.

  12. 40.

    "oder nur im Osten." Auch im Westen sind die meisten Kleingärten gepachtet.
    "Die solch ein Gesetz verabschieden und genehmigen sind für mich keine Vertreter des Volkes und gehören abgewählt." "Die" haben die bestehenden Regelungen immer wieder nachgearbeitet, Ihr hochgeschätzter Berliner Senat hat sich m. W. zuletzt 2020 für weiteren Bestandschutz der KGAn eingesetzt. Wenn Sie eine Wohnung befristet mieten und die Frist läuft ab, müssen Sie auch umziehen.

  13. 39.

    " Im Westen gab es kein Sozialismus, Gott sei Dank! " Im Osten auch nicht oder würden sie die Einparteiendiktatur stalinistischer Prägung als Sozialismus bezeichnen?

  14. 38.

    Schon Ihr erster Satz zeigt in welcher Welt Sie leben. Im Westen gab es kein Sozialismus, Gott sei Dank!
    @Frank, da hat Ihr Bürgermeister wohl alles richtig gemacht.

  15. 37.

    Der Einigungsvertrag war nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber es müssten die Eigentumsverhältnisse in der DDR denen in der BRD angepasst werden. Dazu gab es übergangsfristen, damit sich betroffene auf diese Situation dass andere Eigentumsverhältnisse in Kraft treten werden, einstellen können. In vielen anderen ähnlichen Situationen mussten sich die Menschen halten und darauf einstellen. Es gibt sogar eine Reihe von KGA, die geräumt werden mußten. Diese wurden auch aus dem KGA Verbund gelöst.

  16. 36.

    Da frage ich mich ob dieses auch im ehemaligen Westen möglich ist oder nur im Osten. Für mich ist dieses eine riesige Sauerei wie man hier mit Altbesitzer umgeht die Jahre lang ihre Arbeitskraft und Geld reingesteckt haben. Aber mit solchen Grundstücken lassen sich eben viel Speckulationsgeld verdienen. Die solch ein Gesetz verabschieden und genehmigen sind für mich keine Vertreter des Volkes und gehören abgewählt. Wie gesagt für mich eine riesige Sauerei!!!!!

  17. 35.

    Ein Gebäude kaufen ohne Grundstück ist schon ziemlich naiv. Die Gesetzeslage ist eindeutig und gilt nicht erst seit gestern. Verpennt dürfte das der erste frei gewählte Bürgermeister haben. Unser war pfiffig und hat dafür gesorgt das wir vor der Währungsunion die Grundstücke für 50 Ostpfennige/m2 kaufen konnten.

  18. 34.

    "Was soll das Gejammer? Die Pächter hatten über 30 Jahre Zeit gehabt für die Klärung." So hart wie es klingt aber das ist leider wahr.

  19. 33.

    Nun stehen die da, die vor über 30 Jahren "Wie sind ein Volk" brüllten.
    Die ewigen Wendeverlierer.

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