Inschrift an der Kuppel -
Die Debatte um die Gestaltung des wiedererrichteten Berliner Stadtschlosses nimmt wieder an Fahrt auf. Auslöser sind Angaben von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) auf eine Anfrage der CSU/CDU-Fraktion, wonach es Überlegungen gibt, die Bibelzitate an der Kuppel zeitweilig zu überdecken [dserver.bundestag.de].
Ein Projekt sehe eine "temporäre Überblendung der rekonstruierten Inschrift mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten vor", erläuterte Roth am Mittwoch. Dafür werde derzeit die technische Realisierbarkeit geprüft. Vor rund einem Jahr hatte das Humboldt-Forum bereits Überlegungen vorgestellt, den Spruch nachts mittels Leuchtdioden mit anderen Aussagen zu kontrastieren.
"Religiös interpretierbare Wiederherstellung problematisch"
In der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage heißt es: "Die Bundesregierung ist sich der Problematik bewusst, die von einer städtebaulich und baukulturell begründeten, gleichwohl politisch und religiös interpretierbaren Wiederherstellung der monarchischen und christlichen Symbolik am Gebäude einer Institution wie des Humboldt-Forums ausgeht." Sie begrüße es daher, dass es eine Informationstafel zur Kuppel geben solle - und dass ein Kunstprojekt angedacht sei, mit dem die Zitate zeitweilig überdeckt würden.
Roth betonte am Mittwoch: "Die Inschrift bleibt erhalten, es wird nur sichtbar gemacht, dass sich das Humboldt-Forum mit ihrer Aussage kritisch auseinandersetzt."
Vorwürfe der Intoleranz
Der Ländervorsitzende für Berlin und Brandenburg des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU, Günter Nooke, warf Kulturstaatsministerin Roth am Mittwoch "Intoleranz gegenüber dem christlichen Glauben sowie den eigenen geschichtlich-kulturellen Wurzeln" vor.
Die kultur- und medienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Christiane Schenderlein (CDU), forderte am Mittwoch, dass die Inschrift sichtbar bleiben müsse. Eine als Kunstinstallation deklarierte Überblendung "lehnen wir vehement ab", erklärte sie. Die geplante Einordnung der Bibelzitate auf einer Informationstafel sei bereits "ein Kompromiss, der völlig ausreichend ist". Es sei zu befürchten, dass im nächsten Schritt das Kreuz auf der Kuppel infrage gestellt werde.
Bibelverse von Friedrich Wilhelm IV. zusammengesetzt
Das Stadtschloss wurde nach weitgehend historischem Vorbild am Ort des früheren Berliner Schlosses in unmittelbarer Nähe des Berliner Doms wiedererrichtet. Das Barockschloss war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. 2002 beschloss der Bundestag den Wiederaufbau, der 2013 startete.
Für Debatten sorgte, dass der Neubau - wie das historische Stadtschloss - im Jahr 2020 mit einem Kreuz gekrönt wurde. Kritiker sehen in dem Kreuz als christliches Symbol einen Widerspruch zum völker- und religionsübergreifenden Konzept des Humboldt-Forums im Schloss.
Die Inschrift der Kuppel, über die jetzt gestritten wird, besteht aus aus mehreren Bibelverse, die vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV . (1795-1861) zusammengesetzt wurden. "Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."
Humboldt-Forum sieht Überblendung als Mittel der Auseinandersetzung
"Es ist erstaunlich und geschichtsblind zu meinen, diese von Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. selbst aus zwei Bibelzitaten zusammengestellte Inschrift für seinen Schlossbau sei einfach nur ein unpolitisches Zeichen von Religiosität", teilte Roth am Mittwoch mit. Die Inschrift sei aus Sicht vieler Historiker eindeutig eine politische Botschaft, die den allein von Gott abgeleiteten Herrschaftsanspruch des Preußenkönigs untermauere.
Ein Sprecher des Humboldt-Forums teilte mit, zeitgenössische künstlerische Interventionen seien eine wichtige Form, sich mit den vieldiskutierten Aspekten des Hauses und seiner Architektur auseinanderzusetzen. Sie wollten als Gemeinschaft aller Akteure im Humboldt-Forum die von der Initiative "Leuchtturm Berlin" an sie herangetragene Idee umsetzen, die rekonstruierte Inschrift temporär mit einer Leuchtschrift zu überblenden.
"Das Projekt haben wir Dezember 2021 bereits im Humboldt-Forum vorgestellt und öffentlich diskutiert", erklärte der Sprecher. "Die Umsetzung würde bedeuten, dass tagsüber die rekonstruierte Inschrift, bei Dunkelheit andere Texte sichtbar werden. Auf diese Weise entsteht die Möglichkeit, alternative Texte zu entwickeln, die die historische Inschrift kommentieren und in Frage stellen. Das ist ein erster wichtiger Schritt, der Debatte einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Wir prüfen aktuell die technische Realisierbarkeit und werden über das Ergebnis informieren, sobald dieses vorliegt."
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.11.2022, 18:00 Uhr
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