Radfahrerin tödlich verletzt - Bericht: Klima-Blockade hat Notversorgung nach Unfall in Berlin nicht behindert

Fr 04.11.22 | 17:24 Uhr
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Betonmischer an der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf nach einem Unfall am 31.10.2022 (Quelle: Paul Zinken/dpa)
Audio: rbb 88.8 | 04.11.2022| Matthias Bartsch | Bild: dpa

Nach einem tödlichen Unfall, zu dem ein Rettungsfahrzeug verspätet eintraf, steht die Gruppe "Letzte Generation" in der Kritik: Sie hatte zeitgleich Staus verursacht. Einem Medienbericht zufolge war das Fahrzeug für die Rettung aber gar nicht nötig.

Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge soll die Klima-Blockade in Berlin keinen Einfluss auf die Notfallversorgung einer Radfahrerin gehabt haben, die am Montag von einem Betonmischer überrollt wurde. Die Zeitung berief sich am Freitag auf einen internen Vermerk der Feuerwehr. Demnach soll die Notärztin ohnehin entschieden haben, dass der Betonmischer nicht mit einem Spezialfahrzeug angehoben werden sollte.

Das Rettungsfahrzeug war verzögert am Unfallort eingetroffen, weil es im Stau stand. Zur selben Zeit hatten Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" durch eine Demonstration auf der A100 den Verkehrsfluss ins Stocken gebracht. Die Polizei ermittelt deswegen gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Klima-Demonstranten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Die Gruppe stand seit dem Vorfall am Montag stark in der Kritik.

S.Z.: Notärztin gegen Einsatz von Rüstwagen

Nach Informationen der Zeitung soll die Notärztin durch den Stau nicht behindert worden sein und das Unfallopfer versorgt haben. Sie habe zwar kurz erwogen, den Betonmischer anheben zu lassen. Das "hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert", zitierte die Zeitung aus dem Vermerk.

Der Betonmischer sollte sich mit eigener Motorkraft fortbewegen. Selbst wenn "mit Rüstwagen oder Kran andere technische Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, war dies die richtige Vorgehensweise." Die Notärztin habe "klar geäußert, dass sie sich auch bei der Verfügbarkeit von anderen technischen Möglichkeiten durch Rüstwagen oder Kran sofort für diese Methode entschieden hätte", heißt es laut Bericht in dem Vermerk weiter.

Der drei Seiten lange Vermerk sei vom ärztlichen Leiter des Rettungsdiensts in Berlin unterzeichnet und an Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geschickt worden. Die Berliner Feuerwehr wollte zu dem Zeitungsbericht am Freitag keine Stellungnahme abgeben.

Rettungsgasse nicht gebildet

Am Montag hatte die Feuerwehr mitgeteilt, die Rettung habe sich durch das Späterkommen des Spezialfahrzeugs um eine "relevante Zeit" verzögert, allerdings habe auch das Bilden einer Rettungsgasse am Montag nicht funktioniert. Rolf Erbe von der Berliner Feuerwehr sagte dem rbb, ob ein Rettungswagen auf der Autobahn durchkomme oder nicht, hänge an vielen Faktoren. Rettungsgassen würden oft nicht gebildet, deshalb entscheide sich die Berliner Feuerwehr im Normalfall auch meist dagegen, die Autobahn zu nutzen.

Aktivisten: Unfallort "mehrere Kilometer" entfernt

Die Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" erhoben unterdessen am Freitag schwere Vorwürfe gegen die Medien und konkretisierten ihre Sicht auf die Vorgänge. "Die mediale Öffentlichkeit instrumentalisiert den Unfall der Radfahrerin", schrieb die Gruppe in einer Mitteilung. "Seit Montag bricht eine Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze über uns hinein."

Die "Letzte Generation" betonte am Freitag, der Unfall habe "mehrere Kilometer von jedem [ihrer] Aktionsorte" stattgefunden. "Auf der A100 befanden wir uns auf einer Schilderbrücke. Die Polizei regelte den Verkehr darunter selbstständig und reduzierte ihn auf eine Fahrspur. Wir hatten die Polizei vor Betreten der Schilderbrücke informiert und um eine Umleitung von Einsatzfahrzeugen und das komplette Sperren der A100 für den Autoverkehr gebeten. Wir haben in all unseren Protesten immer eine Rettungsgasse."

Staatsanwaltschaft verweist auf laufende Ermittlungen

Es sei nicht akzeptabel, dass ihnen für "friedlichen zivilen Widerstand" nun "öffentliche Hetze" entgegenschlage, so die Aktivisten weiter. "Dass die Radfahrerin im Straßenverkehr verunglückt ist, ist furchtbar. Wir sind bestürzt und in Trauer. Doch ist es an der Zeit, eine Grenze zu ziehen."

Die Staatsanwaltschaft erteilte am Freitag auf rbb-Nachfrage zu den Umständen der Straßenblockade und einer möglichen Auswirkung auf die Rettungsarbeiten keine näheren Auskünfte. Die Ermittlungen seien gerade erst aufgenommen worden "und werden mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund der Komplexität des Sachverhalts länger andauern", hieß es.

Anwalt: Kausalitäten werden in Ermittlungen geklärt

Benjamin Grunst, Fachanwalt für Strafrecht, sagte am Freitag im rbb, zu den Vorfällen werde nun im Detail ermittelt. So werde durch Sachverständige untersucht, was es für die Frau hätte bedeuten können, wenn das Rettungsfahrzeug früher eingetroffen wäre. "Das kann man sicherlich feststellen", sagte Grunst auf Radioeins vom rbb. Dazu werde voraussichtlich ein Gutachten erstellt.

Weiter sagte Grunst: "Und dann muss man natürlich auch schauen: Der Stau bestand ja - nach Medienberichten - schon, bevor der Unfall überhaupt passiert ist. Hätte es vielleicht eine Alternativroute gegeben? Hätte man mit dem Spezialfahrzeug auf die Auobahn fahren sollen? Oder wäre man schneller gewesen, hätte man einen anderen Weg gewählt?" Auch die Frage nach einer Rettungsgasse müsse gestellt werden, sagte Grunst.

Die Kausalitäten würden nach Möglichkeit ermittelt. Man müsse die Verantwortlichkeiten aber genau prüfen, mahnte Grunst und nannte als Beispiel eine Baustelle auf der A100: "Niemand würde auf die Idee kommen, einen Straßenbauarbeiter dafür verantwortlich zu machen, weil auf der Stadtautobahn der Verkehr wegen Markierungsarbeiten auf einspurig gesetzt wird und sich deswegen ein Stau bildet." Mit Blick auf mögliche Konsequenzen für die Aktivisten sagte Grunst: "Im Ergebnis denke ich nicht, dass sich eine Strafbarkeit wegen einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung ergeben wird."

Klimaaktivisten verlangen Gespräch mit Bundesregierung

Unterdessen fordern die Klimaaktivisten die Bundesregierung zu einem Gespräch auf. So stehe ein Verhandlungsteam der "Letzten Generation" am Donnerstag kommender Woche für Gespräche mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie insbesondere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bereit, erklärte die Gruppe am Freitag in Berlin.

Die "Letzte Generation" forderte Verhandlungen über ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern und die Rückkehr zu einem Neun-Euro-Ticket im Nahverkehr. Damit könnten die Proteste beendet werden. Bis eine Lösung gefunden sei, werde die Letzte Generation weiter protestieren.

Gleichzeitig forderte die "Letzte Generation" eine Richtigstellung, dass ein Klimaprotest in Berlin keinen Einfluss auf die Versorgung eines Unfallopfers gehabt habe, das inzwischen starb. Die Letzte Generation bezog sich auf Äußerungen mehrerer Politiker der Ampelkoalition, die einen entsprechenden Zusammenhang hergestellt hatten. Sie führten demnach den "S.Z."-Artikel als Legitimation an.

Sendung: rbb24 Abendschau, 04.11.2022, 19:30 Uhr

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54 Kommentare

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  1. 54.

    Tatsache ist, dass das Spezialfahrzeug angefordert war und nicht durchkam. Ob letztendlich unbedingt notwendig am Unfallort oder nicht ist doch zweitrangig. Die Klimakleber sind sich des Risikos bewusst und nehmen es in Kauf. Auch hehre Ziele rechtfertigen nicht alle Mittel. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es Opfer gibt, die unzweifelhaft durch die Protestaktionen verursacht sind. Wie diskutieren wir dann. Kommt dann wieder der Hinweis auf Falschparker, die auch Einsatzfahrzeuge behindern können? Lächerlich.

    In München werden die ersten Wiederholungstäter bis zu 30 Tage festgesetzt. Die kommen dann auch noch alle nach Berlin. Viel Spaß.

  2. 53.

    Es ist ein Erfahrungswert, dass man eine eingeklemmte Sache am schnellsten durch die Anhebung des Hindernisses "befreit", aber bei Menschen ,,,,,,,,,,,,,.

  3. 52.

    Die Aufregung über die Klimaaktivisten soll nur davon ablenken, dass die Radfahrerin dort hätte gar nicht fahren dürfen.

  4. 51.

    Die Anwälte haben viel zu tun. Wetten? Das Strafmaß ändert sich für die „Randgruppe“ jetzt wie weit? Was wäre wenn?
    Ich empfehle Mehrheiten legal zu erkämpfen.... Oder schwant Ihnen das dies anders ausgehen könnte als gedacht? Man muss den einfachen Weg nicht immer gehen...

  5. 50.

    Ich kann da keine „Klatsche“ erkennen - höchstens für die selbstklebenderen Wichtigtuer.
    Immerhin war das Einsatzfahrzeug behindert. Die konnten ja nicht wissen, daß es inzwischen nicht mehr gebraucht wurde.

  6. 49.

    " Notversorgung nach Unfall in Berlin nicht behindert "

    na und? deshalb bleibt eine mutwillige Verkehrsblockade trotzdem inakzeptabel , welche Unannehmlichkeiten den so Blockierten entstehen können sind maßgebend, Beispiele dazu wurden genug genannt

  7. 48.

    Was soll das und was ist in dieser Stadt los?
    Wenn das keine Behinderung vom Einsatzfahrzeug war, was war es denn sonst? Eine Schande.....

  8. 47.

    Was die Leute machen ist die Definition von Aktivismus. Sollten sie den Begriff romantisieren, dann ist das ungünstig für sie. Aktivist ist grundsätzlich weder positiv noch negativ konnotiert.

    Vorschläge muss LG auch nicht machen. Das ist nicht deren Aufgabe, sondern die der Politik und die muss erstmal auch schaffen ihre eigenen Zusagen einzuhalten.

  9. 46.

    "Sie habe zwar kurz erwogen, den Betonmischer anheben zu lassen. Das "hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert", zitierte die Zeitung aus dem Vermerk. "

    Eine deutliche Klatsche für die Medien, Politikern und allen hier die sich an der Hetze gegen die Aktivisten beteiligt haben.

    Wie bereits ich gestern bemerkt hatte ist um diese Uhrzeit an der AS Siemensdamm IMMER Stau, ob mit oder ohne Aktivisten, deshalb stellt sich die Frage warum der Fahrzeugführer des Spezialfahrzeugs diesen Weg gewählt hatte. Absicht, Unfähigkeit oder Unerfahrenheit?

    "Rolf Erbe von der Berliner Feuerwehr sagte dem rbb, ob ein Rettungswagen auf der Autobahn durchkomme oder nicht, hänge an vielen Faktoren. Rettungsgassen würden oft nicht gebildet, deshalb entscheide sich die Berliner Feuerwehr im Normalfall auch meist dagegen, die Autobahn zu nutzen."

  10. 45.

    Geht es nicht un das Rüstfahrzeug der Berliner Feuerwehr, welches den LKW anheben sollte, das in Stau hängenblieb und daher verspätet eintraf? Die Versorgung fand ja statt. Ich weiß grad nicht, wer oder was aktuell versucht, Konfusion zu stiften?

  11. 44.

    Berichten ja, aber Einschätzungen von anderen Medien als Fakt in ihrer Überschrift darzustellen?
    Diese Vorfall wird juristisch untersucht, und bis das Ergebnis dar ist übt sich eine seriöse Presse in diesen Punkt in Schweigen.

    Übrigens, es ist verwunderlich, dass in Berlin ein Arzt auch fachlich kompetentter ist als die Feuerwehr, wenn es um die Befreiung von eingeklemmtne Personen geht.

  12. 43.

    Ja Herr Hollwein. Hassen Sie ruhig wen man Sie beauftragt zu hassen.
    Der tragische Tod einer Radfahrerin hat rein gar nichts mit irgendeiner Verkehrsblockade irgendwo in der Stadt aus irgendeinem der vielen Gründe für Staus zu tun.
    Im Zweifelsfall hat es mit falscher Verkehrspolitik zu tun. Oder mit der Minderausstattung von Rettungsdiensten. Oder damit dass wieder einmal ein Betonmischer in der Stadt unterwegs war, der seinen Beton irgendwo für irgendein Bauwerk abliefert, das so in der Stadt niemand braucht.
    Die Leute sind in Italien auch nicht reihenweise an Corona gestorben, weil dieses Virus so böse ist. Sondern weil das privatisierte Gesundheit- und Altenpflegesystem in Italien es strukturell nicht besser händeln konnte.

    Aber all sowas erforderte ja ehrliche Diskussion, Analyse, Begriff, Haltung. Statt dass die gehasst werden, wozu andere die Ressourcen haben, sie zu Hassobjekten zu machen.

  13. 42.

    Niemand hat das Recht ,Menschen daran zu hindern ihren Job nach zu gehen. Klinsmann rettet man auch nicht wenn LKWS im Stau ,den Motor laufen lassen müssen wegen der kühlketten Unterbrechung. Firmen die nicht rechtzeitig zum Kunden zu Reparaturen können uvm . Das muss aufhören! Wenn sich die letzte Generation an Schilder auf der Autobahn an Ketten befestigen wem störst lasst sie dort hängen.

  14. 41.

    Die jammern ja schon rum, wenn sie kleben gelassen werden (siehe Niederländische Talk-Show und VW-Ausstellungsraum)

  15. 40.

    GG §20a ist die Grundlage auf deren Basis das Verfassungsgericht das Klimaschutzgesetz 2021 gekippt hat.
    "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."
    Es wird eine Einhaltung des Völkerrechts gefordert, also die Klimaverträge, die dieser Staat mit aufgesetzt und unterschrieben hat,einzuhalten.
    Aus dem Gerichtsurteil:
    "Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen."
    Es könnte sein, dass das Verfassungsgericht den Protesten die Legitimität zusagt,weil die Ordnung durch die Politik gestört wird.

  16. 39.

    „Die Zeitung berief sich am Freitag auf einen internen Vermerk der Feuerwehr.“ … Wie genau lautete der denn ? … Und warum genau wurde der gemacht ? … Oder hat die Notärztin die Rettungskräfte vor Ort (in der Not) vom Einsatz des eigentlich notwenigen Equipments mit dem Vermerk „haftungsfreigesprochen“ ?

  17. 38.

    Mein Beileid an die Angehörigen und viel Kraft für die kommende Zeit.
    Wie geht es eigentlich dem LKW-Fahrer, der abgestochen wurde? Er hat den Unfall mit Sicherheit auch nicht gewollt!
    Kann die Red dazu auch mal etwas berichten? Das wäre sehr freundlich.

  18. 37.

    Machen Sie diese Vorwürfe auch den Autofahrern? Oder zählen Sie selber zu denen und messen mit zweierlei Maß?
    Ganz schön verwerflich. Im Autoverkehr mit Rasern, Stauverursacher mangels Abstand, unkonzentrierten Fahrern etc. ist der tägliche Tod normal?
    Autos töten täglich durch Unfälle und Abgase! Obwohl es oft Alternativen gibt!

  19. 35.

    Im Tagesspiegel gibt es einen ausführlichen Bericht zur Situation am Unfallort. Der LKW kam auf 3. Spur zum Stehen.

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