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Audio: rbb 88.8 | 04.11.2022| Matthias Bartsch | Quelle: dpa

Radfahrerin tödlich verletzt

Bericht: Klima-Blockade hat Notversorgung nach Unfall in Berlin nicht behindert

Nach einem tödlichen Unfall, zu dem ein Rettungsfahrzeug verspätet eintraf, steht die Gruppe "Letzte Generation" in der Kritik: Sie hatte zeitgleich Staus verursacht. Einem Medienbericht zufolge war das Fahrzeug für die Rettung aber gar nicht nötig.

Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge soll die Klima-Blockade in Berlin keinen Einfluss auf die Notfallversorgung einer Radfahrerin gehabt haben, die am Montag von einem Betonmischer überrollt wurde. Die Zeitung berief sich am Freitag auf einen internen Vermerk der Feuerwehr. Demnach soll die Notärztin ohnehin entschieden haben, dass der Betonmischer nicht mit einem Spezialfahrzeug angehoben werden sollte.

Das Rettungsfahrzeug war verzögert am Unfallort eingetroffen, weil es im Stau stand. Zur selben Zeit hatten Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" durch eine Demonstration auf der A100 den Verkehrsfluss ins Stocken gebracht. Die Polizei ermittelt deswegen gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Klima-Demonstranten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Die Gruppe stand seit dem Vorfall am Montag stark in der Kritik.

Mitteilung der Berliner Polizei

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S.Z.: Notärztin gegen Einsatz von Rüstwagen

Nach Informationen der Zeitung soll die Notärztin durch den Stau nicht behindert worden sein und das Unfallopfer versorgt haben. Sie habe zwar kurz erwogen, den Betonmischer anheben zu lassen. Das "hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert", zitierte die Zeitung aus dem Vermerk.

Der Betonmischer sollte sich mit eigener Motorkraft fortbewegen. Selbst wenn "mit Rüstwagen oder Kran andere technische Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, war dies die richtige Vorgehensweise." Die Notärztin habe "klar geäußert, dass sie sich auch bei der Verfügbarkeit von anderen technischen Möglichkeiten durch Rüstwagen oder Kran sofort für diese Methode entschieden hätte", heißt es laut Bericht in dem Vermerk weiter.

Der drei Seiten lange Vermerk sei vom ärztlichen Leiter des Rettungsdiensts in Berlin unterzeichnet und an Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geschickt worden. Die Berliner Feuerwehr wollte zu dem Zeitungsbericht am Freitag keine Stellungnahme abgeben.

Rettungsgasse nicht gebildet

Am Montag hatte die Feuerwehr mitgeteilt, die Rettung habe sich durch das Späterkommen des Spezialfahrzeugs um eine "relevante Zeit" verzögert, allerdings habe auch das Bilden einer Rettungsgasse am Montag nicht funktioniert. Rolf Erbe von der Berliner Feuerwehr sagte dem rbb, ob ein Rettungswagen auf der Autobahn durchkomme oder nicht, hänge an vielen Faktoren. Rettungsgassen würden oft nicht gebildet, deshalb entscheide sich die Berliner Feuerwehr im Normalfall auch meist dagegen, die Autobahn zu nutzen.

Aktivisten: Unfallort "mehrere Kilometer" entfernt

Die Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" erhoben unterdessen am Freitag schwere Vorwürfe gegen die Medien und konkretisierten ihre Sicht auf die Vorgänge. "Die mediale Öffentlichkeit instrumentalisiert den Unfall der Radfahrerin", schrieb die Gruppe in einer Mitteilung. "Seit Montag bricht eine Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze über uns hinein."

Die "Letzte Generation" betonte am Freitag, der Unfall habe "mehrere Kilometer von jedem [ihrer] Aktionsorte" stattgefunden. "Auf der A100 befanden wir uns auf einer Schilderbrücke. Die Polizei regelte den Verkehr darunter selbstständig und reduzierte ihn auf eine Fahrspur. Wir hatten die Polizei vor Betreten der Schilderbrücke informiert und um eine Umleitung von Einsatzfahrzeugen und das komplette Sperren der A100 für den Autoverkehr gebeten. Wir haben in all unseren Protesten immer eine Rettungsgasse."

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Staatsanwaltschaft verweist auf laufende Ermittlungen

Es sei nicht akzeptabel, dass ihnen für "friedlichen zivilen Widerstand" nun "öffentliche Hetze" entgegenschlage, so die Aktivisten weiter. "Dass die Radfahrerin im Straßenverkehr verunglückt ist, ist furchtbar. Wir sind bestürzt und in Trauer. Doch ist es an der Zeit, eine Grenze zu ziehen."

Die Staatsanwaltschaft erteilte am Freitag auf rbb-Nachfrage zu den Umständen der Straßenblockade und einer möglichen Auswirkung auf die Rettungsarbeiten keine näheren Auskünfte. Die Ermittlungen seien gerade erst aufgenommen worden "und werden mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund der Komplexität des Sachverhalts länger andauern", hieß es.

Anwalt: Kausalitäten werden in Ermittlungen geklärt

Benjamin Grunst, Fachanwalt für Strafrecht, sagte am Freitag im rbb, zu den Vorfällen werde nun im Detail ermittelt. So werde durch Sachverständige untersucht, was es für die Frau hätte bedeuten können, wenn das Rettungsfahrzeug früher eingetroffen wäre. "Das kann man sicherlich feststellen", sagte Grunst auf Radioeins vom rbb. Dazu werde voraussichtlich ein Gutachten erstellt.

Weiter sagte Grunst: "Und dann muss man natürlich auch schauen: Der Stau bestand ja - nach Medienberichten - schon, bevor der Unfall überhaupt passiert ist. Hätte es vielleicht eine Alternativroute gegeben? Hätte man mit dem Spezialfahrzeug auf die Auobahn fahren sollen? Oder wäre man schneller gewesen, hätte man einen anderen Weg gewählt?" Auch die Frage nach einer Rettungsgasse müsse gestellt werden, sagte Grunst.

Die Kausalitäten würden nach Möglichkeit ermittelt. Man müsse die Verantwortlichkeiten aber genau prüfen, mahnte Grunst und nannte als Beispiel eine Baustelle auf der A100: "Niemand würde auf die Idee kommen, einen Straßenbauarbeiter dafür verantwortlich zu machen, weil auf der Stadtautobahn der Verkehr wegen Markierungsarbeiten auf einspurig gesetzt wird und sich deswegen ein Stau bildet." Mit Blick auf mögliche Konsequenzen für die Aktivisten sagte Grunst: "Im Ergebnis denke ich nicht, dass sich eine Strafbarkeit wegen einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung ergeben wird."

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Klimaaktivisten verlangen Gespräch mit Bundesregierung

Unterdessen fordern die Klimaaktivisten die Bundesregierung zu einem Gespräch auf. So stehe ein Verhandlungsteam der "Letzten Generation" am Donnerstag kommender Woche für Gespräche mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie insbesondere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bereit, erklärte die Gruppe am Freitag in Berlin.

Die "Letzte Generation" forderte Verhandlungen über ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern und die Rückkehr zu einem Neun-Euro-Ticket im Nahverkehr. Damit könnten die Proteste beendet werden. Bis eine Lösung gefunden sei, werde die Letzte Generation weiter protestieren.

Gleichzeitig forderte die "Letzte Generation" eine Richtigstellung, dass ein Klimaprotest in Berlin keinen Einfluss auf die Versorgung eines Unfallopfers gehabt habe, das inzwischen starb. Die Letzte Generation bezog sich auf Äußerungen mehrerer Politiker der Ampelkoalition, die einen entsprechenden Zusammenhang hergestellt hatten. Sie führten demnach den "S.Z."-Artikel als Legitimation an.

Sendung: rbb24 Abendschau, 04.11.2022, 19:30 Uhr

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