Prozessbeginn vor Landgericht - Messerattacke nach Betonmischer-Unfall - Angeklagter legt Geständnis ab

Di 28.02.23 | 13:47 Uhr
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Mahnwache nach einem tödlichen Unfall mit einer Radfahrerin in Berlin-Wilmersdorf am 3.11.22 (Bild: imago images/Stefan Boness)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.02.2023 | Ulf Morling | Bild: imago images/Stefan Boness

Ein 48-Jähriger steht seit Dienstag vor dem Berliner Landgericht. Ihm wird vorgeworfen, einen Lkw-Fahrer, der zuvor eine Radfahrerin überfahren hatte, mit einem Messer angegriffen zu haben. Der Angeklagte ist möglicherweise schuldunfähig.

Fünf Monate nach einer Messerattacke auf den Fahrer eines Betonmischers, der unmittelbar zuvor in Berlin eine Radfahrerin tödlich erfasste, hat vor dem Berliner Landgericht ein sogenanntes Sicherungsverfahren gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Statt einer Anklage wurde am Dienstag eine Antragsschrift verlesen. Diese wirft dem 48-Jährigen gefährliche Körperverletzung vor.

Der Obdachlose stach demnach unmittelbar nach dem Unfall am Morgen des 31. Oktobers 2022 dem Fahrer des Betonmischers ein Messer "ohne erkennbaren Grund" in die Brust, während sich Rettungskräfte um die unter dem Fahrzeug eingeklemmte Radfahrerin kümmerten. Der Beschuldigte flüchtete anschließend, wurde aber einige Tage später gefasst.

Angeklagter wohl schuldunfähig

Der 48-Jährige leidet der Antragsschrift zufolge an "paranoider, halluzinatorischer Schizophrenie", weshalb er als mutmaßlich schuldunfähig eingestuft und vorläufig in einer Psychiatrie untergebracht wurde. Die Staatsanwaltschaft strebt nun seine dauerhafte Unterbringung dort an.

Der Mann berichtete, er lebe seit drei Jahren auf der Mittelinsel an der Bundesallee, von wo aus er den nur wenige Meter entfernten Unfall gesehen und die Schreie der Radfahrerin gehört habe. "Aufgrund des Schreckens und meiner Erkrankung" sei er davon ausgegangen, dass der Fahrer den Unfall absichtlich verursacht habe.

Unfall stand bundesweit in den Schlagzeilen

Er sei auf den Fahrer zugelaufen, habe dann einmal mit seinem ausgeklappten Taschenmesser - zuvor habe er damit seine Frühstücksbrote geschmiert - zugestochen. "Das war ein Fehler, den ich gemacht habe", sagte der 48-Jährige. Es tue ihm "sehr leid". Den Fahrer des Betonmischers habe er nicht töten wollen.

Dieser schilderte anschließend, dass er nach dem Unfall ausgestiegen und um sein Fahrzeug gelaufen sei, dann den Stich abbekommen habe. Die Verletzung bemerkte der 64-Jährige nach eigener Aussage aber erst später, als das Blut durch seinen Pullover drang. Seinen Ärzten zufolge habe er Glück gehabt - das Messer sei zwischen den Rippen steckengeblieben und nicht tiefer ins Herz gedrungen.

Die 44-jährige Radlerin starb einige Tage später im Krankenhaus. Der Unfall löste eine große Debatte aus, weil ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr wegen einer Straßenblockade von Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation im Stau stand und verspätet zum Unfallort kam. Die Polizei stellte später gegen zwei Aktivisten Strafanzeige unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung, die entsprechenden Ermittlungsverfahren gegen die beiden laufen noch.

Aufhalt in Psychatrie oft zeitlich nicht begrenzt

Nach deutschem Recht kommt im Fall einer Schuldunfähigkeit ein normales Strafverfahren nicht in Betracht. Stattdessen wird in einem Sicherungsverfahren darüber entschieden, ob ein Beschuldigter wegen anhaltender Gefährlichkeit in einer Psychiatrie untergebracht werden soll. Anders als bei einer Haftstrafe ist der Aufenthalt dort zeitlich zunächst nicht begrenzt. Er dauert prinzipiell so lange an, wie der Betreffende weiterhin als gefährlich eingestuft wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.02.2023, 10:03 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Wenn der Wille besteht ist eine Rettungsgasse immer schnell gebildet.
    Dazu sind einfach viele Kraftfahrer nicht bereit.

  2. 17.

    "Fakt ist, der Wagen wurde nicht gebraucht." Das ist aber nur Ihr Fakt.

    Wissen Sie, wie die Radfahrerin ohne eben diesen Spezialwagen geborgen wurde? Genau, der Betonmischer musste die Radfahrerin erneut überrollen, damit der Körper frei zugänglich wurde. Was das dem Körper der Frau an zusätzlichen Schaden zugefügt hat, mag ich mir nicht ausmalen.

    Von, wurde nicht gebraucht kann gar keine Rede sein.

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/feuerwehr-legt-rettungsbericht-vor-wegen-klimaklebern-musste-lkw-erneut-uber-unfallopfer-in-berlin-fahren-8852302.html

  3. 16.

    Diese Frage könnte nur in einem zivilrechtlichen Prozess geklärt werden. Es ist eine Haftungsfrage. Dies hier im Einzelnen auseinderzuklabüsern ist fast unmöglich. Es besteht immer ein Haftungsanspruch gegen den direkten Verursacher eines Schadens, Folgeschäden und Dritte zu berücksichtigen dauert eine Weile und ist oftmals dann nur durch Gerichte zu klären. Dazu müsste dann die Kausalkette schlüssig sein. Ihre Frage ist nicht abschließend zu beantworten.

  4. 15.

    Die Notärztin vor Ort hatte sich bereits entschieden auf den Spezialwagen zu verzichten, egal ob er rechtzeitig angekommen wäre.

    Es stellt sich die Frage warum man den Wagen in den Stau geschickt hatte, von dem man bereits wußte. Fakt ist, der Wagen wurde nicht gebraucht.

    Ich finde die Debatte, besonders wenn sie so scheinheilig geführt wird, pietätlos und möchte sie deshalb beenden. Danke.

  5. 14.

    Trotzdem zählt bei so einem Einsatz jede Sekunde und ohne diesen völlig unnötigen Quatsch der LG hätte es eventuell für die Frau anders ausgehen können , so ist es nun einmal . Egal wer wie wo was . Entscheidend ist : Wie wäre es ohne diese Klebeaktion für die Frau ausgegangen , darum gehts.

  6. 13.

    Oh, Sie sollten nicht von Dingen reden, von denen Sie keine Ahnung haben (können). Anfang der 1960er Jahre war ich bei den Pfadfindern. Von der nachgequatschten Verbundenheit wenig zu spüren.
    Jungen entsprechende Beschäftigung im freien Gelände. Dazu schon sehr parteiinah (SPD). Mädchen gab es vorsorglich nicht.

  7. 12.

    "Eine funktionierende Gemeinschaft als Demokratie... " Ich schrieb von "SOLIDARgemeinschaften", ist Ihnen der Begriff fremd? "Einer für Alle, alle für einen" wie bei den Pfadfindern! Und das beinhaltet Empathie, ohne die würde es nicht funktionieren.

  8. 11.

    Fakten vs. Fake News.

    Wie mit Rettungsgassen umgegangen ist leider traurige Realität, da kann ich etliche Beispiele aufführen wie Rettungsfahrzeuge ständig behindert werden.

    Als das nicht angeforderte Spezialfahrzeug losfuhr wußte man bereits von der Aktion und die Polizei hatte bereits unter der Schilderbrücke eine Spur freigegeben.

  9. 10.

    In einem "normalen Stau " ist schnell eine Rettungsgasse gebildet weil es ja doch immer ein wenig voran geht .Bei einenm Klimakleberstau ist dem nicht so , mit dieser eventuellen Schuld müssen die Leute der letzten Generation Ihr ganzes Leben lang "klar kommen ".

  10. 9.

    "Die 44-jährige Radlerin starb einige Tage später im Krankenhaus. Der Unfall löste eine große Debatte aus, weil ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr wegen einer Straßenblockade von Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation im Stau stand und verspätet zum Unfallort kam."

    Die Notärztin vor Ort hatte später berichtet das Spezialfahrzeug nicht benötigt zu haben, also warum wird diese verkürzte und somit falsche Nachricht immer wieder wiederholt?

    An dieser Stelle ist zu der besagten Uhrzeit IMMER Stau, warum wurde ausgerechnet der Weg über die Stadtautobahn gewählt obwohl man bereits von der Aktion und dem Stau wußte?

  11. 8.

    Eine funktionierende Gemeinschaft als Demokratie kann nicht nur aus Empathie bestehen, es braucht auch regelnde Elemente. Diese sind hinlänglich als die 3 Gewalten bekannt. Zwangsläufig gehören dazu auch Bürokratie und Verwaltung. Sonst würde es u.a. auch keine Rettungrkräfte geben. Und auch keine Preisdeckel für Strom und Gas, dere Vorteile und Gelder wir alle gerne nehmen, oder Corona-Hilfen oder, oder, oder...

  12. 6.

    "Dieser Beitrag hat mir leider gezeigt, wo ich lebe..." Nein, der Beitrag zeigt nur, was es für Menschen in unserem Umfeld gibt ( hoffentlich weit weg!. Dieser Beitrag ist sicher nicht repräsentativ! Die wenigsten Menschen werden SO denken.
    Und bitte: bevor Sie diesem Verfasser etwas "erstatten" spenden Sie es der Opferhilfe, der Tafel o. ä. bitte....

  13. 5.

    Ihr Beitrag ist so dermaßen empathie- und pietätlos, dass ich mich sehr beherrschn muss, sachlich zu bleiben! Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihre Ehefrau oder Tochter bei diesem Unfall um's Leben gekommen wäre und Ihnen eine Rechnung für die Rettungskräfte in's Haus flattern würde? Es geht zwar sehr häufig, aber in solchen Fällen sicher nicht, um Geld, dafür haben wir diverse Solargemeinschaften.

  14. 4.

    Wird er auch als Zeuge des Unfalls befragt? Vielleicht war es auch so: Möglicherweise hat er den Unfall gesehen und ist dann auf den seiner Wahrnehmung nach Schuldigen Lkw-Fahrer zugegangen und hat ihn mit dem Messer attackiert. Wie vom Staatsanwalt angekündigt wird das Gericht alles umfassend klären.

  15. 3.

    Verkürzt schreiben Sie zum Tod eines Menschen: "Und wer zahlt das alles?!" Mist, "Verursacherin" tot, Hinterbliebene geht wegen Pietät nicht. Also der Steuerzahler. Also *ich* armer Steuerzahler. Bitte schätzen Sie großzügig, wie dieser Todesfall Sie persönlich gekostet hat. Ich erstatte Ihnen die Summe.
    Da ist jemand gestorben. Wer den Unfall verursacht hat, muss geklärt werden. Auch im Interesse des Lkw-Fahrers. Dieser Beitrag hat mir leider gezeigt, wo ich lebe

  16. 2.

    Ein Unfallopfer, das von einem LKW überrollt und getötet wurde, als Verursacherin eines Rettungseinsatzes zu bezeichnen empfinde ich als eigenartigen Blickwinkel.

  17. 1.

    Was geschieht denn mit den sonst noch Betroffenen? Wie geht es dem LKW -Fahrer? Und wer kommt für alle Kosten auf? Die Steuerzahlenden (wenn, dann) für die Kosten der Rettungskräfte! Die Verursacherin kann es ja nicht mehr und die Hinterbliebenen lässt man aus Pietät in Ruhe.

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