Fragwürdige Geschäfte - Mitarbeiter von Charité-Tochter sollen Millionen veruntreut haben

Mo 20.03.23 | 17:34 Uhr | Von René Althammer, rbb24 Recherche
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Archivbild: Das Charité Krankenhaus in Berlin Mitte. (Quelle: dpa/Zuma)
Video: rbb24 Abendschau | 21.03.2023 | R.Althammer/J. Kubowicz | Bild: dpa/Zuma

Bei einer Charité-Tochter soll durch Veruntreuung ein Schaden von mehreren Millionen Euro entstanden sein. Die Ermittlungen richten sich laut Staatsanwaltschaft gegen sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens. Von René Althammer

Im Rahmen von Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue und möglichen Vergaberechtsverstößen bei der Charité Facility Management (CFM) hat eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einen Schaden in Höhe von sieben bis zehn Millionen Euro festgestellt. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Berlin dem rbb.

Tatverdächtig sind sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Charité-Tochter, gegen die Strafanzeige gestellt wurde. Die Akten wurden bereits an das Landeskriminalamt zur weiteren Auswertung übersandt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war von der Charité beauftragt worden. Im Juli 2022 hatten Recherchen des rbb zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geführt.

Charité Facility management GmbH (CFM)

Die CFM ist seit 2006 für die Charité als Dienstleister tätig. 2019 wurde das Unternehmen mit rund 3.000 Mitarbeitern wieder in die Charité eingegliedert und ist heute eine 100-prozentige Tochter des größten Universitätsklinikums Europas. In der CFM sind Sicherheits- und Wachdienste, technische Serviceleistungen, Reinigungs- und Transportdienste sowie das Catering zusammengefasst.

Quelle: CFM - Charité Facility Management [cfm-charite.de]

Die Pressestelle der Charité teilte dem rbb schriftlich mit, das Universitätsklinikum setze sich ebenso wie die Tochter CFM "für eine vollumfängliche und transparente Aufarbeitung der Sachverhalte ein. Alle internen Erkenntnisse zu den Vorgängen wurden der Staatsanwaltschaft Berlin zur Verfügung gestellt." Zuständig sei die interne Revision, die seit 2022 auch die CFM überwacht. Im Juli 2022 hatte das Unternehmen noch bestritten, dass es zu Vermögensschäden gekommen sei.

Mitarbeiter deckten Skandal auf

Es waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CFM, die erstmals 2021 mögliche Verstöße gegen das Vergaberecht und andere Merkwürdigkeiten bei Auftragsvergaben aufdeckten. Dazu gehörte auch der Fall eines Unternehmers aus dem südbrandenburgischen Calau. Im Jahr 2020 hatte er der CFM 23 Angebote gemacht, die alle von der Charité-Tochter akzeptiert wurden. Gesamtvolumen: etwas über 330.000 Euro.

Es ging um Logistik-Software für den Umgang mit Sterilgütern, wie sie in jedem Krankenhaus benötigt wird. Auffällig war nicht nur, dass der Unternehmer weder eine eigene Website hatte, noch in einer der üblichen Wirtschaftsdatenbanken auftauchte. Mehr als ungewöhnlich war auch die Tatsache, dass seine Angebote und Rechnungen nach rbb-Recherchen zum größten Teil nachdatiert waren und es keine Ausschreibungen seitens der CFM gab.

Die Charité erklärte dazu im vergangenen Jahr, dass es für das Jahr 2020 einen Rahmenvertrag mit dem Unternehmer gegeben habe, der im Januar desselben Jahres abgeschlossen worden sein soll. "Die Rechnungsstellung des Dienstleisters erfolgte im Dezember 2020", hieß es weiter. Mögliche Rückdatierungen bestritt die Charité.

Personelle Konsequenzen

Neben diesem gibt es mindestens sieben weitere Fälle, die 2021 über ein internes "Hinweisgebersystem" der Charité bekannt wurden. Anschließend beauftragte Deutschlands größtes Universitätsklinikum eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, möglichen Verstößen gegen das Vergaberecht und Compliance-Vorschriften nachzugehen. Das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer wurde der Staatsanwaltschaft übermittelt, die damals jedoch keinen Anfangsverdacht erkannte und im Dezember das zuvor eingeleitete Ermittlungsverfahren "mangels Tatverdacht" wieder einstellte.

Einige Mitarbeiter der CFM sollen sich nach rbb-Informationen im Juni 2021 wegen diesem und anderer Fälle auch an den Charité-Vorstand gewandt haben. Konsequenzen für die CFM-Verantwortlichen hatte das zunächst nicht. Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt.

Ein Blick in aktuelle Handelsregister-Auszüge zeigt, dass es in der Zwischenzeit CFM-intern Veränderungen gegeben hat: Ein Mitglied ist aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Ein weiterer Manager hat keine Prokura mehr. In der vergangenen Woche wurde der Aufsichtsrat über die Vorgänge informiert.

Verdi kritisiert Umgang der Charité mit Compliance-Meldung

Kalle Kunkel, Verdi-Vertreter im Charité-Aufsichtsrat, kritisierte die Charité-Verantwortlichen für ihren Umgang mit der Compliance-Meldung von Mitarbeitern der CFM im Sommer 2021. In einer Pressemitteilung hieß es, dass die Mitarbeiter "kurz nachdem sie die Meldung erstattet hatten, von Seiten der Geschäftsleitung gekündigt" worden seien.

Zugleich kritisierte Kunkel, dass der Aufsichtsrat (AR) der CFM kaum Informationen über die Compliance-Meldungen erhalten habe: "Bis heute liegen uns als Aufsichtsrat die konkreten Meldungen nicht vor, die bei CFM und Charité eingegangen sind, obwohl wir dies als Verdi-Vertreter*innen mehrfach eingefordert haben. Als Aufsichtsräte können wir damit unserer Kontrollfunktion seit über einem Jahr nicht nachkommen. Auch die Diskussion um die Kündigung der Hinweisgeber war nicht gewünscht."

Verdi forderte eine lückenlose Aufklärung sowohl der Compliance-Verstöße als auch des Umgangs mit den betriebsinternen Meldungen durch die Mitarbeiter. Außerdem soll der Senat umgehend einen Vertreter in den Aufsichtsrat der CFM entsenden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.03.2023, 18:00 Uhr

Beitrag von René Althammer, rbb24 Recherche

43 Kommentare

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  1. 43.

    Das ist auch schlimm genug. Verdi berichtet über unzureichende Informationsweitergabe seitens der Charité. Was deren Erachten nach dann zur Einstellung des ersten Verfahrens geführt hat. Es bleibt ein Skandal!

  2. 42.

    Die Justiz ist erst im zweiten Anlauf hinterher, beim 1. Mal wurde das Verfahren eingestellt.

  3. 40.

    Die MA sind nicht mißliebig, sie wollen lediglich, daß kriminelle Machenschaften unterbleiben und Gesetze eingehalten werden.

  4. 39.

    Wow, was für ein Skandal. Nach Anerkennung der Fakten hat sich die Charité fast 2 Jahre Zeit gelassen alle Vorwürfe gegen ihre Tochter auszusitzen und gehofft das sich alles in Wohlgefallen auflösen wird. Wie so oft! Jetzt, wo die Justiz hinterher ist, wird alles artig aufgearbeitet. Das ist bestimmt nur die Spitze des Eisberges und spricht Bände. Transparent ist das jedenfalls nicht. Die eigenen Interessen der Führungsetagen stehen anscheinend im Vordergrund.

  5. 38.

    Hä?? Was soll das? Alles in Ordnung mit Ihnen? Sonst auch immer so auf AfD-Niveau?
    Kopfschüttelnd: Rajko Peter Petrow

  6. 37.

    Natürlich ist die Charité eine Klinik innerhalb des öffentlichen Dienstes mit Tarifvertrag. Die CFM ist hingegen eine private Tochter der Charité, die als Dienstleister agieren soll. Komisch nur, dass die Klinikleitung scheinbar kein Aufklärungswillen besitzt. Statt die Mitarbeiter die jene Veruntreuung gemeldet haben zu kündigen, hätte man ja Mal gegen den CFM Vorstand vorgehen können.

  7. 36.

    Hallo, missliebige Mitarbeiter sind in jedem Unternehmen unerwünscht.....

  8. 35.

    Wie geil ist das denn??? Und da gibt bestimmt noch so viel mehr zu entdecken...endlich!!!!!

  9. 33.

    Hallo Jens die Charité ist ein Unternehmen im Besitz des Landes Bwrlin kein öffentlicher Dienst! Die sind rein privatkapitalistisch organisiert . Gewinnorientiert wobei die webigsten Krankenhauskonzerne Gewinn abwerfen Gewinne macht mann nur mit Privatversicherten und Luxusmedizin .

    Zu den anderen Kommenentaren Ich wart erstmal ab was die Staatsanwaltschaft und Gerichte sagen. Medien haben nur ein Teilwissen das sie veröffentlichen. Genaueres wird mann in Gerichtsverhandlungen bzw. staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen klären

  10. 30.

    Im vorletzten Abschnitt des Artikels.

    "Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt."

  11. 29.

    Da müsste noch soviel aufgedeckt werden....

  12. 27.

    Im Ernst?
    "Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt."
    So viele Buchstaben... ;-)

  13. 26.

    Vorletzter Absatz letzter Satz.

    "Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt"

  14. 24.

    @Lesen und vertehen: "Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt." Vorletzter Absatz.

  15. 23.

    -Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt.

    Im vorletzten Absatz.

  16. 22.

    "Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt."

    Richtig, lesen und verstehen.

  17. 21.

    "Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt."

  18. 20.

    Und was hat das mit dem Fall zutun?

    Zahlt ein Unternehmen für einfache Tätigkeiten den Mindestlohn haben die Mitarbeiter der Recht, den Unternehmer zu schädigen?

    Sie haben ja ne komische Rechtsauffassung

  19. 19.

    Es ist üblich, dass in so großen Unternehmen nicht jedes Jahr einen Tiefenprüfung durchgeführt wird.

  20. 18.

    Die Mitarbeiter müssen etwas angestellt haben, da ihnen sonst kaum gekündigt worden wäre. Gründe nennt der Beitrag nicht. Die Kündigungsgründe müssen ja nichts mit dem Vorgang zutun haben

  21. 16.

    Vorletzter Absatz!

    Einige Mitarbeiter der CFM sollen sich nach rbb-Informationen im Juni 2021 wegen diesem und anderer Fälle auch an den Charité-Vorstand gewandt haben. Konsequenzen für die CFM-Verantwortlichen hatte das zunächst nicht. Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt.

    Noch weitere Fragen?

  22. 14.

    An die Kommentatoren 2, 5, 7 und 11: Bitte wo im Artikel steht, dass die Tippgeber gekündigt worden sind?

  23. 13.

    Ein weiteres Beispiel für das BGE statt Mindestlohn!

    Natürlich muss auch das Hinweisgebergesetz endlich vollendet werden, die Berühmt-Berüchtigten haben es ja mal wieder verwässert und echten Schutz für Hinweisgeber verhindert.

  24. 11.

    Ich wüsste gerne warum die Tippgeber überhaupt bekannt waren zum "freistellen" und kündigen! Das interne System läuft anonym. Entweder hat die Anwaltschaft geschlampt oder das System funktioniert so gut wie alles Digitale in diesem Land. Aber schön, dass alle Mitarbeiter weiter aufgefordert werden Missstände mitzuteilen. Wenn das die Folgen sind macht das doch sicher jeder gern.

  25. 10.

    Ganz schöner Sauhaufen. Mangelnde Aufsicht usw. Schlimme Sache.

  26. 9.

    Das Märchen von einer öffentlichen Ausschreibung, tja dann wird so lange am dieser gefeilt das der Wunschanbieter am Ende auch der jenige wird. Ist bei der Bundeswehr so und allen anderen auch. Wieso glauben wir das es so was wie Korruption nicht gibt, nur weil es verboten ist?

  27. 8.

    Was waren denn die anderen 7 Fälle, wenn es insgesamt einen Millionenschaden gab? Der Softwarefall waren ja nur 330000 € Umsatz.
    Warum hat die Staatsanwaltschaft zuerst alles mangels Tatverdacht eingestellt?
    Es bleiben viele Fragen offen. Und alles in einem Unternehmen, das zu 100% dem Land Berlin gehört.

  28. 7.

    Und den Mitarbeitern die darauf hingewiesen haben wurde gekündigt. Ist ja ein tolles Klima.

  29. 5.

    Besonders 'toll' Mitarbeiter die auf Mißstände hinweisen werden gekündigt bzw. freigestellt! Da sollte wohl Schadenersatz drin sein und vor allem auf die Geschäftsführung extra geachtet werden.

  30. 4.

    Unfassbar gab es dort keine jährlichen Tiefenkontrollen

  31. 3.

    Den Arbeiter zähneknirschend den Mindestlohn bezahlen und den Rest immer schön in die eigene Tasche. Applaus für das Outsourcing.

  32. 2.

    Wenn die Hinweisgeber gekündigt werden, deutet das auf einen riesigen Sumpf hin, da dann auch die Personalabteilung und die Rechtsabteilung eingebunden werden müssen. Wenn die keine kritischen Fragen stellen, liegt es nah, dass sie auch Dreck am Stecken haben.

  33. 1.

    Watt?

    Und das im öffentlichen Dienst?

    Ist ja wie bei Vonovia!

    Charité enteignen!

    Ups, gehört ja schon der öffentlichen Hand?

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