Personalmangel in der Pflege - "Eigentlich bewerben sich die Krankenhäuser bei den Pflegekräften"

So 05.03.23 | 07:27 Uhr | Von Alexander Goligowski
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Jana Humberdros, Pflegedirektorin der Klinik Ernst von Bergmann Bad Belzig. (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 | 26.02.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: rbb

Überall fehlen Pflegekräfte. Die Lage ist besonders auf dem Land in Brandenburg angespannt, weil hier der Personal-Pool noch kleiner ist. Um Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen, sind kreative Ideen gefragt. Von Alexander Goligowski

Welche Pflegekraft könnte von der Spätschicht in die noch unbesetzte Nachtschicht wechseln? Kann dafür eine Leasing-Kraft die Spätschicht übernehmen? Jana Humberdros ist an vielen Tagen über Stunden damit beschäftigt, Löcher im Dienstplan zu stopfen. Die Personaldecke ist dünn. "Immerhin ist es uns gelungen, wieder so viele Betten zur Verfügung zu stellen wie vor der Corona-Pandemie", zeigt sich die Pflegedirektorin der Klinik Ernst-von-Bergmann in Bad Belzig leidlich zufrieden. "Das reicht aber noch längst nicht, um unseren eigentlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen", betont sie aber auch. "Laut Landeskrankenhausplan müssten wir 163 stationäre Betten vorhalten. Wir sind bei 145", beschreibt Jana Humberdros die Lage.

Untergrenze soll für bessere Betreuung sorgen

Auf der geriatrischen Station muss derzeit die Hälfte der Betten leer bleiben. Personal hier im Fläming fehlt, und die Pflegeuntergrenze schreibt vor wie viele Patienten und Patientinnen von einer Pflegekraft betreut werden dürfen. Laut Bundesgesundheitsministerium sind in der Geriatrie zehn Patienten pro Pflegekraft in der Tagschicht vorgesehen und 20 Patienten pro Pflegekraft in der Nachtschicht.

Für die Pflege an sich sei diese Grenze ein Gewinn, sagt Jana Humberdros. Sie schone die Gesundheitspflegerinnen und Gesundheitspfleger und sorge für eine bessere Patientenbetreuung. Dadurch können aber auch bei Personalmangel nicht alle Betten genutzt werden. "Für mich als Pflegedirektorin ist es ein ständiger Kampf, die Pflegeuntergrenze einzuhalten", sagt Jana Humberdros.

Für mich als Pflegedirektorin ist es ein ständiger Kampf, die Pflegeuntergrenze einzuhalten. Für die Pflege an sich ist sie ein Gewinn.

Jana Humberdros, Pflegedirektorin der Klinik Ernst-von-Bergmann in Bad Belzig

Pflegekräfte halten mit persönlichem Einsatz

Jana Humberdros ist Chefin von 170 Pflegekräften. Eigentlich hat sie einen Büro-Job und doch hilft die Pflegedirektorin regelmäßig in den Stoßzeiten aus: um den Bezug zur Arbeit nicht zu verlieren, aber auch um ihre Leute zu entlasten. "Wenn mal jemand fehlt, hilft es viel, wenn ich statt um halb acht schon um sechs Uhr zum Dienst erscheine und die Kolleginnen und Kollegen bei der Morgenarbeit ein paar Stunden unterstütze." Die Pflegekräfte freut das, und so etwas sorgt auch für ein familiäres Umfeld. Und genau darum geht es auch: Das Personal, das bereits da ist, muss gehalten werden. Zwischen den Krankenhäusern ist ein Kampf um jede Arbeitskraft entbrannt. Abwerbeversuche gibt es ständig.

Schichtmodell an Lebensumständen angepasst

Zu gewinnen ist dieser Kampf auch durch persönliches Engagement. Nicole Prinz konnte sie vor fast einem Jahr als Stationsleiterin auf der Intensivstation engagieren. Für die alleinerziehende Mutter ist der Schichtbetrieb eine große Herausforderung. "Wir haben hier ein flexibles Schichtmodell, das sich möglichst den Lebensumständen der Pflegekräfte anpasst. Frau Humberdros hat für mich eine Lösung gefunden, wie ich Job und Privates unter einen Hut kriege. Und selbst wenn die erste Lösung nicht funktioniert hätte, hätte sie einen Plan B für mich gehabt." Auch Überstunden gibt es in Bad Belzig kaum.

Das sorgt für Zufriedenheit - und für Jana Humberdros ist es eine ganz einfache Rechnung: "Um beruflich Leistung zu bringen, muss es zu Hause stimmen. Wenn da irgendwas knirscht, muss man gucken, wie man da unterstützen kann." Denn sonst ist die gewonnene Pflegekraft ganz schnell wieder weg. Und Pflegekräfte zu gewinnen, ist noch der weitaus härtere Job der Pflegedirektorin.

Schneller sein als die Konkurrenz

Wenn eine Bewerbung von einer Gesundheitspflegerin oder einem Gesundheitspfleger in Bad Belzig eintrudelt, dann ruft Jana Humberdros innerhalb von 24 Stunden zurück. Sie muss schneller sein als die Konkurrenz in Luckenwalde, Treuenbrietzen oder Brandenburg an der Havel. Einmal am Haken, versucht sie die Pflegkraft nicht wieder loszulassen. "In gewisser Weise ist die Situation jetzt so, dass sich eigentlich die Krankenhäuser bei den Pflegekräften bewerben. Denn die können sich weitestgehend aussuchen, wo sie arbeiten wollen." Geld ist das beste Lockmittel und davon wirft die Bergmann-Klinik einiges in die Waagschale.

Eigentlich bewerben sich die Krankenhäuser bei den Pflegekräften.

Jana Humberdros, Pflegedirektorin der Klinik Ernst-von-Bergmann Bad Belzig

Ganz neu in Bad Belzig ist Melissa Weinhart. Die Gesundheitspflegerin wohnt in Lutherstadt Wittenberg und arbeitete zuvor in Luckenwalde. Den 40 Kilometer langen Arbeitsweg nimmt sie in Kauf, weil die Bergmann-Klinik ihr Zulagen zahlt. "Erstmal gibt es hier ein Begrüßungsgeld. Das ist schon eine schöne Sache, und das gibt es nicht überall. Außerdem bekomme ich eine Tankzulage, sowas kenne ich sonst gar nicht."

Jana Humberdros, Pflegedirektorin der Klinik Ernst von Bergmann Bad Belzig. (Quelle: rbb)
In der Pflege gibt es ständig Abwerbeversuche | Bild: rbb

300 bis 500 Euro erhalten die Pflegekräfte in Bad Belzig, wenn ihr Fahrweg länger ist als 20 Kilometer. Gerade auf dem Land ist dieses Angebot verlockend. Entstanden ist die Idee aus vielen Bewerbungsgesprächen, die Jana Humberdros geführt hat. "Mir haben die Leute gesagt, dass sie gern kommen würden, aber in ihrer Region bekommen sie das gleiche Geld und haben den Fahrweg nicht."

Bezahlen muss das Krankenhaus diese Zulagen aus eigener Tasche. Dennoch rechnet es sich. Denn jedes Bett mehr, bedeutet mehr Patienten und mehr Einnahmen. Und dem Versorgungsauftrag kommt die Klinik in Bad Belzig auch ein Stück näher.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 26.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Alexander Goligowski

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ja, ich hatte selbst ein Unternehmen und habe mit meinem gesamten Vermögen gehaftet. Anders diese Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Es war ein Fehler, dass in den 1990ern vieles privatisiert wurde. Das macht alles extrem teuer, denn es werden die Rendite geplant, ohne Rücksicht. Gesundheitswesen, Energiebetriebe und weiteres wurde privatisiert und für viele ist die Energie kaum noch bezahlbar. Die Bewag in Berlin mußte für Preiserhöhungen entsprechende Anträge mit Begründung stellen.

  2. 20.

    Was ist das für eine Andeutung? Wer nicht "psychisch labil ist"... ? Die Menschen machen diesen Beruf gerne, mit der Zeit ist man halt ausgelaugt. Ist doch Menschlich oder? Wer kann schon bis 65 unter diesen Umständen noch "psychisch stabil" bleiben? Die Betreiber müssten oder dürften halt nicht soviel absacken. Dann klappt das auch mit der Lohnerhöhung.

  3. 19.

    "Vielen Dank" an die katholische Kirche, die seit Jahren einen einheitlichen Tarifvertrag verhindert. Scheint mir nicht besonders christlich zu sein...

  4. 18.

    Was hat denn bitte Burnout mit psychischer Instabilität zu tun.
    Viele pflegekräfte arbeiten seit mehreren Jahren am Limit.
    Die corona Pandemie hat es nur noch schlimmer gemacht.
    Wer Burnout als psychische Instabilität bezeichnet hat wohl am ehesten nichts in der Pflege zu suchen.
    Empathie gleich null und die letzten Jahre ignorant verschlafen.
    Man könnte fast denken sie befinden sich in politischer Verantwortung, die Symptomatik ist die gleiche.

  5. 17.

    Ja, enteignen.

    Machen Sie es selber!

    Werden Sie Unternehmer, wenn Sie noch keiner sind.

    Ansonsten heiße Luft, mehr nicht.

  6. 16.

    Leider haben die Kommunen nicht die Möglichkeit, mehr Geld für Löhne auszugeben. Wo soll das Geld auch herkommen?

    Dann werden die Mitarbeiter in der Verwaltung für gleiches Geld mehr arbeiten müssen, da offene Stellen nicht besetzt werden können

    Bürger müssen damit leben, dass Schulen nicht modernisiert oder gebaut werden oder aber die Grundsteuer stark angehoben wird. Diese wird sich durch das neue Gesetz eh stark erhöhen

    Die Arbeitgeber haben ein Angebot von etwa 8 % gesamt unterbreitet.

  7. 15.

    Es geht schon anders, einfach die Rendite von nahe 20 % auf 5 % senken.
    Schlimm genug, wenn die Pflegekosten und was dazu gehört zu knapp 20 % in den Taschen der Investoren landet.
    Nicht vergessen die Aktien der Pflegeunternehmen übersteigen deutlich die Milliardenunternehmen wie der Autohersteller. Das macht das Wirtschaften in den Bereichen der Gesundheitswirtschaft zur Abzockerei.

  8. 14.

    Die Betreuungsasseistenten, die von den Pflegekassen finanziert werden, haben dieses Jahr bei uns eine gute Lohnerhöhung mit monatlicher Betreuungzulage bekommen.
    Das Problem ist, diese Stellen werden meist nur Teilzeit gesucht.
    Viel schlimmer dran sind die Hauswirtschaftskräfte, die absolut keine Lobby haben und in Berlin absolut unterbezahlt sind. Verständlich, das keiner mehr in diesen undankbaren Bereich arbeiten möchte, da der ständige Gang zum Jobcenter droht.

  9. 13.

    Betreuer sind ja auch keine Pflegekräfte und schon gar keine examinierten

  10. 12.

    Studieren, Büro, Verwaltung sind attraktiver? Dann werden diese zu gut bezahlt ! Sollte umgedreht werden, dass diejenigen, die all das erwirtschaften was die anderen verbrauchen besser gestellt werden. Die last Generationn, Fridays und Klimakleber ducken sich vor produktiven Jobs weg. Zu fein für Handwerker und Pflege etc.
    Jedenfalls habe ich noch nicht mitbekommen, dass bei diesen Gruppen auffällig viele Handwerker- Pflege- Verkäufer- Produktionsazubis dabei wären. Eigentlich is mir kein einziger bekannt.

  11. 11.

    Es ist ein Irrglaube zu denken, dass Geld alles heilt.

    Geld heilt keinen Burnout.

    Junge Leute können viele andere schöne Dinge studieren, z. B. Soziologie, GenderStudies, Linguistik, Religionswissenschaften.

    Was macht man lieber fürs gleiche Geld?

  12. 10.

    Erstaunlicher Weise funktioniert bei den Löhnen die Marktwirtschaft in Deutschland überhaupt nicht. Dann gäbe es bei den privaten nämlich keine Betreuungskräfte mehr. Die kirchlichen Betreiber sind ja schon lange dabei die Löhne niedriger anzusetzen, weil ein Teil das Lohnes mit dem Glauben verrechnet wird. Auch bei Ärzten.

  13. 9.

    Burnout?

    Wer psychisch nicht stabil ist, hat in der Pflege nichts zu suchen.

    Letztlich bedeutet mehr Personal auch höhere Kosten und somit höhere Kassenbeiträge. Aber bei einer Erhöhung jammert ja halb Deutschland wieder rum

  14. 8.

    Die Löhne für examinierte Kräfte ist schon jetzt gut. Die Ausbildung ist sinnvoll strukturiert.

    Sie gehören sicherlich zu den Bürgern, die das Examen ohne Gegenleistung verschenken würden?

    Es gibt in Deutschland viel zu viele Krankenhausbetten. Wenn man Betten abbaut, kann man das freigesetzte Personal zur besseren Versorgung einsetzen

  15. 7.

    Das ist ja alles schon und gut. Jede Kostensteigerung legt der Heimbetreiber auf die Bewohner um. Anders geht's ja nicht.

    Aktuell meckern viele Bürger über die Kostenexplosion in Heimen.

    Wenn die Kosten in Krankenhäusern steigen, müssen auch die Kassenbeiträge steigen. Irgendwo müssen die Kosten für Mehrausgaben ja herkommen.

    Übrigens gibt's in Deutschland viel zu viele Krankenhausbetten. Bettenabbau kann auch Kosten senken.

  16. 6.

    Offenbar ist der Lohn so, dass es keine Flut in die Pflege-Einrichtungen gibt.
    Betreuer verdienen deutlich weniger.
    Veröffentlichen Sie doch mal die Jahresgehälter anderer Berufsgruppen!
    Damit wir einen Vergleich haben.
    Das Gehalt in Pflegeheimen spiegelt nicht die Lobeshymnen wieder.
    Aber offenbar sind die Lobeshymnen ganz bewusster Teil des Lohns.

  17. 5.

    Investorengestützte Modelle. Die sind das Grundübel. Die Bezahlung ist bereits jetzt OK, WENN die geregelten Betreuungsschlüssel auch eingehalten würden !
    EIN Gesetz würde hier bereits die Lösung bieten: "Arbeitet ein MA in der Pflege mehr, als es nach Betreuungsschlüssel geregelt ist, dann gibts an einem solchen Tag eben für alle Arbeitsstunden einen 100%-Zuschlag !"
    Man kann kein Pflegeheim betreiben (jedenfalls nicht menschenwürdig) wenn nicht bestimmte Schlüssel an Lohnkosten für das pflegende Personal aufgewendet werden !

    Das Geld, das eigentlich ZUSÄTZLICHE KRÄFTE erhalten müssten (um die vorhandenen zu entlasten, und denen ohne ein Cent mehr eine leistungsgerechte Bezahlung zu bieten) wandert derzeit in schwedische Pensionsfonds, amerikanische Fonds, etc. . Da werden Gewinne eingestrichen, indem Praktikanten das leisten sollen, was 2 zu bezahlende Vollzeitkräfte lt Schlüssel leisten sollen. Die Praktikanten studieren dann nach den Erfahrungen lieber Philosophie.

  18. 4.

    Bekommen Pfleger +\-

    Ab wieviel würden sich mehr Leute für
    Den Job entschieden?

  19. 3.

    Das Entgelt während der Ausbildung ist nicht schlecht, nach der Ausbildung auch nicht. Die Arbeitsumgebung könnte besser sein.

  20. 2.

    Man muss die Leute nur ordentlich bezahlen.
    Ebenso könnte man die Pflegeausbildung so attraktiv machen, dass sich sämtliche junge Menschen und Quereinsteiger um die Arbeitsplätze reißen würden.
    Man muss sich eben nur kümmern und die richtigen politischen Entscheidungen treffen.

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