Bilanz der endenden Saison - Kältehilfe fordert mehr Unterstützung zur Betreuung Obdachloser

Do 20.04.23 | 15:19 Uhr
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Zwei Mitarbeiter:innen des Wärmebusses sprechen mit einem Obdachlosen (Bild: dpa/Christophe Gateau)
Audio: Radioeins | 20.04.2023 | Bastian Sorge | Bild: dpa/Christophe Gateau

Träger der Berliner Kältehilfe-Einrichtungen fordern eine bessere Finanzierung, geeignete Immobilien und Qualitätsstandards für die Unterbringung obdachloser Menschen.

Die Vorständin der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Andrea Asch, sagte am Donnerstag, Kältehilfe könne nicht mehr ausschließlich von Ehrenamtlichen getragen werden: "Der Bedarf an Kältehilfeplätzen steigt."

Auslastung so hoch wie zuletzt 2016

Der vergangene Winter habe gezeigt, dass das Kältehilfesystem zwar gut organisiert, aber überfordert sei. Die diesjährige Berliner Kältehilfesaison endet am 30. April. In den vergangenen sieben Monaten stellten soziale Träger und kirchliche Organisationen in Kooperation mit den Bezirken nach eigenen Angaben im Durchschnitt täglich 1.043 Plätze zur Übernachtung für obdachlose Menschen zur Verfügung. Die Auslastung sei so hoch gewesen wie seit 2016 nicht mehr, hieß es.

Zwar sei die Zahl der Plätze aufgestockt worden, doch auf dem angespannten Berliner Immobilienmarkt hätten die Träger weniger Raum als in der Vorsaison gefunden. So seien einige Einrichtungen in besonders kalten Nächten erheblich überbelegt gewesen. Zudem seien in diesem Winter wieder vermehrt Menschen mit psychischen Erkrankungen und Suchterkrankungen sowie pflegebedürftige und rollstuhlfahrende Menschen in den Kältehilfe-Einrichtungen versorgt worden.

Bis 80 Prozent der Obdachlosen psychisch beeinträchtigt

Asch forderte für die Kältehilfe "dauerhaft sichere geeignete Räumlichkeiten". Zudem sei eine auskömmliche Finanzierung nötig, betonte sie: "Es kann nicht sein, dass Ehrenamtliche schwer pflegebedürftige Wohnungslose versorgen müssen." Nötig sei eine Professionalisierung des Systems. Sabrina Niemietz von der Koordinierungsstelle sagte bei der Vorstellung der Bilanz der Kältehilfe, es gebe zudem vermehrt obdachlose Menschen, die keinen Zugang zur Kältehilfe fänden, da sie aufgrund psychischer Einschränkungen nicht ansprechbar seien. Zudem würden Betroffene teils aus Kliniken "in die Obdachlosigkeit" entlassen.

Die Sprecherin der Berliner Stadtmission, Barbara Breuer, sagte, bis zu 80 Prozent der Menschen, die auf der Straße lebten, hätten psychische Beeinträchtigungen: "Niemand fährt freiwillig mit einem amputierten Bein in seinem eigenen Kot sitzend den ganzen Tag im Rollstuhl herum."

Sendung: Radioeins, 20.04.2023, 14 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Wenn RRG jeden einlädt, nach Berlin zu kommen und gleichzeitig den Wohnungsbau blockiert, kommt auch so etwas heraus. Mittlerweile muss man als Normalverdiener schon froh sein, sich eine andere Wohnung leisten zu können. Gerade die Linke ist auf unzufriedene Wähler angewiesen. Die haben sich aber längst eine Alternative gesucht. Viele erinnern sich noch, dass Vergesellschaftung allein bereits damals keinen neuen Wohnraum geschaffen hatte sondern stattdessen der Bestand verfiel.

  2. 4.

    Da sind wir wieder an dem Punkt, dass nicht jeder (Obdachlose) ein Anrecht auf Sozialleistungen hat, ergo auch keine KV. Würde der Staat diese Tür öffnen, wär unser Sozialsystem im Argen.
    Grundsätzlich hat jeder Anspruchsberechtigte die Möglichkeit Bürgergeld o.ä. zu beziehen, die Voraussetzung ist hierbei die postalische Erreichbarkeit. Jeder könnte seine Regelleistung und den Versicherungsschutz bekommen. Das löst aber das Problem der fehlenden Unterkunft und ggf Betreuung nicht. Es müssen mehr Möglichkeiten her um Obdachlose (erstmal unabhängig von einer Beeinträchtigung) aufzufangen, in ein Leben zu leiten und dann (wieder) zu integrieren.

  3. 3.

    Bei allem Respekt, den ich vor diesen Organisationen habe....
    Selbst wenn sie ausreichend "sichere Räume" hätten, wer würde denn dort die beschriebenen Kranken versorgen? In den Kliniken wird den Menschen geholfen und oft genug bleiben die Kliniken auf den Kosten sitzen, weil die Menschen nicht krankenversichert sind. HIER müsste mal eine Lösung geschaffen werden, dann könnten die Leute auch in ein Pflegeheim.

  4. 2.

    Vielleicht sollten die Politiker mal dafür sorgen, dass nicht weitere Menschen in die Obdachlosigkeit stürzen aufgrund absurder Mieten und massiver Wohnungsnot.
    Vor kurzem wurde uns noch verkündet, dass Menschlichkeit keine Obergrenze kenne, und wo bleibt die notwendige Unterstützung für die Kältehilfe?

  5. 1.

    "Zudem würden Betroffene teils aus Kliniken "in die Obdachlosigkeit" entlassen.=
    "Niemand fährt freiwillig mit einem amputierten Bein in seinem eigenen Kot sitzend den ganzen Tag im Rollstuhl herum."

    Jeder Senat der letzten Jahre in Berlin sollte sich einfach schämen!

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