Debatte um "Letzte Generation" - Berliner Senat will "sehr konsequent" gegen Klima-Blockierer vorgehen

Do 25.05.23 | 17:28 Uhr
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Polizisten kommen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg aus einem Gebäude. Polizei und Staatsanwaltschaft haben im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.05.2023 | Jessica Wiener | Bild: dpa/Christoph Soeder

Ist die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung oder nicht? Mit dieser Frage befassen sich nicht nur Justizbehörden in Bayern und in Berlin. Auch in der Politik wird heftig diskutiert, ob die bundesweite Razzia gegen die Gruppe angemessen war.

Die bundesweite Großrazzia gegen Mitglieder der "Letzten Generation" hat in Berlin und Brandenburg eine neue Debatte über den Umgang mit den Anhängern der Klima-Protestgruppe entfacht.

Im Abgeordnetenhaus verurteilte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Donnerstag die Straßenblockaden der Klimaschutzgruppe Letzte Generation scharf. Es müsse dafür gesorgt werden, dass diese Blockaden ein Ende haben, verlangte der CDU-Politiker. Viele Berlinerinnen und Berliner seien nach seiner Einschätzung mittlerweile wirklich genervt. "Sie sind nicht genervt vom Klimaschutz, sondern sie sind genervt von diesen Aktionen", so Wegner. "Wir sagen klar Ja zum Klimaschutz, aber Nein zu diesen Aktionen."

Wegner sprach sich nicht für klares Nein zu Selbstjustiz aus

Wegner unterstrich, dass dem Senat ein klimaneutrales Berlin wichtig sei. "Ich würde gerne viel häufiger über Klimaschutzmaßnahmen sprechen, über die Klimaziele, die wir erreichen wollen, als ständig über diese gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr, über die Sachbeschädigungen, die wir derzeit haben." Wegner weiter: "Wir werden nicht länger zulassen, dass einige wenige dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen, und einige wenige diese Stadt in den Stau legen." Der Senat wolle "sehr konsequent dagegen vorgehen" und prüfe dazu weitere Maßnahmen.

Ein klares Nein zu Selbstjustiz durch empörte Autofahrer gegen die Aktivisten wollte Wegner sich aber auch durch mehrere Nachfragen in einer Fragestunde des Berliner Abgeordnetenhaus nicht abringen lassen. Die Antwort übernahm dann die SPD-Innensenatorin Iris Spranger: Die Berliner sollten warten, bis die Polizei kommt. Straftaten gegen Klimaaktivisten würden genauso verfolgt wie gegen die Protestierer selbst.

Innenausschussvorsitzende uneins mit SPD-Innensensatorin

Unterdessen warf die Vizefraktionschefin der SPD im Abgeordnetenhaus und Vorsitzende des Innenausschusses, Melanie Kühnemann-Grunow, der bayerischen Staatsanwaltschaft vor, mit der Razzia am Mittwoch über das Ziel hinausgeschossen zu sein.

Kühnemann-Grunow räumte am Donnerstag im rbb24 Inforadio allerdings ein, dass die Gruppe die Aktion provoziert hat. Wahrscheinlich gehe es der "Letzten Generation" aber genau darum, zu provozieren. Dennoch sei das Ziel der Gruppe, für den Klimaschutz einzustehen nicht kriminell, so Kühnemann-Grunow. Sie rief dazu auf, mit den Demonstranten zu sprechen - zum Beispiel darüber, wie Berlin klimaneutral werden kann.

Innensenatorin Spranger widersprach ihrer Parteikollegin. Sie werde sich nicht mit Straftätern an einen Tisch setzen.

Brandenburger CDU-Landeschef befürwortet Razzia

Mit einer Razzia waren Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwochmorgen gegen die Klimaschutzgruppe vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten bestreiten vehement, kriminell zu sein.

Brandenburgs CDU-Landeschef Jan Redmann hatte die Durchsuchungen am Mittwochabend verteidigt. Redmann sagte in einem rbb24 spezial, es habe Angriffe auf Braunkohletagebaue gegeben, auf die PCK-Raffinerie in Schwedt und den Flughafen BER. Die Gruppe gehe organisiert vor. Ihre Teilnehmer verabredeten sich zu Straftaten, so Redmann. Was sei das, wenn nicht eine kriminelle Vereinigung, fragte er rhetorisch.

Justizsenatorin nennt Aktionen "irritierend" und "unverantwortlich"

Ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt, lässt derzeit auch Berlins neue Justizministerin Felor Badenberg (parteilos) prüfen. Die Blockade-Aktionen der Aktivisten bezeichnete Badenberg als "irritierend" und "unverantwortlich". "Wer trägt die Verantwortung, wenn da jemand zu spät ins Krankenhaus kommt?", so Badenberg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Wir als Gesellschaft können es nicht gutheißen, dass hier Menschen mittels Gewalt ihren Willen durchsetzen wollen, ich finde das absolut unverantwortlich."

Natürlich sei es gut, dass sich junge Menschen für Politik interessieren, auf die Straße gehen und demonstrieren würden. "Was mich bei der 'Letzten Generation' irritiert, ist die gewählte Protestform. Ich finde es belastend, dass die Aktivisten andere Menschen mittels Gewalt - im juristischen Sinne - tagtäglich nötigen."

Weiter kritisierte die Senatorin: "Es gibt Menschen, die ihre Kinder nicht pünktlich von der Kita abholen können, nicht zu ihren pflegebedürftigen Eltern gelangen bis hin zu Geschäftsleuten, die Termine nicht wahrnehmen können, Flüge verpassen, finanzielle Einbußen haben." Viel wichtiger sei für sie aber die Tatsache, "dass unter anderem Rettungswagen und Feuerwehrwagen behindert werden und verspätet eintreffen", sagte Badenberg. "Wir hatten Fälle, bei denen es unter anderem einen Verdacht auf Schlaganfall gab mit Atemnot und Herzbeschwerden und bei denen der Rettungswagen circa 26 Minuten später eingetroffen ist."

Klimagruppe kündigt Ausweitung der Proteste an

Die bundesweite Razzia hat derweil laut Angaben der "Letzten Generation" von Donnerstag eine Welle der Unterstützung ausgelöst. Die Gruppe sei seit "gestern stärker als je zuvor", schrieb die Klimaschutzgruppe in einer Mitteilung. Nach den Durchsuchungen hatten die Aktivisten in vielen Städten zu Protestmärschen, unter anderem in Berlin und München, aufgerufen. Die Demonstration in der Hauptstadt am Mittwochabend sei die größte bislang gewesen, hieß es weiter. Mehrere hundert Teilnehmer waren gekommen.

Zudem habe die Gruppe viele Spenden erhalten und kündigte an, ihre Proteste wie geplant auszuweiten. "Wir merken, dass ganz, ganz viel Unterstützung gerade kommt. Wir wachsen und wir werden unseren Protest weiter ausweiten, weil wir machen das ja nicht zum Spaß", sagte Raphael Thelen, Aktivist der "Letzten Generation", am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin".

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.05.2023, 13:00 Uhr

125 Kommentare

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  1. 125.

    Was bitte ist denn ein Klima-Blockierer?

  2. 124.

    Verschwörungsverschwurbeleien von ganz weit rechts außen, wie man sie von ihnen gewohnt ist.

    Badenberg will eine politische Justiz, die wurde aber 1945 abgeschafft. Sie sollte sich mal lieber um wirtliche Kriminelle kümmern, wie z.B. den Spendenskandal der Berliner cDU.

    In Potsdam war man btw. schon 2017 weiter und hat eine Soko gegründet. "In Potsdam, das bis zum vergangenen Jahr eine der höchsten Diebstahlraten in Deutschland hatte (1249 geklaute Fahrräder auf 100 000 Einwohner) setzte man eine Soko auf das Problem an. Seither hat sich die Aufklärungsquote mehr als verdoppelt, auf 24 Prozent, und die Aktivität der Diebe ging – wenn auch nur leicht – zurück. Das Signal: Fahrraddiebstahl ist kein Bagatelldelikt."

    "Für das vergangene Jahr schätzt die Berliner Innenverwaltung den Diebstahlsschaden auf 22 Millionen Euro. In diesem Jahr dürfte der Schaden also noch deutlich höher liegen, zumal die Preise für Fahrräder weiter gestiegen sind."

  3. 123.

    Die Senatorin lässt, wie vergangenen Sonntag der RBB berichtet hatte, prüfen, ob die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung sei. Erwarten Sie ernsthaft, dass die unter RRG eingesetzte Staatsanwaltschaft seitdem genug neues Material zusammengetragen hat, dass die damit vor einen Richter treten wollen?

    Die Aufregung der neuen Oppositionsparteien, die per Federstrich von Parteifunktionären Fahrraddiebe zu organisierten Kriminellen erklärt hatten, könnte aber in eine Phantomdebatte münden. Da die LG bundesweit Straftaten begangen hat, wird das Verfahren zentral bei der Staatsanwaltschaft im München geführt. Andere Bundesländer müssen den Bayern nur noch Amtshilfe leisten.

  4. 122.

    Richtig so. Eine Minderheit darf eine Mehrheit nicht erpressen und nötigen. Wenn der Staat seine Bürger nicht schütz, werden diese selbst wahrhaftig.

  5. 121.

    Die zuständige Senatorin wollte prüfen. Ist eine Weile her. Ist inzwischen die Prüfung beendet und zeichnet sich ab, wie das Ergebnis der Prüfung aussieht?

  6. 120.

    Die Zahlen sind etwas irreführend, es ist der gesamte CO2-Ausstoß des Transportwesens weltweit. Das beinhaltet nicht inwieweit das Auto daran beteiligt ist. Wenn sie Zahlen nennen sollten Sie wenigstens korrekt sein und nicht aus dem Zusammenhang gerissen oder einfach in den Raum geschmissen. Europaweit waren es 21,6%, des Transportwesens. Auch hier keine genauen Angaben inwieweit der Individualverkehr dazu beigetragen hat.

  7. 119.

    Meine Güte, bei solchen Äußerungen fehlen einem einfach die Worte. "Dennoch sei das Ziel der Gruppe, für den Klimaschutz einzustehen nicht kriminell,..." Ja, ach was. Dass das Ziel kriminell sei, hat meines Wissens auch noch nie jemand behauptet. Die Methoden dazu sind aber fragwürdig.

  8. 118.

    Der Senat sollte sich um Wohnungsbau und andere wichtige Themen kümmern!

  9. 117.

    " Insofern ist es logisch, an dieser Stelle- auf der Straße- auf dieses Problem aufmerksam zu machen. "
    Die Logik erschließt sich mir nicht. Ich weise also auf das vorhandene Verkehrs- und Umweltproblem hin, indem ich es verschärfe. Mit dem Auto zur Stauparty und weil alle vom Stau Betroffenen auch ökologisch denken, machen die natürlich auch den Motor aus und stehen im Sommer ohne Klima, im Winter ohne Heizung mal so rum. Klar, wer das logisch findet, behandelt Zahnschmerzen auch mit Würfelzucker - von der Sache mit dem Zitronenfalter mal abgesehen.

  10. 114.

    "Um meine Zukunft ist mir nicht bange... aber um die meiner Kinder und Enkel." - bei der Zeugung war das sicher noch kein Thema schätze ich mal.
    Oder kamen die Einsichten und Ansichten zum Planeten Erde und dem Klima est durch Corona.
    Vielleicht wäre damals der Gedanke (und das Handeln) "erst das Klima anpassen, dann den Vermehrungsakt!" besser gewesen.
    Hätte das die Menschheit vor 50 Jahren schon vor Augen gehabt, hätten wir seit dem nicht die Verdoppelung der Pop(p)ulation.

  11. 113.

    Nach der ADAC-Staubilanz gab es 2021 insgesamt 58.141 Staus auf Berliner Autobahnen. Die Gesamtlänge der Staus in Berlin bezifferte der ADAC auf 43.858 km.Die meisten Staukilometer gibt es übrigens auf der A100.Interessante Schätzfrage: Wieviel Prozent der Staus wurden von Klimaaktivisten verursacht ?
    Zur Erinnerung: Das eigentliche Thema ist, dass die Menschheit seit ca. 200 Jahren grosse Mengen Kohlendioxid und andere Schadstoffe in die Atmosphäre bläst. Dass Wissenschaftler seit Jahren warnen, dass die Atmosphäre das in absehbarer Zeit nicht mehr aushält. Und dass ein Ziel festgelegt wurde, den CO2 Ausstoß zu begrenzen, damit sich die Erde nicht mehr als um 1,5 Grad erhitzt. Auf den Autoverkehr fallen 20 % des CO2 Ausstoßes, wenn man verdeckte Kosten miteinrechnet 28%. Insofern ist es logisch, an dieser Stelle- auf der Straße- auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

  12. 112.

    Nach der ADAC-Staubilanz gab es 2021 insgesamt 58.141 Staus auf Berliner Autobahnen. Die Gesamtlänge der Staus in Berlin bezifferte der ADAC auf 43.858 km.Die meisten Staukilometer gibt es übrigens auf der A100.Interessante Schätzfrage: Wieviel Prozent der Staus wurden von Klimaaktivisten verursacht ?
    Zur Erinnerung: Das eigentliche Thema ist, dass die Menschheit seit ca. 200 Jahren grosse Mengen Kohlendioxid und andere Schadstoffe in die Atmosphäre bläst. Dass Wissenschaftler seit Jahren warnen, dass die Atmosphäre das in absehbarer Zeit nicht mehr aushält. Und dass ein Ziel festgelegt wurde, den CO2 Ausstoß zu begrenzen, damit sich die Erde nicht mehr als um 1,5 Grad erhitzt. Auf den Autoverkehr fallen 20 % des CO2 Ausstoßes, wenn man verdeckte Kosten miteinrechnet 28%. Insofern ist es logisch, an dieser Stelle- auf der Straße- auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

  13. 111.

    "Um meine Zukunft ist mir nicht bange... aber um die meiner Kinder und Enkel." - bei der Zeugung war das sicher noch kein Thema schätze ich mal.
    Oder kamen die Einsichten und Ansichten zum Planeten Erde und dem Klima est durch Corona.
    Vielleicht wäre damals der Gedanke (und das Handeln) "erst das Klima anpassen, dann den Vermehrungsakt!" besser gewesen.
    Hätte das die Menschheit vor 50 Jahren schon vor Augen gehabt, hätten wir seit dem nicht die Verdoppelung der Pop(p)ulation.

  14. 110.

    "Klimaaktivisten – angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen – haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je", sagte der Sprecher von Uno-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric, in New York. Guterres' Sprecher gab aber auch zu bedenken, dass Regierungen trotz des Grundrechts auf friedliche Demonstrationen natürlich die Verantwortung hätten, Gesetze durchzusetzen und die Sicherheit zu gewährleisten.

    Gegen friedliche Demonstrationen hat hierzulande niemand etwas einzuwenden. Es ging bei der Razzia aber um organisiert verübte Straftaten, die nicht durch das Grundgesetz geschützt sind.

  15. 109.

    Das Problem und die Verweigerung jeglicher Diskussion liegt in der behaupteten Berufsbezeichnung.

  16. 108.

    Nur mal so:

    Hamset nich en bisken kleener?

    Oder anders: Die LG spart mit den eingenommenen Spenden auf den ersten Atomsprengkopf. ( Ist genau so sinnvoll und wahrscheinlich wie Ihre Phantasie. )

  17. 107.

    "Sie werde sich nicht mit Straftätern an einen Tisch setzen"
    sagt Frau Spranger.

    Das ist doch mal eine Aussage von ihr die ich sehr gut nachvollziehen ind verstehen kann.

  18. 106.

    Ich Frage mich wer Unterstützt die Leute , dann sollen Sie doch auch Öffentlich dazu sehen und sich Zeigen. Mit Erpressung hat man noch nie was Gewonnen im Gegenteil mehr gegen sich Aufgebracht . Last Sie Kleben und leidet den Verkehr um. Mal sehen wie lange Sie es Aushalten auf der Straße ohne Beachtung.

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