Neue Pläne der Landesregierung - So sollen Brandenburger Gefängnisse sicherer werden

Mi 17.05.23 | 19:43 Uhr | Von Thomas Bittner
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Symbolbild: JVA Frankfurt Oder, Justizvollzugsanstalt Brandenburg. (Quelle: imago images/K. Hick)
Video: Brandenburg Aktuell | 17.05.2023 | Christoph Hölscher | Bild: imago images/K. Hick

Vor Ausbrüchen seien Gefängnisse in Brandenburg gut gesichert, sagt die Justizministerin. Aber die Sicherheit in den Anstalten ist demnach vernachlässigt worden. Jetzt wird ein neues Sicherheitskonzept umgesetzt. Von Thomas Bittner

  • Gewalt in Brandenburger Gefängnissen nimmt trotz weniger Inhaftierter zu
  • Land gibt 200.000 Euro für bessere Schutzausrüstung und Hiebwaffen
  • Drogenscanner testet auch auf neue illegale Substanzen

Der Brandenburger Justizvollzug hat zwei relativ neue Mitarbeiter: Finni und Keks. Ausgebildet wurden sie bei der Polizei, ihren Dienst verrichten sie seit 2020 und 2022 hinter Gittern. Finni und Keks sind Spürhunde. Sie können mit ihren feinen Nasen nicht nur Rauschgift finden, sondern auch Handys entdecken.

Am Mittwoch hatten Finni und Keks einen ihrer eher seltenen öffentlichen Auftritte. In einer Übungszelle der JVA-Ausbildungsstätte in Brandenburg an der Havel schnüffelten die Hunde aufgeregt an Bett, Schrank und Tisch, bevor sie dezent, aber deutlich signalisierten, wo sie etwas gefunden hatten. Jeder Bettpfosten, jedes Stuhlbein kann ein Versteck sein. "Die Hunde finden natürlich Dinge, die das menschliche Auge gar nicht wahrnimmt, manchmal eingenäht, die würden wir nie finden. Da sind die Hunde unsere Hilfe", erzählt Landeseinsatztrainer Michael Habermann.

Training vernachlässigt, Ausstattung veraltet

Der Auftritt der vierbeinigen JVA-Bediensteten gehörte zu einem Pressetermin, bei dem die Brandenburger Justizministerium am Mittwoch das 2021 neu aufgesetzte Sicherheitskonzept der Brandenburger Gefängnisse präsentierte. Investitionen in die Sicherheit hinter Gittern sei dringend geboten, sagt Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU). Das Training der Bediensteten sei in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden, die Ausstattung teilweise veraltet.

"Wir haben im Jahr 2020 eine Sicherheitsanalyse veranlasst", sagt die Ministerin im Gespräch mit dem rbb. "Die baulich-technische Ausstattung unserer sehr modernen Anstalten ist gut, die Außensicherung ist gewährleistet. Aber es haben sich Defizite ergeben, was die innere Sicherheitsstruktur angeht."

Mehr Schutz für das Wachpersonal - und neue Fesseln

Bei heiklen Situationen sah es mitunter nicht gut aus fürs Personal. Brandenburg war bisher das einzige Bundesland, in dem das Wachpersonal nicht über Waffen verfügte. Jetzt sollen erstmals wieder Einsatzstöcke zum Einsatz kommen. Das sind keine klassischen Schlagstöcke, sondern per Teleskop ausziehbare Hiebwaffen mit Griff und eingebautem Blendscheinwerfer. Sie können unauffällig getragen werden und dienen auch zur Abwehr von Angriffen. Außerdem können sich Bedienstete mit Protektoren schützen, bekommen Schnittschutzhandschuhe und Stichschutzkleidung.

Neue Hochsicherheitsfesseln werden für alle Gefängnisse angeschafft. Für Handschellen alter Bauart konnten Nachschlüssel im Internet bestellt werden, wie die Trainer erzählen. Das sei nun nicht mehr möglich. In der Vergangenheit mussten die JVA-Bediensteten aussortierte Ausrüstung der Polizei nutzen. 200.000 Euro wurden in die neue Ausstattung investiert, inklusive Ausbildung für Finni und Keks.

Besenstiele, Tischbeine und Hantelstangen als Waffen

Dass es hinter Schloss und Riegel besonders ruhig zugeht, erwartet sicher niemand. Aber in Brandenburg gibt es nach Angaben des Ministeriums im Vollzug in letzter Zeit deutlich mehr Gewaltdelikte von Gefangenen, obwohl es immer weniger Inhaftierte gibt. Die Zahl von psychisch auffälligen Gefängnisinsassen wächst.

Michael Habermann, Landeseinsatztrainer, beschreibt Szenen im Gefängnis, die schnell eskalieren können: "Zum Beispiel alkoholisierte Gefangene, die dann nicht mehr Herr ihrer Sinne sind und Bedienstete angreifen. Wir haben in den Hafträumen Besenstiele, Stühle, Tischbeine oder auch Hantelstangen." Daraus werden schnell Waffen.

Seit 2006 gibt es in den Vollzugsanstalten sogenannte Einsatzgruppen, die besonders geschult und ausgerüstet sind. Wenn es zu "Sicherheitsstörungen" kommt, werden sie eingesetzt, bevor externe Kräfte zum Beispiel von der Polizei gerufen werden. Diese besonders trainierten Gruppen sollen vergrößert werden, sie bekommen neue Helme und Schutzanzüge. Sie allein dürfen die wieder eingeführten Einsatzstöcke benutzen. Aber nicht immer agieren die Einsatzgruppen mit Gewalt, sie sind auch für Kommunikation und Deeskalation besonders trainiert.

Scanner prüft auf neue Psycho-Substanzen

Die Gewaltbereitschaft steigt nach Angaben von Justizministerin Hoffmann auch, weil neuartige Drogen in Gefängnissen konsumiert werden. Designerdrogen sind auf dem Vormarsch, sie werden auch als "Legal Highs" bezeichnet, obwohl sie alles andere als legal sind. Schon kleinste Dosen haben enorme Wirkung.

Um diese "Neuen Psychoaktiven Substanzen" (NPS) zu entdecken, ist neue Technik gefragt. Seit März wird in der JVA Cottbus-Dissenchen ein Drogenscanner getestet. Das Detektionsgerät "Ionscan 600" erkennt auch neu auf den illegalen Markt kommende Drogen in wechselnder Zusammensetzung.

Das Gerät arbeitet mit einer Datenbank, die das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz mit ständig neu bekanntwerdenden illegalen Substanzen ergänzt. So kann auch entdeckt werden, wenn solche Substanzen in kleinsten Dosen auf Papier oder an Gegenständen in die Anstalten gelangt sind. Seit März 2023 seien schon sechsmal Drogen damit gefunden worden. Drogenkonsum in den Zellen bleibt ein Sicherheitsproblem. Erst Anfang April war eine 30-jährige Insassin der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben an einer Überdosis gestorben.

Hunde finden auch Handys

Finni und Keks sind auch auf Smartphones trainiert. "Nicht jeder Gefangene darf telefonieren", sagt Ausbilder Michael Habermann. "Es gibt richterliche Anordnungen, wo es untersagt ist. Ansonsten wollen wir den restlichen Gefangenen die Gelegenheit geben, kontrolliert zu telefonieren. Aber bei denen, bei denen es verboten ist, müssen wir die Handys finden." Die Hunde entdecken auch Handys, die ausgeschaltet sind. Es ist das Speichermedium, auf dessen Geruch sie trainiert sind.

Auch das beste Konzept kann Lücken haben. Andere Bundesländer würden zunehmend beklagen, dass über Drohnen gefährliche Gegenstände oder Drogen in die Haftanstalten eingeschmuggelt werden, erzählt Ministerin Hoffmann. "Wir prüfen gerade, wie wir in Brandenburg Abwehrmaßnahmen ergreifen können." In Kürze wird deshalb auch das aktuelle Sicherheitskonzept ergänzt werden müssen. "Wir wollen nicht erst warten, bis wir ein wirkliches Problem haben."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.05.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

7 Kommentare

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  1. 7.

    Mir gefällt Ihr Beitrag:
    Das Beschäftigen und
    die Verhältnismäßigkeit
    treffen den Punkt....

  2. 6.

    Einsatzstöcke als einzige Bewaffnung und dann auch nur für Einsatzgruppen? Dafür aber Hantelstangen in den Zellen? Wie sollen denn gewalttätige Strafgefangenen so unter Kontrolle gebracht werden? Reizstoffsprühgeräte, Taser und Schusswaffen scheinen mir zusammen mit den Einsatzstöcken als Grundausrüstung der Einsatzgruppen angebracht zu sein.

  3. 5.

    Hört sich ja gut an, bringt aber dem Personal anscheinend nicht wirklich was wenn die Sachen zur Verteidigung nicht ständig an den Personen getragen werden können die gerade ihren Dienst verrichten und auch damit umgehen können. Aber ich glaube mal das erst einmal genug Personal vorhanden sein muss um überhaupt richtig zu reagieren.
    Respekt für die Vollzugsbeamten für ihren Einsatz!

  4. 4.

    Gelder besser anlegen. Wer schon einmal in Gefängnis Einsaß wird wissen das diese Studie völliger quatsch ist, die Häftlinge zu Beschäftigen ist erstrebenswerter, auch durch Therapien, weil dadurch weniger Mist gebaut wird. Hinzu kommt das viele Gefängnisse auf Grund ihrer Wirtschaftlichkeit unrentabel sind und dem Steuerzahler nur auf der Tasche liegen. wer also zu Geldbusen verurteilt wird und die Geldstrafe absitzen soll bestraft damit auch den STAAT selbst. Jeder Hafttag verursacht etwa 150 - 170,-€ bei einer Geldstrafe von 13,-€ je Tag Geldbusse

  5. 2.

    Die JVA Heidering im Titelbild des Artikels steht zwar in Brandenburg, ist aber eine Einrichtung des Landes Berlin, es gilt das Berliner Vollzugsrecht.

  6. 1.

    Ist ja super mit den Ausrüstungsgegenstände
    Hilft aber nicht viel,wenn das Personal fehlt, die es trägt und einsetzen kann

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