Interview | Conny from the Block - "Ihr denkt, wir sind faul auf dem Amt? Ja, sind wir!"
Conny from the Block ist Amtsfluencerin. Was das ist? Ganz einfach: Früher war sie selber Beamtin, jetzt macht sie auf Instagram Comedy darüber. Mit Gesichtsverzerrer. Ein Interview über Alltag, Klischees und Faxgeräte.
Conny.fromtheblock ist die Frau vom Amt. Oder sie ist es gewesen. Bis vor Kurzem hat sie in einem nicht näher beschriebenen Berliner Amt als Beamtin auf Lebenszeit gearbeitet. Doch dann hat sie das Amt verlassen und sich ganz ihrer Karriere als Autorin und Amtsfluencerin z.B. auf Instagram verschrieben. Mithilfe eines Gesichtsfilters berichtet sie aus der Sicht verschiedener Figuren satirisch über den Behördenalltag.
rbb|24: Liebe Conny, Sie kennen sich aus im Amt. "Freitag um eins macht jeder seins", ist oft zu hören. So sei das auf dem Amt. Ist das wirklich die Arbeitskultur in Berlins öffentlicher Verwaltung?
Conny.fromtheblock: "Freitag um eins macht jeder seins" ist nicht komplett ausgedacht. Aber es kommt daher, dass man auf vielen Ämtern an den restlichen Tagen bewusst Überstunden sammelt, um freitags früher gehen zu können. Ich habe das auch so gemacht und fand das richtig toll.
Sie haben verschiedene Charaktere erfunden, basierend auf Klischees über Verwaltungsmitarbeiter und Berliner, die verschiedene Themen sehr pointiert und ironisch thematisieren. Was ist dran?
Ich spiele da natürlich Stereotype, denn die Figuren sind sehr überspitzt. Aber es ist immer auch Wahrheit dabei. Die Klischees über Beamte habe ich mir ja nicht ausgedacht. Die existieren und die kennt jeder, der schon einmal mit dem Amt zu tun hatte. Also alle Bürger. Mit meinen Beiträgen bestätige ich – absichtlich - die bestehenden Klischees. Ich wollte mich nicht hinstellen und sagen: "Wir sind nicht faul", "wir sind nicht unfreundlich" und "wir sind auch nicht so oft krank".
Tatsächlich finden die Menschen diese Selbstironie offensichtlich sympathischer, als wenn ich behaupten würde, es wäre nicht so. Ich glaube aber, wenn ich nicht Beamtin gewesen wäre, und diesen Weg gegangen wäre, wäre das eventuell anders. Jetzt sage ich: "Ihr glaubt, wir sind faul auf dem Amt? Ja, sind wir!"
Wie kommt das denn bei den Mitarbeitern der Ämter an?
Die finden das richtig gut. Die Hälfte meiner Follower arbeitet bei Behörden in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Manche auch weiter weg in irgendwelchen Botschaften im Ausland. Und lustigerweise ist die Rückmeldung – bei egal welchem Thema, das ich anschneide – immer so, dass sie amüsiert sagen, bei ihnen sei es auch so. Es hat mir noch nie jemand vorgeworfen, ihn in seinem Beruf oder seiner Position zu beleidigen.
Da scheint es also dieselbe Problemlage überall zu geben. Gibt es auch irgendwas, was auf jedem Amt gleichermaßen gut ist?
Ja. Denn jeder Mensch in einer Behörde, egal was er da tut, arbeitet ja für die Gesellschaft. Alles, was da getan wird, tut er für alle Bürger dieses Landes. Und es ist nicht profit-orientiert. Da sitzt keiner oben, der fragt, wo die Zahlen sind und der verlangt, dass endlich Leistung abgeliefert wird. Das ist doch das, was alle wollen. Aber es wird so schlecht kommuniziert. Kaum jemand hat auf dem Schirm, dass auf dem Amt ganz anders gearbeitet wird. Genau so wie es sich die Generation Z, die flexible Arbeitszeiten möchte, sich nicht festlegen will und was mit Sinn machen möchte, wünscht. Es wirkt nur leider so unattraktiv. Das Bild, das die Medien vermitteln, macht es nicht besser. Wenn eine Zeitung meldet, die "Knöllchenschreiber machen 73 Tage im Jahr krank", ist das einfach nur populistisch. Damit sollte man aufhören – und die Menschen fragen, warum sie so oft krank werden.
Was müsste anders werden, damit es anders werden kann mit und auf den Ämtern?
Die große Basis jeder öffentlichen Verwaltung fußt auf der Politik. Da müsste man auf jeden Fall ansetzen.
Was aber intern passieren muss, ist ein Umdenken. Nicht, indem man Videokonferenzen und Laptops einführt, neue Möbel oder Start-Up-Aussehen. Wenn man nur das macht, bleibt das Mindset ja das gleiche. Man muss die Menschen, die da arbeiten, abholen. Da sitzen einerseits Leute, die seit 30 Jahren nicht beachtet werden. Und dann kommt eine 25-Jährige, die alles aufräumen und richtig toll machen will. Das funktioniert nicht zusammen, wenn man es nicht schafft, die Mitarbeiter mitzunehmen. Man muss fragen, wie es ihnen geht und was sie brauchen. Bislang redet man immer nur über das Amt. Man holt die Menschen nicht auf die Bühne. Image-Kampagnen, die sagen, wie toll es auf dem Amt ist, führen dazu, dass sich jemand dann in der Behörde bewirbt, der dann in der Realität neben Gisela sitzt, die seit Jahren frustriert ist. Die sagt einem dann, man solle erstmal ein Dokument faxen.
Es werden, auch wenn das utopisch klingt, junge frische Köpfe gebraucht, die man dann auch halten muss. Denen muss man die Möglichkeit geben, auch was ändern zu können. Wenn die mit ihren Ideen nur scheitern, weil der Vorgesetzte sagt, "geht nicht, haben wir schon immer so gemacht", sind die frustriert und gehen wieder. Dabei sind Menschen aus der Privatwirtschaft der größte Gewinn für die Verwaltung.
Die muss man also reinholen und wirklich machen lassen?
Ja, die darf man nicht ausbremsen. Aber dafür braucht man Leute in Führungspositionen, die das kapieren. Ich kenne so viele, die in ihrem Elan dann ausbrennen in der Behörde. Die kommen total motiviert an, freuen sich, dass da was bewegt werden muss, man etwas für die Gesellschaft tut, sie geile Arbeitszeiten haben und endlich kein Chef mehr am Wochenende anruft. Dann prallen sie auf die vorhandenen Mitarbeiter, die oft "will ich nicht" sagen, auf Vorgesetzte, die einen bitten, den Ball flach zu halten und auf finanzielle Rahmenbedingungen, die nichts möglich machen. Dann hören die wieder auf. Das heißt, die Führungspositionen sind der Schlüssel. Da braucht man betriebswirtschaftlich denkende weltoffene, diverse Menschen. Aber auch die vorhandenen Mitarbeiter der älteren Generation – die Amts-Dinos - müssen abgeholt werden.
Wie muss man gestrickt sein, um gut und gern im Amt arbeiten zu können? Welche Eigenschaften helfen?
Es hilft, wenn man sicherheits- und strukturliebend ist. Auch als kreativer Mensch habe ich es im Amt genossen, feste Strukturen zu haben. Man muss auch mutig sein und Veränderungsbereitschaft mitbringen. Wer sich nicht gleich vergraulen lässt, wenn es heißt, „dit machen wa nich“, ist da auch richtig. Es gibt im Vergleich zur Privatwirtschaft wirklich gute Rahmenbedingungen auf den Ämtern. Man wird nicht reich, verdient aber auch nicht schlecht. Wer eine sinnstiftende Tätigkeit sucht, ist da an der richtigen Stelle.
Was müsste passieren?
Das Meckern über Behörden sollte aufhören. Denn es hilft nicht weiter. Wir werden immer eine Verwaltung brauchen. Wir werden weiter heiraten, Kinder bekommen. Wir brauchen Kinderschutz, jemand muss die Sozialhilfeleistungen auszahlen. Und statt sich über die Menschen dort aufzuregen, kann sich ja jeder selbst dort bewerben. Frei nach dem Motto: statt zu meckern, geh doch aufs Amt.
Aber dann muss man für Gisela faxen.
Ja, sorry, das ist dann der Preis, den man zahlt. Trotzdem stimmt der Deal am Ende. Wenn man geduldig ist, merkt man das. Und auch eine Gisela war ja nicht immer eine Gisela. Da hilft ein liebevollerer Blick.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24
Sendung: Antenne Brandenburg, 09.09.2023, 18:30 Uhr