Ausschreitungen in Berlin - Aufruf zu Pro-Palästina-Protest führt zu Gewalt gegen Einsatzkräfte

Mi 18.10.23 | 16:02 Uhr
Feuerwerkskörper fliegen hinter einem Polizeiauto bei einer nicht angekündigten pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln (Bild: picture alliance/dpa/TNN)
Video: rbb|24 | 18.10.2023 | Material: ARD-Mittagsmagazin | Bild: picture alliance/dpa/TNN

In Berlin hat es am Dienstagabend und in der Nacht zu Mittwoch Ausschreitungen rund um spontane Palästinenser-Proteste gegeben. Schwerpunkte waren die Sonnenallee und das Brandenburger Tor. Es kam zu Festnahmen und verletzten Polizisten.

Die Berliner Polizei ist nach dem Beschuss eines Krankenhauses im Gazastreifen am Dienstagabend und in der Nacht auf Mittwoch mit einer ganzen Reihe von gewalttätigen Protesten konfrontiert gewesen. Insgesamt 360 Polizeibeamte waren deshalb im Einsatz, wie die Polizei am Mittwochnachmittag mitteilte.

In Neukölln habe es am Dienstagabend immer wieder Ansammlungen von in der Spitze bis zu hundert teils vermummten Menschen gegeben. Es sei Pyrotechnik abgebrannt worden, auf den Fahrbahnen seien Barrikaden errichtet und angezündet worden.

Immer wieder seien Polizisten körperlich bedrängt sowie mit Feuerwerkskörpern und Steinen beworfen worden, dabei seien volksverhetzende und israelfeindliche Parolen gerufen worden. 20 Polizistinnen und Polizisten seien verletzt worden, zwei von ihnen konnten nicht mehr weiterarbeiten.

Polizei setzt Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke ein

Im Bereich der Sonnenallee gab es mehrere Festnahmen nach Attacken auf Einsatzkräfte, auch Feuerwehrleute wurden attackiert, wie es hieß.

Nach Angaben der Feuerwehr brannten Müllcontainer, E-Scooter und ein Kinderspielplatz. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein, zunächst, um die Brände zu löschen, später setzte sie diesen auch gegen Personen ein. Zudem wurden Pfefferspray und Schlagstöcke gegen die Protestierenden eingesetzt.

Berliner Polizisten stehen auf der Straße bei einer nicht angekündigten pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln. (Quelle: dpa/TNN)Berliner Polizisten stehen auf der Straße bei einer nicht angekündigten pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln.

Hunderte Personen am Brandenburger Tor

Ebenfalls am Dienstagabend kam es am Brandenburger Tor zu Ausschreitungen. Dort wurde laut Polizei eine pro-palästinensische Spontanversammlung angemeldet, die als Mahnwache mit 350 Personen zugelassen wurde. Diese sei friedlich verlaufen und um 22 Uhr beendet worden.

Anschließend versammelten sich demnach allerdings rund 100 Personen am Platz des 18. März, die offenbar nicht Teilnehmende der Mahnwache waren. Nach Berichten von rbb-Reportern war die Stimmung wütend und aufgeheizt. Aus der Menge heraus wurden auf Deutsch und Arabisch Parolen skandiert wie "Kindermörder Israel" und "Free Palestine". Laut Polizei wuchs diese Personengruppe auf 700 Menschen an, Polizisten wurden auf der Straße des 17. Juni mit Flaschenwürfen attackiert.

Im gesamten Verlauf des Einsatzes sei es zu 39 Freiheitsbeschränkungen, 65 eingeleiteten Strafermittlungsverfahren und zwölf eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren gekommen.

Aufruf von extremistischer Gruppe

Offenbar waren diese Menschen einem Aufruf der Gruppe Samidoun gefolgt, der nach Berichten über einen Raketenagriff auf ein Krankenhaus in Gaza-Stadt im Internet veröffentlicht wurde [tagesschau.de]. Samidoun bezeichnet sich selbst als Solidaritätsnetzwerk mit palästinensischen Gefangenen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz spricht von einer linksextremistischen Organisation. Größere Aufmerksamkeit erhielt Samidoun, als Mitglieder der Gruppe am 7. Oktober Süßigkeiten in Neukölln verteilten - Stunden nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich mittlerweile für ein Verbot von Samidoun ausgeprochen.

Demo am Mittwoch verboten, Kritik an Polizei

Die Berliner Polizei untersagte indes eine für Mittwoch geplante Versammlung unter dem Titel "Jugend gegen Rassismus" sowie sämtliche bis 25. Oktober geplanten Ersatzveranstaltungen. Es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass es bei der Versammlung zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichungen, dem Vermitteln von Gewaltbereitschaft und dadurch zu Einschüchterungen sowie Gewalttätigkeiten komme, begründete die Polizei die Entscheidung.

Die Initiative Palästina Kampagne kritisierte am Mittwoch die Demonstrationsstrategie der Berliner Polizei. "Wenn der deutsche Staat der palästinensischen Community konsequent das Grundrecht verweigert, zu protestieren, öffentlich zu trauern oder ihre Identität zum Ausdruck zu bringen, ist ziviler Ungehorsam fast vorprogrammiert", hieß es. Sie forderte vom Berliner Senat einen Kurswechsel, "um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu gewährleisten und schwere Unruhen zu verhindern".

Sendung: rbb Spezial, 18.10.2023, 20:30 Uhr

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