Interview | Naturschutz - Warum die Berliner Pfaueninsel neue Heimat bedrohter Pflanzen wird

Do 09.11.23 | 17:36 Uhr
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Frisch gepflanzte Duftskabiosen werden vor der Meierei auf der Pfaueninsel gegossen. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: Radioeins, 09.11.2023 | Bild: dpa/Jens Kalaene

Die Pfaueninsel ist vor allem als Ausflugsziel bekannt - nun sind dort 150 bedrohte Wildpflanzen gesetzt worden. Warum sie dort gute Überlebenschancen haben, erläutert der Naturschutz-Experte Justus Meißner im Interview.

rbb|24: Herr Meißner, sie sind Leiter der Koordinierungsstelle Florenschutz der Stiftung Naturschutz Berlin. Auf der Pfaueninsel wurden seltene Pflanzenarten, wie der deutsche Ginster, der behaarte Ginster und die Duft-Skabiose ausgepflanzt. Was das für Pflanzen?

Justus Meißner: Die sind in Berlin vom Aussterben bedroht, deutschlandweit in der Regel gefährdet. Und es sind sogenannte Verantwortungsarten. Verantwortungsarten deshalb, weil Deutschland weltweit eine hohe Verantwortung für den Erhalt dieser Arten hat.

Warum sind diese Arten vom Aussterben bedroht?

Da gibt es verschiedene Ursachen. Eine der Ursachen ist die Aufdüngung der Landschaft. Daran haben in Berlin der Verkehr und die Heizung ihren Anteil. Stickoxide werden in die Luft geblasen und die kommen wieder in den Boden. Dadurch werden die Böden gedüngt. Pflanzen aus historischen Kulturlandschaften sind aber auf magere Böden angewiesen, die vertragen nicht so viel Dünger und werden dann von anderen Pflanzen verdrängt, die sich vermehrt ausbreiten. Und das führt dazu, dass die vom Aussterben bedroht sind.

Warum ist die Pfaueninsel ein idealer Ort für diese Pflanzen?

Der Boden ist hier noch etwas karger. Hier hat sich noch die historische Kulturlandschaft erhalten. Seit 3.000 Jahren sind Menschen auf der Pfaueninsel aktiv, seit dem 16. und 17. Jahrhundert wurden die Flächen mit Schafen und Kühen beweidet. Dann kam der Landschaftspark. Für dessen Pflege ist die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten zuständig. Und die Naturausstattung ist hier so gut, weil diese Fläche bereits 1924 als eines der ersten Gebiete als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde.

Infobox

Justus Meißner ist Leiter der Koordinierungsstelle Florenschutz der Stiftung Naturschutz Berlin. Die Koordinierungsstelle kümmert sich um mehr als 250 Pflanzenarten in der Stadt. Sie ermittelt den Bestand seltener Pflanzenarten und konzipiert Schutzmaßnahmen.

Es gibt noch Pfauen, die auf der Pfaueninsel leben. Sind die gefährlich für die Pflanzen, reißen sie vielleicht wieder raus?

Nein, die Pfauen sind ganz verträglich. Es gibt andere Tiere hier wie Waschbären, die graben manchmal die Wiesen um und sind eher ein Problem.

Berlin hat etwa 1.500 wildwachsende Pflanzenarten, 700 davon sind gefährdet. Werden die denn alle auf der Pfaueninsel ausgepflanzt? Ist die Pfaueninsel für all diese Pflanzen die Rettung?

Nein, natürlich nicht. Die 700 gefährdeten Arten haben unterschiedliche Gefährdungskategorien. In Berlin haben wir eine Abstufung. 180 Zielarten des Florenschutzes gibt es darunter, die besonders gefährdet sind, also tatsächlich vom Aussterben bedroht sind. Bei diesen Pflanzen wird geschaut, wie der Bestand in Berlin aussieht und was wir machen können, um sie am Fundort zu erhalten. Ist der Fundort gefährdet, suchen wir Ersatzstandorte.

Die Duft-Skabiose und den deutsche Ginster gibt es in Berlin nur noch an einem einzigen Standort. Wenn da zufälligerweise ein Wildschwein an der falschen Stelle wühlt, wären sie weg. Deshalb suchen wir Standorte wie die Pfaueninsel, wo wir die Population dann ausbringen. Die sollen sich hier selbständig vermehren, also normal wildwachsend, vermehren. Und dann haben wir eine Sicherheit, dass die Art nicht ausstirbt.

Verraten Sie uns, wo man diese seltene Pflanze sehen kann?

Wenn der Anwuchs erfolgreich ist, auf der Pfaueninsel natürlich. Die anderen Standorte würde ich nicht verraten, weil die so stark gefährdet sind. Da wäre die oberste Naturschutzbehörde ein bisschen sauer.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Meili Scheidemann und Max Ulrich für Radioeins. Es handelt sich um eine redigierte Fassung des Gesprächs.

Sendung: Radioeins, 09.11.2023, 10 Uhr

8 Kommentare

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  1. 8.

    Diese Pflanzen sind in ganz Deutschland gefährdet. Vielleicht gibt es sie an einem Ort mehr, dadurch kann man selbst den Gefährdungsgrad gar nicht einschätzen.

  2. 7.

    Ich hätte tatsächlich auch den Ginster als Unkraut abgetan. Mir sind beide Pflanzen bekannt, daher hätte ich auch nicht gedacht, dass die gefährdet sind. Naja, Berlin ist eben klein.

  3. 5.

    Also Wildschweine schwimmen auch recht gut ;-)
    Ich könnte Duft-Skabiose aus anderen Teilen Deutschlands mitbringen. Wusste gar nicht, dass es da ein Problem gibt. Sehr schöne Blume, oft als Unkraut abgetan, ich liebe sie :-) und ja, ich werde versuchen, in meinem Mager-Garten eine anzusiedeln. Dürfte unproblematisch sein. Im Schrebergarten meiner Freundin sind sie im Mager-Rasen (Zehlendorf Schönow).

  4. 4.

    Wow, da es sich leider schon um den 2. Versuch handelt, hoffe ich sehr, dass aus der Dokumentation der Ursachen des Scheiterns aus Versuch 1, die richtigen Lehren gezogen wurden. Vor allem zeigt das ja, dass es nicht einfach ist, naturräumliche Verhältnisse zu simulieren, wobei das im Segment Boden eigentlich (!) am besten gehen sollte. Aber das natürliche Bedingungsgefüge ist sehr komplex wie empfindlich, so dass das Experiment, das entschieden wurde, sehr für den Schutz der Stamm-Lebensräume spricht. Dennoch stehe ich auf dem Standpunkt, es mit der sog. Ansalbung (Einbringung)auf geeigenten Standorten zu versuchen. Das hat es aber auch schon vor unserer Zeit gegeben. Die Duft-Skabiose ist eine sehr schöne Pflanze, die s. ohnehin ziemlich rar macht. Sicher war das auch ausschlaggebend, das Experiment zu versuchen, dem ich nunmehr vollen Erfolg wünsche. In den >25 Jahren meiner Zeit habe ich sie gerade 1x in einem Naturraum gesehen. Schade, da es einen pass.Falter dazu gibt... :)

  5. 1.

    Waschbären, wie sind die auf die insel gekommen ?

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