Friedrichshain-Kreuzberg - Keine Geburtsurkunde wegen Nachnamen: Mutter fühlt sich diskriminiert

Mo 30.09.24 | 14:50 Uhr
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Die Mutter mit Ihrem Kind dem bisher keine Geburtsurkunde ausgestellt wird. (Quelle: rbb/Abendschau)
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Video: rbb24 Abendschau | 26.09.2024 | Phil Beng | Bild: rbb/Abendschau

Eine Berlinerin bekommt vom Amt keine Geburtsurkunde für ihre Tochter - und damit keinen Kita-Gutschein und kein Kindergeld. Die Begründung des Standesamtes Friedrichshain-Kreuzberg: Mit ihrem Doppelnamen - Le Nguyen - sei das nicht möglich.

Das Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg hat einer Berlinerin aufgrund ihres Nachnamens über Monate die Ausstellung keine Geburtsurkunde für ihre Tochter ausgestellt. Das Kind ist inzwischen sechs Monate alt.

Wie die Mutter, Ha Thanh Le Nguyen, der rbb24 Abendschau sagte, sei die Behörde der Auffassung, im Vietnamesischen gebe es keine Doppelnamen. Deshalb sei die Eintragung ihres Doppelnamens - Le Nguyen - in eine Geburtsurkunde des Babys nicht möglich.

Das Baby selbst trägt indes den Nachnamen seiner Mutter gar nicht, sondern nur den des Vaters. Dennoch muss in der Geburtsurkunde des Kindes auch der Name der Mutter mit aufgeführt sein - was laut Amt in diesem Fall nicht geht.

Ha Thanh Le Nguyen ist selbst deutsche Staatsbürgerin und führt ihren doppelten Nachnamen in ihrer Einbürgerungsurkunde und auf ihrem deutschen Personalausweis.

"Mit für Vietnam nicht üblichem Doppelnamen eingebürgert"

Die Senatsinnenverwaltung bestätigte dem rbb den Fall auf Anfrage. "Die Kindesmutter und das Kind sind deutsche Staatsangehörige", bestätigte Pressesprecherin Sabine Beikler. "Die Mutter wurde bereits 2007 im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg mit dem für Vietnam nicht üblichen Doppelnamen 'Le Nguyen' eingebürgert, dieser Name steht auch im Einbürgerungsregister und im Melderegister." Auch in der Geburtsurkunde der Mutter aus dem Jahr 1988 sei der Name "als Doppelname beurteilt" worden.

Zu den Hintergründen für das sich hinziehende Verfahren nannte die Sprecherin der Senatsinnenverwaltung "Zweifel an der Richtigkeit der Namensführung". An sich sei das Vorgehen des Standesamtes "nicht zu beanstanden". Gleichzeitig betonte Pressesprecherin Beikler: "Dass die Klärung seit April 2024 andauert, ist allerdings bedauerlich, da die Mutter wegen der fehlenden Geburtsurkunde Probleme beim Kindergeld und beim Kita-Gutschein hat."

Ohne Geburtsurkunde kein Kindergeld

Wie Le Nguyen dem rbb sagte, gibt es wegen der fehlenden Geburtsurkunde bislang keine Anmeldung und keine Steuer-ID für ihre Tochter, kein Kindergeld und auch keinen Kita-Gutschein. "Ich wollte bald wieder anfangen zu arbeiten", sagt Le Nguyen. Sie wisse nicht, wie sie die Kinderbetreuung organisieren solle. "Vielleicht werde ich jetzt doch eine Stay-at-home-Mom, weil ich keine Kinderbetreuung für mein Kind habe."

"Ich finde es ehrlich gesagt rassistisch, dass wir so einen Stress haben wegen meines Nachnamens", sagte Le Nguyen. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg erklärte dazu auf Anfrage: "Das Standesamt handelt nicht in diskriminierender Absicht. Die Bearbeitung orientiert sich ausschließlich an den geltenden rechtlichen Vorgaben. Es handelt sich um die Prüfung einer Namensführung im Einzelfall und nicht um Diskriminierung."

Innenverwaltung verweist auf unterschiedliche Rechtslagen

Auch die Senatsverwaltung für Inneres bewertet den Vorgang im Standesamt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg nicht als Diskriminierung. Der Fall zeige, dass Einbürgerungsrecht und Personenstandsrecht nicht deckungsgleich seien, was "immer wieder zu Problemen bei der Eintragung führt".

"Für die Einbürgerung ist die Identität der Person und damit regelmäßig der Name im Pass maßgeblich", erklärte die Innenverwaltung. "Für das Standesamt und die Beurkundungen ist der Name, der nach dem Heimatrecht seit Geburt gilt, maßgeblich."

Eine Einbürgerung aufgrund des Namens in der Geburtsurkunde und des Passes unter "Le Nguyen" sei daher korrekt gewesen. "Dass das Standesamt allein die Sicht aus dem Personenstandsrecht hat und die Rechtmäßigkeit der vietnamesischen Namensführung anzweifelt, ändert an der Namensführung in der Einbürgerung nichts."

Seit 2020 rund 500 Beschwerden über Rassismus in der Verwaltung

Seit dem Inkrafttreten des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes 2020 hat die zuständige Ombudsstelle der Berliner Verwaltung 1.523 Beschwerden registriert, in 558 Fällen ging es um Diskriminierung aufgrund von Rassismus.

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.09.2024, 19:30 Uhr

Update vom 30.09.2024, 11 Uhr: Frau Le Nguyen hat nach eigenen Aussagen inzwischen die Geburtsurkunde für ihre Tochter erhalten.

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122 Kommentare

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  1. 122.

    mal ein Kompliment an den rbb:
    Zwischen zunehmenden Pandababys und umfallenden Reissäcken auch tatsächlich mal wieder einen wichtigen Missstand zu veröffentlichen ... und das dann auch gleich noch mit dem entsprechenden Erfolg. Respekt!

  2. 119.

    Mit Diskriminierung hat das sicherlich nichts zu tun. Aber es zeigt exemplarisch die Auswüchse unserer Bürokratie.

  3. 118.

    >"nur möglich im Bürokratie Links Staat Deutschland."
    Jepp! Oftmals machen es sich Ämter gegenseitig schwer. Wenn dieser Name Le Nguyen schon in ihrem Ausweis so steht, also schon einmal amtlich abgesegnet wurde, muss sich ein anderes Standesamt doch keine Rübe darüber zerbrechen, ob der Name im Ausweis der Kindsmutter denn so korrekt sein könnte oder nicht. Gerade für den Personalausweis wird doch schon alles amtlich bis in die Tiefe geprüft, ob der im Perso nach deutschem Gesetz denn so gelten kann.
    Offenbar hatte hier der Amtsschimmel wieder mehr Hürden gesehen, als eigentlich da waren.
    Aber ist ja nun geregelt, gestempelt und amtlich abgesegnet.

  4. 117.

    "...Ha Thanh Le Nguyen ist selbst deutsche Staatsbürgerin und führt ihren doppelten Nachnamen in ihrer Einbürgerungsurkunde und auf ihrem deutschen Personalausweis...." und das seit 2007!
    Aber heute heißt es plötzlich: "...Zweifel an der Richtigkeit der Namensführung..."?
    Hat man früher geschlampt oder will die Senatsinnenverwaltung nur nicht zugeben, dass Fehler gemacht wurden? Was kann bitteschön das Kind dafür? Das ist eine Farce ohnegleichen und der Senat und das Bürgeramt sollten sich schleunigst was einfallen lassen. An Überheblichkeit nicht zu überbieten. In meinem Augen auch rassistisch. In unserem Wohnviertel wohnen auch eingebürgerte Vietnamesen mit Doppelnamen (z.B. To Nguyen), deren Kinder offensichtlich keine Probleme mit einer Geburtsurkunde hatten. Vielleicht sollte das vietnamesiche Konsulat die Innenverwaltung mal über vietnamesische Namen aufgeklären. Da scheint eine große Wissenlücke zu klaffen.

  5. 116.

    nur möglich im Bürokratie Links Staat Deutschland.

  6. 115.

    Genau sowas gehört auf die Agenda, wenn es um Bürokratieabbau geht, da hier das Recht des Kindes und der Kindesmutter massiv beeinträchtigt wird. Im Zweifel und bei Unklarheit für den Bürger zu entscheiden sollte Verwaltungsprinzip sein/werden.

  7. 114.

    Ich arbeite selbst in der Ausländerbetreuung und denke nicht, dass es sich um eine Diskriminierung handelt. Es ist nur ein gutes Beispiel für eine ausufernde Bürokratie, wo die eine Gesetzgebung nicht mit der anderen harmoniert. Hier sollte das Standesamt mal überlegen, ob es nicht Ausnahmen zulassen kann. Und das sollte man möglichst schnell und UNBÜROKRATISCH regeln.

  8. 113.

    >"Warum müssen Sie nun aus Ihrer irrigen Annahme noch eine Geschichte konstruieren?"
    Ob der Familienhintergrund bei dieser Frau konkret so war, weiß ich natürlich nicht. Ich habe nur aus meiner Erfahrung zu DDR Zeiten mit vietnamesischen Vertragsarbeitern in VEB Betrieben berichtet. Da Nguyen quasi ein vietnamesischer Sammelbegriff ist als Nachname wie bei uns Meier oder Müller, wurden die Damen nicht mit Frau Nguyen angesprochen, sondern zum Unterscheiden mit einem Teil ihres Vornamens kombiniert, z.B. Frau Le Nguyen. Und das stand dann auch so in allen betriebsinternen Papieren, wenn es um die Ansprache nur mit Nachnamen ging. Deutsche Arbeiterinnen hießen Frau Müller oder Frau Maier, vietnamesische eben so genannt. In Vietnam gibts übrigens wesentlich weniger verschiedenen Nachnamen als bei uns in Mitteleuropa. Daher auch die Namenshäufung von gleichen Nachnamen dort, ohne dass die familiär verwand sind.

  9. 111.

    So wie das oben beschrieben wird : Für das Standesamt und die Beurkundungen ist der Name, der nach dem Heimatrecht seit Geburt gilt, maßgeblich."
    trat das Problem aufgrund des vietnamesischen Heimatrechts auf. Dh. der Namen der Mutter im Pass entsprach wohl nicht einer dem vietnamesischen Recht entsprechenden Namensgebung - zumindest nicht soweit in Deutschland bekannt. Wenn das Kind nicht den "korrekten" vietnamesischen Namen trägt kann es zb. Probleme mit Erbfolge oder ähnlichem in Vietnam geben, Es ist hier auch unklar ob dass ganze Problem zb mit einer doppelten Staatsbürgerschaft verbunden ist.

  10. 110.

    Da könnte man sich jetzt aufregen

  11. 109.

    Man sieht deutlich, daß es nicht nur der "rechte Rand" ist, der Leute mit Migrationshintergrund diskreminiert. Schämt Euch!

  12. 108.

    Wie so üblich in Deutschland vergisst man dabei das Kind.
    Man sollte sich erstmal um das allerwichtigste kümmern, und zwar das hier ein Kind Anrecht auf Kindergeld hat und die Mutter ein Anrecht auf einen Betreuungsplatz. Dann können sich die Behörden immer noch in ihrem Bürokratiewahn verstecken.
    Einfach nur traurig.

  13. 107.

    Die Frau nennt sich nicht Le Nguyen, sie heißt so. Warum müssen Sie nun aus Ihrer irrigen Annahme noch eine Geschichte konstruieren? Warum können Sie nicht einfach mal akzeptieren, dass hier ein Behördenfehler vorlag. Glücklicherweise wurde er ja inzwischen behoben.

  14. 106.

    Ihr Name ist offenbar Omen. Es ist erstaunlich, welche Rückschlüsse Sie aus dem Artikel und den Kommentaren ziehen. Wahrscheinlich haben Sie weder das eine noch die anderen wirklich gelesen. Und Ihre Behauptungen bezüglich der Einbürgerung sind wirklich lächerlich. Offenbar haben Sie nie eine Einbürgerung mitgemacht und kennen auch niemanden, der eingebürgert wurde. Sonst wüssten Sie, was da alles zur sehr langwierigen Prüfung vorgelegt werden muss. Da geht man nicht einfach nur hin, gibt irgendeinen Namen an und erhält dann die Einbürgerungsurkunde. Das ist wirklich eine sehr blauäugige Betrachtungsweise.

  15. 105.

    Wie seht diese Posse eigentlich im Einklang mit dem Grundgesetz???

  16. 104.

    Das nennt sich institutioneller Rassismus. Individuelle rassistische Überzeugungen müssen bei den Behördenmitarbeitenden gar nicht zwingend vorliegen. Es ist die Handlung, auf die es ankommt - und diese ist, entlang von konstruierten Gründen, delegitimierend. Die Familie benötigte - ohne unterwürfigem Kniefall von Bittstellenden - nur die Geburtsurkunde. Es gibt in diesem Fall auch kein Abwägen zwischen jenem Verwaltungsrechtsparagrafen und einem solchen. Es gab von Anfang an keinen Ermessensspielraum der Behörde, sie hatte zu handeln. Da treffen Rassismus und Unkenntnis der Rechtslage aufeinander. Ohne öffentliche Aufmerksamkeit wäre es nur einer von vielen Fällen gewesen. Behörden sind zwar Teil der Exekutive, jedoch nicht die unmittelbare Vertretung der Gubernative. Dennoch sendet letztere mit identitätspolitischen, rechtsextremen Botschaften immer wieder Signale, die in der Verwaltung zum Anlass genommen werden, so gesetzeswidrig wie hier zu handeln.

  17. 103.

    Rätselhaft, das Ganze.

    Ohne Kenntnis der Rechtslage kann ich mir - und das dürfte auch für die meisten anderen Kommentierenden gelten - ein Urteil über die beiden Entscheidungen des Bezirksamts nicht erlauben. Der Artikel selbst gibt dazu auch praktisch nichts her.

    Viele Rechtsvorschriften lassen ein Ermessen gar nicht zu. Hier vielleicht doch? Hat das Bezirksamt nun doch ausgestellt, weil es vorher irrte, Ermessen falsch ausgeübt hatte oder entscheidende Unterlagen jetzt erst nachgereicht worden sind? Unbekannt.

    Mich würde interessieren, ob's an einer verkorksten Rechtslage lag, an einer falsch entscheidenden Behörde oder am Verhalten der Bürgerin. Vielleicht auch an mehreren Faktoren.

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