Internationaler Tag der Kinderrechte - Wie Frankfurt (Oder) eine kinderfreundlichere Stadt werden will
Ein großes Netzwerk aus 60 Akteuren hat sich in Frankfurt (Oder) zu den sechs Artikeln einer eigenen Kindercharta bekannt. Dadurch sei die Stadt in den vergangenen Jahren kinderfreundlicher geworden - am Ziel sei man aber noch lange nicht, sagen Beteiligte.
Der Internationale Tag der Kinderrechte jeweils am 20. November erinnert daran, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen weltweit unter einem besonderen Schutz stehen und geachtet werden sollen [unicef.de]. Diese sind in 54 Artikeln der UN-Kinderrechtskonvention formuliert.
Daran orientiert sich auch die Stadt Frankfurt (Oder). Dort richten sich eine Vielzahl von Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe, Schulen und auch Unternehmen nach sechs weiteren Leitsätzen. Zusammengefasst besagen diese: Alle Kinder sind wertvoll, haben ein Recht auf Liebe, Fürsorge, Förderung, Teilhabe, Bildung, Freizeit, Beteiligung und Mitbestimmung.
Versprechen an die Jüngsten
Festgehalten wurde das in der Frankfurter Kindercharta. Diese entstand 2018 bei der ersten Sitzung des Runden Tischs zu "Zukunfts- und Bildungschancen für Kinder - Aktiv gegen Kinderarmut in der Stadt Frankfurt (Oder)" - ein Netzwerk vieler zivilgesellschaftlicher Akteure, erklärt die ehrenamtliche Kinderbeauftragte der Stadt, Jaqueline Eckardt. "Das ist ein Versprechen der Erwachsenen an die Kinder, dass diese Rechte gewahrt und auch gelebt werden."
Initiiert wurde die Arbeitsgruppe ihr zufolge vom Frankfurter Oberbürgermeister René Wilke (parteilos). Eckardt zufolge war und ist der Kerngedanke zur Formulierung der Charta die Frage danach, was es wirklich braucht, um Kindern und Jugendlichen ihre Rechte zukommen zu lassen.
Als wichtigsten Punkt benennt sie die Mitbestimmung. Denn dies sei der Grundstock, um Demokratie zu leben und zu erfahren. "Das sind oft banale Dinge: Ich darf selber bestimmen, was ich zum Beispiel in der Kita zum Mittag esse. Mir selber aussuchen zu dürfen: Ich habe Hunger auf Kartoffeln und Soße, und nicht auf Fleisch. Selbstständig zu entscheiden, wann ich auf die Toilette gehen darf. An denen merken Kinder: Ich nehme sie ernst oder nicht."
Doch auch im weiteren Stadtleben soll die Meinung von Kindern und Jugendlichen zur Geltung gebracht werden. Das betrifft etwa den Bereich der Stadtplanung. So beteiligt sich auch eine regionale Wohnbaugesellschaft an der Charta. "Dort fand zum Beispiel kürzlich ein Beteiligungsverfahren zu einem Kinderspielplatz statt, der im 'Kosmonauten-Viertel' entstehen soll, was saniert worden ist", erklärt die Kinderbeauftragte. "Und wer könnte denn besser erzählen, was man auf einem Kosmonauten-Spielplatz spielen möchte, als Kinder? Sie haben sich dort mit ganz viel Phantasie eingebracht, und das wird jetzt umgesetzt."
Spaß als Grundrecht
Spaß und Freizeit zu ermöglichen (Artikel 5) sei ebenfalls ein relevanter Punkt bei der Berücksichtigung von Kinderrechten. Zum Beispiel können Jugendliche mit dem "Kinder Spaß Island" jährlich beim Stadtfest "Bunter Hering" ihren eigenen Bereich mit eigenem Programm entwickeln.
Auch zukünftig plant die Kinderbeauftragte zahlreiche Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche umzusetzen, wie zum Beispiel die Wiederholung der Ü12-Party im Kamea Club im Januar oder ein Seifenkistenrennen im Mai nächsten Jahres.
Freizeitgestaltung zu ermöglichen, die Sinnhaftigkeit und Spaß bieten, ist auch das Anliegen von Nils Krausemann. Der ehemalige Leiter des "Jugendfreizeitzentrums Nordstern" betreibt ein Kursprogramm in einer nicht-kommerziellen Kletterhalle.
"Klettern ist gut für die Selbsterfahrung bei Jugendlichen", sagte Krausemann dem rbb. So engagieren sich dort Jugendliche mit Sicherungsschein und begleiten andere junge Kletterer bei ihren ersten Schnupperversuchen an der Wand - ganz nach dem Peer-to-Peer-Prinzip. Dabei gelte es, Verantwortung zu übernehmen, zu vertrauen und vor allem, sich das Vertrauen anderer zu verdienen. "Die Kinder lernen hier schon ein Stück, ihre eigenen Grenzen zu erkennen. Niemand wird gezwungen, aber wir versuchen zu animieren und es zumindest zu versuchen." Denn das Austesten der Grenzen sei Krausemann zufolge wichtig, um das Selbstbewusstsein zu stärken. Ein "Nein" sei durchaus eine legitime Antwort, stimmt er der Kinderbeauftragten Eckardt zu.
Allerdings sei dort auch Engagement der Eltern gefragt, um ihren Nachwuchs zu stärken. "Ich habe manchmal das Gefühlt, die Kinder, die zu uns kommen, wissen manchmal nicht, was sie wollen und haben auch relativ wenig von zu Hause mitbekommen." Zwar gebe es immer wieder Kinder, die sich mit Ideen und Elan einbringen. "Ein Großteil von Schülern wenden sich aber auch ab und haben zu nichts Lust. Auch wenn man sie direkt fragt, kommt relativ wenig."
"Wir sind noch ganz am Anfang und noch lange nicht da, wo wir sein müssten"
Dennoch attestiert Krausemann, dass sich in den vergangenen Jahren in Frankfurt (Oder) einiges getan hat und seine Heimatstadt durchaus kinderfreundlicher geworden ist. Das zeige die Liste der 60 "Kindercharta-Inhaber", zu der auch der Internationale Bund Berlin-Brandenburg (IB) gehört, im Rahmen dessen Krausemann seine Kletterkurse anbietet.
Dennoch gibt es ihm zufolge noch Luft nach oben. So müsste auch in Zukunft weiter an niedrigschwelligen Angeboten gearbeitet werden. "Aber das Geld ist immer eine Sache. Viele Sachen müssen erst einmal bezahlt werden."
Und auch Jaqueline Eckardt sieht noch einige Defizite. "Wir sind noch ganz am Anfang und noch lange nicht da, wo wir sein müssten." Eine Herausforderung bleibe zum Beispiel weiter, den Kindern erst einmal zu vermitteln, dass sie Rechte haben. Dies werde mit Aushängen bei den teilnehmenden Institutionen und auch altersgemäß in Bildform versucht. "Die Idee dahinter ist natürlich auch immer, dass Erwachsene mit den Kindern ins Gespräch gehen. Das fängt in der Familie an. Wir Erwachsenen müssen lernen, in die Welt der Kinder zu gucken und es aus deren Augen zu benennen."
Sendung: Brandenburg Aktuell, 20.11.2024, 19:30 Uhr
Mit Material von Nina Heinrich und Felicitas Montag