"Ich mag diesen Fake-Look halt" - Warum sich schon 18-Jährige Botox und Hyaluron spritzen lassen

Die Nachfrage nach Botox und Hyaluron steigt. Die Schönheitsspritzen bieten teils auch Kosmetik- und Friseur-Salons an. Für Anbieter locken hohe Gewinne. Nicht immer sind die Angebote seriös, doch Kontrollen gibt es kaum. Von M. Schmitz, Y. Speck und J. Barke
US-Star Kim Kardashian, Modell Heidi Klum und der deutsche Youtube-Star Shirin David haben eines gemeinsam: Sie alle lassen sich Botox spritzen, um ihre Falten zu glätten und Hyaluron, um ihre Lippen aufzufüllen. Mit Vorbild-Charakter. Längst sind die Schönheitsspritzen nicht mehr nur unter Promis Alltag.
Bereits bei einer halbstündigen nicht-repräsentativen Umfrage von rbb|24 in der Shoppingmall Alexa in Mitte zeigt sich, dass die Behandlungen auch bei jungen Menschen in Berlin ein Thema sind. "Ich bin gerade 18 geworden", sagt Victoria. "Vorher durfte ich das noch nicht machen, aber ich will das schon, weil ich mich dann wohler fühle." Sie denkt über eine Hyaluron-Behandlung nach. Jenny kennt es aus ihrem Umfeld. "Ich habe Freunde in der Werbebranche, da ist das gang und gäbe." Maxi berichtet von einer Freundin, die offen über ihre Botox-Behandlung gesprochen hat: "Ich war überrascht, mit wie wenig Stigma sie das erzählt hat."

Trend Schönheitsspritzen
Schönheitsspritzen liegen im Trend. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) führt regelmäßig Befragungen bei Patient:innen ihrer Fachärzt:innen durch. Unter dieser Patientengruppe gehören Botox und Hyaluron zu den beliebtesten ästhetisch-plastischen Eingriffen: Botox lag 2024 mit 14 Prozent aller Patient:innen auf Platz zwei, danach folgten auf Platz drei mit 13 Prozent Faltenunterspritzungen, die maßgeblich mit Hyaluron erfolgen. Drei Prozent ließen sich die Lippen korrigieren, auch das geschieht meist mit Hyaluron. Im Vergleich zur Vorjahresumfrage verzeichneten Botox-Behandlungen den größten Anstieg innerhalb der Patient:innen unter 30 Jahre: 2023 nutzen es noch 2,6 Prozent, 2024 bereits 7,1 Prozent.
"Gewinnspiel mit Botox"
Ein Grund für den Trend nennt die Umfrage auch: Social Media. Davon fühlen sich immer mehr Menschen in ihrem Wunsch nach Schönheitsbehandlungen beeinflusst. Waren es 2023 noch 9,1 Prozent der 18- bis 80-Jährigen, so waren es 2024 bereits 11,3 Prozent. Bei den unter 30-Jährigen stieg der Anteil von 19,4 auf 21,3 Prozent.
Auch die Befragten in der Shopping Mall bestätigen, sich dem perfekten Bild ihrer Social-Media-Stars nicht entziehen zu können. "Ich finde, es macht schon einen Einfluss, wenn man diese perfekten Mädchen die ganze Zeit sieht, mit solchen Lippen", sagt Victoria. Ihre Freundin Cynthia erzählt von Influencern, die mit Gewinnspielen locken. "Wenn du das und das machst, kriegst du Gesichtsauffüllung mit Botox oder so", erinnert sie sich.

Hohe Gewinnmargen locken - Ärzte und Scharlatane
Nicht nur die Nachfrage steigt, sondern auch das Angebot. Für Marcus Lenhardt, Facharzt für Plastische Chirurgie, keine Überraschung. "Sowohl Botox als auch Filler wie Hyaluron können sie für ungefähr 100 Euro pro Behandlung einkaufen. Die Behandlung wird dann für 300 bis 400 Euro angeboten." Innerhalb von einer Viertelstunde vervierfache sich somit die Investition. "Das ist eine hochattraktive Angelegenheit."
Lenhardt ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chriurgie (DGPRÄC). Zum einen beobachte die Gesellschaft, dass wegen der hohen Gewinnmargen immer mehr Ärzt:innen nur noch Schönheitsspritzen setzen. Aber es kämen eben auch immer mehr Scharlatane hinzu.
Schönheitschirurgie in Deutschland kein geschützter Begriff
Denn so vielfältig der Markt ist, so unübersichtlich ist er auch. "Schönheitschirurgie" ist in Deutschland kein geschützter Begriff. Anbieter:innen geben sich selbst verliehene Expertentitel wie "Beauty Docs" oder "Schönheitschirurgen", die eine "Qualifikation eines staatlich verliehenen Facharzttitels vortäuschen sollen", erklärt Lenhardt.
Die Schönheitsspritzen dürfen aber nur einige Berufsgruppen setzen. Botox darf nur von approbierten Ärzt:innen und Zahnärzt:innen injiziert werden, da es sich um ein verschreibungspflichtiges Medikament handelt. Hyaluron darf auch von Heilpraktiker:innen gespritzt werden.
Mehr Anzeigen wegen illegaler Botox-Behandlungen
Die 25-jährige Maria ist großer Fan von Botox und Hyaluron, lässt sich mit beidem seit ihrem 18. Lebensjahr regelmäßig spritzen, wie sie bei der spontanen rbb|24-Umfrage erzählt. Ihre Wangenknochen wirken unnatürlich hoch, ihre Lippen etwas schief. "Ich mag diesen Fake-Look halt", sagt sie selbstbewusst. "Auch alle meine Freundinnen spritzen sich auf. Ist doch voll normal geworden."
Maria ist aber auch ein Beispiel dafür, dass einiges schief gehen kann: "Bei mir wurde Hyaluron schon ein paar mal verkackt." Das heißt, dass sie nach einer Behandlung Knubbel in den Lippen hatte, typische Anzeichen dafür, dass das Material unter der Haut wandert.
Knubbel in den Lippen
Ursula Tanzella ist Chefärztin der Parkklinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie Birkenwerder in Brandenburg. "Knubbel können zum Beispiel als eine Entzündungsreaktion entstehen oder einfach, weil es in die falsche Schicht gespritzt wurde." Eine häufige Komplikation, wenn Expertise oder Übung des Behandlers fehle. Wenn Hyaluron versehentlich in den Muskel gespritzt werde, könne es auch zu Funktionsausfällen kommen, so Tanzella. So dass man nicht mehr richtig lächeln oder kauen könne.
Maria nimmt ihre misslungenen Behandlungen locker: "Es gibt immer ein Risiko. Ich habe es einfach aufgelöst und neu gemacht." Das geht allerdings nur innerhalb von zwei Wochen nach der Behandlung. Dafür wird das Enzym Hyalase in das Gewebe gespritzt, das dürfen wiederum nur Ärzt:innen machen, Heilpraktiker:innen nicht. Das Geld zurückverlangen konnte Maria nicht. "Da muss man ja vorher immer unterschreiben, dass das alles passieren kann."
Unkenntnis über Qualifikation
Wer Botox, wer Hyaluron spritzen darf, wer mit Hyalase wieder misslungene Hyaluron-Behandlungen auflösen kann: All das ist vielen Kund:innen nicht bekannt, zeigt die Umfrage der DGÄPC. 48,6 Prozent der unter 30-Jährigen wissen nicht, worin der Unterschied zwischen Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und selbsternannten "Schönheitschirurgen" besteht.
Tanzella rät dazu, darauf zu achten, dass vor einer Behandlung das Erstgespräch wirklich fundiert ist. Zudem sollten Interessierte auf die Lizenz der Behandler:innen achten sowie die hygienischen Standards.
Dunkelziffer von illegalen Behandler:innen hoch
In Berlin-Neukölln wurde kürzlich ein Barber-Shop geschlossen, der neben Haarschnitten auch Botox- und Hyaluron-Behandlungen anbot – unter fragwürdigen hygienischen Bedingungen. Eine Kundin meldete Mängel, woraufhin das Gesundheitsamt einschritt und den Salon wegen erheblicher Verstöße schließen ließ.
Bei der Berliner Polizei sind in den letzten zwei Jahren verstärkt Anzeigen wegen illegalen Botox-Behandlungen eingegangen. Mit der Anzahl der Angebote für Hyaluron- und Botox-Unterspritzungen steige die Anzahl der legal, aber auch der illegal handelnden Personen, so die Einschätzung der Polizei. Das Dunkelfeld sei hoch.
Ärztekammer warnt vor unseriösen Anbietern
Peter Bobbert ist Präsident der Berliner Ärztekammer. Er blickt auf den Markt der Schönheits-Operationen mit Sorge. "Wir sehen hier einen deutlich steigenden Markt mit Grauzonen - und das muss kontrolliert werden." Auf der Website der Ärztekammer heißt es ganz klar: "Auch ästhetische Leistungen sind ärztliche Leistungen, die nur in einer Praxis oder für eine gesetzlich zugelassene medizinische Einrichtung erbracht werden dürfen. Gewerbliche Firmen, wie Kosmetikstudios, dürfen in Berlin keine ärztlichen Leistungen anbieten."
Gleichzeitig verzeichnet die Ärztekammer immer mehr Anfragen von Ärzten genau in diese Richtung. Bobbert fordert mehr staatliche Regelungen. "Wir brauchen klare Zuständigkeiten und diejenigen, die dann zuständig sind, müssen dann auch entsprechend kontrollieren. Wir als Ärztekammer Berlin können nur Ärztinnen und Ärzte kontrollieren. Wir können nicht in Schönheitssalons oder Friseursalons gehen." Um die Risiken zu minimieren, sollten Interessierte deshalb nur in Arztpraxen Botox oder Hyaluron spritzen lassen, empfiehlt die Berliner Ärztekammer.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.02.2024, 19:30 Uhr
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