Interview | Charité-Forscher - "Für Allergiker gibt es nur noch eine kurze Zeit, in der sie keine Beschwerden haben"

Di 11.02.25 | 12:53 Uhr
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Pollen der Haselnuss schwirren am 25.02.2019 bei Temperaturen um 12 Grad Celsius durch eine Berliner Parkanlage. (Quelle: Picture Alliance/Wolfgang Kumm)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 11.02.2025 | Carsten Krippahl | Bild: Picture Alliance/Wolfgang Kumm

Die Haselpolle ist schon durch; Erle und auch die von vielen gefürchtete Birke kommen bald. Das Pollenjahr ist längst im Gange. Und es endet meist erst im sehr späten Herbst. Der Allergieforscher Karl-Christian Bergmann mit einem Ausblick für 2025.

rbb: Hallo Herr Bergmann. Womit müssen Allergiker in diesem Jahr rechnen?

Karl-Christian Bergmann: Wir müssen sicher damit rechnen, dass wir wieder einen relativ frühen Einfall der Birkenpollen haben. Im Vergleich zu letztem Jahr gibt es die Hoffnung, dass es dieses Jahr etwas weniger der Pollen gibt. 2024 war eine hohe Anzahl von Birkenpollen in der Luft – und die Birke hat die Eigenschaft dass sie normalerweise immer ein Jahr viele Pollen freisetzt und sich dann ein wenig ausruht.

Zur Person

Aber in den letzten fünf bis sieben Jahren haben wir einen stetigen Anstieg der Anzahl von Birkenpollen in der Luft, sodass ich nicht versprechen kann, dass Allergiker deutlich weniger Symptome haben. Dazu kommt, insbesondere bei Birkenpollen, dass man in größeren Städten beobachten kann, dass an Tagen, wenn die Luftbelastung verkehrsbedingt hoch ist und die Pollen in der Luft sind, Allergiker deutlich stärkere Symptome haben. Das merkt man in Berlin sehr deutlich. Denn dann gehen mehr Menschen in die Apotheken und kaufen sich Antihistaminika.

Wie steht es mit den anderen Pollen?

Die anderen Pollen, wie beispielsweise die Hasel, sind zum Teil schon durch. Sie können aber noch einmal wiederkommen. Denn es gab warme Tage und dann folgte wieder Kälte. Als nächstes wird die Erle kommen. Sie hat in den letzten Jahren zugelegt. Denn immer, wenn Bäume beispielsweise wegen Wassermangels oder erhöhten Temperaturen unter Stress kommen, wollen sie ihre Art erhalten. Dann setzen sie mehr Pollen frei – was ja sozusagen das Sperma der Pflanzen ist.

Immerhin rund 15 Prozent der erwachsenen Deutschen haben Heuschnupfen. Was beobachten Sie an Veränderungen im Allergiegeschehen in den letzten Jahren?

Wir beobachten, dass es für Allergiker nur noch eine kurze Zeit gibt, in der sie keine Beschwerden haben. Denn wir haben teils bis in den November hinein noch Kräuterpollen. Und im Dezember beginnt manchmal schon, so wie auch im letzten Jahr, die Purpur-Erle ganz besonders früh, ihre Pollen freizusetzen. Wer gegen Bäume, Gräser und Kräuter allergisch ist, hat kaum noch Monate, in denen er keine Medikamente nehmen muss.

Wer gegen Bäume, Gräser und Kräuter allergisch ist, hat kaum noch Monate, in denen er keine Medikamente nehmen muss

Karl-Christian Bergmann

 

Im vergangenen Jahr hatten wir hier in der Region an mehreren Tagen das Phänomen des Saharastaubs. Viele Allergiker litten da unter stärkeren Beschwerden. Wie kommt das?

Ja, da treten stärkere Symptome auf. Denn der feine Saharastaub bringt schon Irritationen an Augen, der Nasenschleimhaut und zum Teil auch in den Bronchien mit sich. Wenn die Schleimhäute dann sowieso schon gereizt sind, sind sie für Pollen noch empfänglicher. Sodass dann eine Kombination stattfindet, die zu stärkeren Beschwerden führen kann.

In Großstädten haben Allergiker oft stärkere Symptome als auf dem Land. Was müsste getan werden, wenn Stadtplanung auf Allergiker Rücksicht nehmen wollten?

Also einmal haben wir ja verstanden, dass die Kombination Pollen und Luftschadstoffe schwierig ist. In dieser Hinsicht ist das meiste ja doch verkehrsbedingt. Das heißt, man müsste versuchen, die verkehrsbedingte Luftverschlechterung in den Städten zu vermeiden. Wie auch immer das geht.

Zudem müsste man zusehen, dass in den Städten möglichst wenig Bäume wachsen, unter deren Pollen viele Menschen leiden. Da geht es insbesondere um die Birke, die Erle und die Haselnuss. Sie sollen nicht neu gepflanzt werden. Es gibt genügend Bäume, wie beispielsweise die Linde oder die Kastanie, die nicht zu Allergien führen.

Daneben ist bei der Stadtplanung – und Berlin gibt sich wirklich große Mühe und möchte eine Allergiker-freundliche Hauptstadt werden – die Anwesenheit von Wasser und Grünflächen sehr wichtig. Außerdem ist es wichtig, dass es weniger hohe Bauten gibt. Denn je höher die Bauten in der Umgebung des eigenen Wohnortes, umso mehr leidet darunter die Lebensqualität.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.02.2025, 10:08 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    @Jochen: Esskastanie steht bereits seit meiner Kindheit u.a. am Augustaplatz in Lichterfelde und eine kleine, junge an der Saargemünder Straße in Zehlendorf (Testbaum?). Und ja, halte ich für eine brauchbare Idee.
    Auch den Gleditschien scheint es hier gut zu gehen, genauso wie den Robinien.
    Wie gesagt, da sollten sich paar Fachmenschen zusammensetzen.
    Bin nur halb vom Fach als Holzwurm.

  2. 8.

    Hyposensibilisierung wäre nicht nur eine Kassenleistung, sondern auch eine Möglichkeit - nicht nur gegen den Wald- und Wiesenschnupfen. Auch kann man sich ja als Vorbeugung mal mit dem sog. "Bauernhof-Effekt" auseinandersetzen. Diese Hinweise hätte ich von einem Prof erwartet.
    Nur "Pillen einschmeißen" lindert zwar die Symptome, hilft aber langfristig eher wenig. Dieser zunehmende Sterilitätswahn wird, neben den aufgeführten Dingen, auch einen nicht unwesentlichen Teil zur Misere beitragen.

  3. 7.

    Na, Sie haben den Text aber gründlich mißverstanden. Es gehtnur darum, daß keine allergenen Bäume mehr gepflanzt werden, sondern anstelle von Hasel, Birke und Erle andere.

  4. 6.

    Das ist doch Quatsch Bäume zu verbannen, weil Menschen allergisch sind. Sollen dann auch Gärten geschlossen und Rasenflächen zu betoniert werden? Hier leben auch andere Lebewesen. Sollen die dann auch wegziehen? Und als Dank sterben wir dann an Herz-Kreislauf- Versagen. Vielleicht sollte einfach mal mehr Grün in die Städte, dann könnte sich das Immunsystem daran gewöhnen und würde weniger stark ausrasten, hinzu kommt, dass auch die Luftqualität besser werden würde....

  5. 5.

    Man könnte es mit der Edelkastanie statt der Rosskastanie probieren. Die kommt ja aus wärmeren Gefilden und hat zumindest einen unschlagbaren Vorteil: die Früchte sind recht lecker wenn man sie röstet, oder auch gekocht als Beilage verwendet. Allergietechnisch... keine Ahnung.

  6. 4.

    Heute ist es windig, mehr Pollen fliegen herum, das macht sich sofort bemerkbar.
    Seitdem der Klimawandel mit den langen Trockenphasen, den heißen Sommern und den ausbleibenden Wintern in vollem Gange ist, haben sich meine Heuschnupfensymptome sukzessive verschlimmert. Auch die Zunahme von Ambrosiapollen sind Zündstoff fürs Immunsystem. Da geht es mir leider im ländlichen Brandenburg nicht besser als in Berlin.
    Im letzten Absatz ist alles formuliert, was auf die politische Agende gehört. Danke dafür!

  7. 3.

    Ausgerechnet die von mir genannten Pflanzen stört der kleine, Februar-typische Rausschmeißer vom Winter nicht. Die sind alle frostresistent und klassische Vorfrühlingspflanzen.
    Obstblüte habe ich bislang noch keine gesichtet - Sie?

    Die Idee des Allergologen mit ausgerechnert der Kastanie halte ich für unklug. Das sind die Bäume, die mittlerweile im August kahl sind (Fotobeweis von 2024 liegen vor) und massiv unter Stadt und Klima und Miniermotte leiden. Linden machen bei der Blüte auch Nichtallergikern Kopfschmerzen und nicht nur die Autofahrer sind bei deren Blüte von den dann self-adhesiven Straßen etwas genervt. (Jajaa, sie riechen schon schön.)
    Da müssen wohl ein paar Fachrichtungen zusammenkommen für die beste Lösung.

  8. 2.

    Und dann kommt der böse Frost und macht wieder alles kaputt.
    So war es im vorigen Jahr bei der Obstblüte.

  9. 1.

    Gerade vor zwei Tagen Foto von Erlenblüte in Blankensee gemacht.
    In Berlin Krokusse fotografiert, Tulpen sind halb raus.
    Der Vorfrühling ist in vollem Gange: Hamamelis voll erblüht, Winterjasmin ebenso. Winterlinge, Schneeglöckchen sowieso.

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