Interview | Arbeiter stirbt auf Windrad - "Bei 140 Metern war klar, dass die Höhenrettung benötigt wird"

Fr 07.02.25 | 16:34 Uhr
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Symbolbild: Die Höhenretter der Feuerwehr am 15.07.2020 bei einer Übung von einer Bergung eines Verletzten in der Reichstagskuppel. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: Antenne Brandenburg | Studio Cottbus | 07.02.2025 Symbolbild | Bild: dpa/Britta Pedersen

Ein Monteur wird bei der Arbeit auf einem Windrad in Spremberg bewusstlos und stirbt. In 140 Metern Höhe kämpfen unter anderem Höhenretter um sein Leben - mit dabei Frank Wache. Im Interview erzählt er, was diese Einsätze so herausfordernd macht.

Auf einer Windkraftanlage in Spremberg (Spree-Neiße) ist am Donnerstagabend ein Arbeiter einer Wartungsfirma bewusstlos geworden und verstorben. Ein Kollege des Mannes hatte zunächst versucht, ihn wiederzubeleben. Im Einsatz waren auch die Höhenretter der Werkfeuerwehr des Energiekonzerns Leag. Von der Leitstelle Lausitz waren sie eigens hinzugerufen worden.

rbb|24: Herr Wache, Sie sind der Leiter der Werksfeuerwehr bei der Leag und für alle Lausitzer Standorte des Unternehmens verantwortlich. Was haben Sie am Einsatzort vorgefunden?

Frank Wache: Wir wurden in den Abendstunden zur Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr Spremberg gerufen. Das Einsatzstichwort lautete "bewusstlose Person auf einer 140 Meter Windenergieanlage". Wir sind mit unseren Einsatzkräften dorthin gefahren, weil bei 140 Metern klar war, dass die Höhenrettung benötigt wird.

Wie sind Sie für solche ein Höhenrettung ausgestattet?

Jeder Höhenretter hat erstmal seine persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz. Das ist ein Gurtzeug mit mehreren Utensilien, wie Karabinerhaken, Abfahrgeräte und ähnliches. Dann haben wir noch Spezialtechnik dabei, damit wir Patienten einbinden können, ein Dreieckstuch und eine spezielle Trage. Die werden mit Seilen am Gurtzeug befestigt, damit wir uns aus großen Höhen abseilen können. Man hat immer zwei Seilpaare, die an der Anlage hängen. An diesen Seilpaaren fahren wir dann hinunter.

Der Patient würde dabei auf die Trage kommen, wenn wir ihn liegend transportieren müssen. Ist der Patient noch ansprechbar nutzen wir das Dreieckstuch. Man muss sich das so vorstellen, dass er ganz eng an den Retter gebunden wird, an dessen persönliche Schutzausrüstung. Bei der Lage am Donnerstag würde man aber immer eine Schleifkorbtrage oder eine Nesttrage nehmen. Dort kann der Patient ordentlich eingebunden werden und wird liegend nach unten gefahren. Der Retter ist ganz dicht am Patienten dran und der Patient wird dann so schonend wie möglich zu Boden gebracht.

Dafür müssen wir uns oben Anschlagpunkte suchen, die haben eine gewisse Tragfähigkeit aufzuweisen. Dann werden unsere Seile dort angebaut und dann fahren wir an den Seilen diese 140 Meter hinunter.

Nutzen Sie für den Weg nach oben den gleichen Weg, wie die Monteure?

Genau. Bei diesem Einsatz handelte es sich nicht um einen Turm, es ist ein Gittermast gewesen. An diesen Gittermasten sind ganz kleine Fahrstühle dran, da können sich eine bis maximal zwei Personen hineinstellen und hochfahren. Sollte der Fahrstuhl nicht zur Verfügung stehen, weil er etwa oben bei den Monteuren ist oder defekt, dann müssen wir natürlich diese 140 Meter hochklettern. Wir haben immer ein Einsatzziel, laut dem vier Höhenretter und ein Ausbilder vor Ort sein müssen, um überhaupt tätig werden zu können. Das sieht auch die Berufsgenossenschaft so vor. Am Donnerstagabend waren wir insgesamt mit sieben Kräften vor Ort.

Sie haben auf dem Windrad dann den bewusstlosen Mann und einen Kollegen angetroffen. Wie ging es weiter?

Da hatten die Erste-Hilfe-Maßnahmen schon begonnen. Als wir oben angekommen sind haben wir die dann übernommen. Auch unsere Höhenretter sind ausgebildete Rettungssanitäter, können dort ihre Erstmaßnahmen durchführen. Alles weitere geht dann nach dem Einsatzablauf. Die Technik, die auch der Rettungsdienst vor Ort hat, beispielsweise ein Defibrilator, wird von uns an die Einsatzstelle gebracht. Alle weiteren Abstimmungen gibt es dann mit dem Notarzt, der auch vor Ort ist.

Die wenigsten mussten schonmal Erste Hilfe leisten, schon gar nicht in 140 Metern Höhe. Was sind dabei besondere Herausforderungen?

Ein Problem ist der geringe Platz. Je nach Anlage hat man mal zehn oder 15 Quadratmeter. Es ist schon sehr eng. Viel mehr ist es nicht, weil da oben auch Maschinen und Anlagen verbaut sind. Es ist aber auch der Wind, der dort oben herrscht. Wir müssen uns dann so positionieren, dass wir windgeschützt arbeiten können. Mitunter muss der Patient auch in die mechanische Gondel verbracht werden. Das sorgt auch für andere Temperaturen, wenn es dort oben so windig ist.

Am Boden hatten wir am Donnerstag Windstille, oben war es sehr windig. Ein Schwanken bekommt man oben aber nicht mit, weil man keinen Bezugspunkt hat. Auf Baumhöhe beispielsweise hätte man so einen Bezugspunkt, aber dort oben ist ein Schwanken nicht wahrzunehmen.

Sie konnten dem Mann am Donnerstag nicht mehr helfen. Inwiefern ist solch ein Einsatz auch für Sie eine Belastung?

Wir sind zwar für solche Einsatzlagen geschult, dennoch ist das für uns auch immer besonders, wenn wir an unsere Grenzen kommen und feststellen, hier konnten auch wir nicht mehr helfen. Dafür haben wir ein Kriseninterventionsteam vor Ort gehabt, also Seelsorger. Die haben sich um die Einsatzkräfte und die anderen Betroffenen gekümmert. Das hilft uns immer sehr.

Was für Einsätze haben Sie sonst?

Bei der Leag haben wir mehrere Einsatzgebiete. Einmal die Kraftwerksanlagen: Man sieht von außen immer nur die Hülle, aber innen sind natürlich hohe Anlagen, in denen wir trainieren, beziehungsweise auch schon Einsatzlagen hatten. Dann haben wir die Tagebaugroßgeräte, ob das ein Bagger ist, ein Absetzer oder das Besucherbergwerk F60. Dort hatten wir auch in den letzten Jahren immer wieder Einsätze. Dann haben wir noch die Windenergieanlagen. Vor kurzem wurden wir auch in die Stadt Guben gerufen. Dort haben wir bei der Höhenrettung eines Patienten aus einem Fenster unterstützt, weil alle anderen Möglichkeiten nicht mehr gingen. Es gibt viele verschiedene Szenarien und Einsatzorte, an denen wir aktiv werden können.

Es gibt in Deutschland einige Berufsfeuerwehren, die auch Höhenrettungsgruppen haben. Wir haben uns in den letzten Jahren dazu entschieden, die Ausbildungsmaßnahmen mit den Windenergieanlagen zu verschärfen. In den Wochenlehrgängen haben wir immer einen Ausbildungskurs dabei, bei dem wir auf den Anlagen sind, um im Einsatzfall zu wissen, wie sehen die Anlagen aus, wie kommen wir hoch, wie kommen wir runter.

Vielen Dank für das Gespräch.

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das Interview führte Iris Wussmann für Antenne Brandenburg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.02.2025, 14:40 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Stand der Notarzt jetzt unten und hat sich nicht hoch getraut, habe ich das richtig gelesen? Wenn es da Aufzüge gibt, dann kann doch da jeder hoch, wozu braucht es denn in diesem Fall Höhenretter? Die werden doch erst später wichtig. Vermutlich stelle ich mir das zu einfach vor. Der erste sollte doch der Notarzt sein, der da Hand anlegt. Das gibt doch nichts schlimmeres, wie wenn einer von der Arbeit nicht mehr nach Hause kommt.

  2. 4.

    Bei meiner Sanitäterausbildung bei der Bundeswehr gab es immer eine Ansage, wenn jemand das Dreiecktuch als Dreieck's'tuch bezeichnete. ;)
    Mein größter Respekt gilt allen, die unter solchen Bedingungen noch funktionieren. Ich selbst habe – wie viele andere auch – schon mit der Höhe allein zu kämpfen. An Erste Hilfe wäre in 140 Metern für mich nicht mehr zu denken.

  3. 3.

    Satire oder Sarkasmus bitte kennzeichnen, sonst entsteht ein völlig falsches Bild. Denn die Retter der LEAG unterliegen dem Tarifvertrag der IGBCE. Bitte sachlich bleiben bei ernsten Themen, Danke!

  4. 2.

    Einfach nur beeindruckend, was diese Menschen leisten. Aus gutem Grund verdient so ein Höhenretter dann auch 10mal soviel wie ein Investmentbanker ...

  5. 1.

    Friede der Seele des Verstorbenen, viel Kraft den Hinterbliebenen und größte Hochachtung für den Mut und den EInsatz der Retter.

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