Deutlich mehr Unbrauchbares - Abfallflut in Kleidercontainern

Seit Jahresbeginn dürfen Textilen nicht mehr im Hausmüll entsorgt werden. Seitdem landet viel Unbrauchbares in Kleidercontainern. Für Hilfsorganisationen ist das ein gewaltiges und teures Problem. Von Lisa Splanemann
Ein junger Mann kommt mit einem Schwung Kleidung in den Textilhafen der Berliner Stadtmission. Mützen, Socken, Hosen und Pullover hat er dabei. Eine Mitarbeiterin geht mit ihm die Kleidungsstücke Schritt für Schritt durch. "Bei den Socken müssen wir an den Fersen gucken, ob sie durchgelaufen sind, aber das funktioniert hier super." Die Textilien sind in einem guten Zustand und werden von der Mitarbeiterin entgegengenommen. Solche Kleiderspenden werden dringend benötigt.
Der Textilhafen befindet sich in einer großen Halle an der Storkower Straße – hier ist auch eine der Annahmestellen für Kleider- und Sachspenden der Berliner Stadtmission. Darüber hinaus wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort die gespendete Kleidung genau begutachtet und sortiert.
Elf Tonnen pro Woche
Die Berliner Stadtmission gibt an obdachlose und bedürftige Menschen Kleidung aus. Insbesondere im Winter sind viele von ihnen auf warme Jacken oder Schuhe angewiesen. Bei Eisnächten wie zuletzt ist das überlebenswichtig.
Doch mit Beginn des neuen Jahres hat die Spendenbereitschaft abgenommen. Hinzu kommt, dass oft Produkte in den Kleidercontainern landen, die nicht weiterverwendet werden können. Für Hilfsorganisationen wird das zunehmend zu einem großen Problem.
Laut Stadtmission kommen beim Textilhafen durchschnittlich elf Tonnen Kleidung pro Woche an. An großen Tischen stehen Mitarbeiter, nehmen die Textilien in die Hand und schauen nach Löchern oder abgeriebenen Stellen. Nicht immer sind die Kleiderspenden brauchbar. Manches ist bereits verschlissen, anderes saisonal unpassend.
Die Mitarbeitenden suchen deshalb das Gespräch mit Menschen, die Spenden vorbeibringen. Sie wollen aufklären, damit gar nichts erst abgegeben wird, was nicht verwendet werden kann. "Wenn uns die Leute Sachen bringen, die wir gar nicht brauchen, dann haben wir eine Flut an Dingen, die wir hin- und herkarren und lagern müssen", erklärt Barbara Breuer, die Sprechersprecherin der Berliner Stadtmission. "Das übersteigt unsere Kapazitäten."
Bei der Berliner Stadtmission seien 2023 rund 17 Prozent der Kleiderspenden für die Ausgabestelle, die Kleiderkammer, nutzbar gewesen. Rund elf Prozent seien zu den Kiezläden gegangen, um die Produkte dort zu verkaufen, ein weiterer Teil sei im sogenannten Materialpool gelandet. Was übrig geblieben ist, habe kostenpflichtig entsorgt werden müssen.
Anderen Organisationen geht es ähnlich. Das Deutsche Rote Kreuz sammelt nach eigenen Angaben jährlich 70.000 bis 80.000 Tonnen Altkleider. Nur die Hälfte davon sei noch tragbar.

Seit Jahresbeginn kommt mehr Unbrauchbares
Ein zerschlissener Hausschuh liegt im Textilhafen auf dem Sortiertisch. Die Sohle hat sich bereits gelöst. "Für uns ist das keine gute Spende", sagt Annett Kapplow, die zum Leitungsteam im Textilhafen gehört, daran merke man, "dass Menschen schnell ausmisten wollen und das landet auch leider bei uns."
Der Verein beobachtet, dass seit dem 1. Januar immer mehr minderwertige Kleidungsstücke in den Containern landen. Die Qualität der Textilien nimmt ab. Seit Beginn des neuen Jahres gelten für das Entsorgen von Altkleidern verschärfte Regulierungen, wonach Textilien nicht mehr in der Restmülltonne entsorgt werden sollen.
Die Kommunen müssen nun andere Entsorgungsmöglichkeiten schaffen. Offenbar aus Verunsicherung wird nun vieles in Kleidercontainer geworfen, das dort eigentlich nicht hingehört. Für Hilfsorganisationen ist das eine enorme Herausforderung.
"Das ist für uns natürlich schrecklich", betont Breuer. Im vergangenen Jahr sei für die Entsorgung von Müll aus den Kleidercontainern rund 10.000 Euro ausgegeben worden. "Für uns als Hilfsorganisation ist das ein riesiger Batzen", so die Pressesprecherin.
Statistisch zwei Kilo Abfall pro Person
Im Durchschnitt kaufen Europäer jedes Jahr fast 26 Kilogramm Textilien, so das Europäische Parlament. Etwa elf Kilogramm davon werden weggeworfen. Anderes kommt nur selten oder überhaupt nicht zum Einsatz.
Laut der Organisation Greenpeace werde noch immer jedes fünfte Kleidungsstück seltener als alle drei Monate getragen. Verbraucher verkaufen die ungenutzten Textilien, werfen häufig Getragenes in die Mülltonne oder geben wenig getragene Kleidung an Sammelstellen.
Allein in Deutschland wurden 2023 laut Statistischem Bundesamt rund 175.000 Tonnen Bekleidungs- und Textilabfälle aus Privathaushalten eingesammelt. Überwiegend von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, umgerechnet seien das rund zwei Kilogramm pro Kopf.
Spenden verursachen immer auch Kosten
Die Berliner Stadtmission ist auf Spenden angewiesen. Insbesondere im Winter für Obdachlose. Wie viele Menschen genau in Berlin auf der Straße leben, ist unklar. In der Kleiderkammer des Vereins werden täglich 180 Menschen mit Kleidung versorgt. 2023 seien insgesamt 24.510 Personen eingekleidet worden, heißt es.
Auf dem Gelände an der Lehrter Straße stehen neun Kleidercontainer. Weitere befinden sich etwa in Kreuzberg oder Neukölln. "Ich habe alles eingepackt, was noch in Ordnung ist, aber zu schade zum Wegschmeißen wäre", sagt eine Passantin, die in einer großen Tragetasche Wintersachen vorbeibringt. "Damit andere etwas zum Anziehen haben."
Die Kleidercontainer werden regelmäßig geleert, ihr Inhalt zum Textilhafen mit einem Lastwagen transportiert. Dort wird sortiert und in Kisten gepackt, die anschließend zur Kleiderkammer in die Lehrter Straße kommen. Obwohl die Kleidung gespendet wird, entstehen Kosten. Im Schnitt würden rund 18 Euro anfallen, um einen Menschen einzukleiden, erläutert Barbara Breuer. Personal, Lagerräume, Transport – all das muss finanziert werden.
Spendenbereitschaft vor Weihnachten am größten
Besonders in der Weihnachtszeit wird viel gespendet. "Im Dezember kriegen wir immer sehr viele Spenden, Leute denken an obdachlose Menschen", erzählt die Pressesprecherin der Berliner Stadtmission, es sei "die Zeit des Gebens". In den ersten Monaten eines neuen Jahres flaue das Ganze dann wieder ab.
Diese Phasen sind auch bei Geldspenden zu beobachten. Laut Deutschem Spendenrat wurden im vergangenen Jahr 5,1 Milliarden Euro gegeben. Ein großer Teil davon während der Weihnachtszeit. Im Vergleich zu 2023 ist das Spendenvolumen um zwei Prozent gestiegen. Gleichzeitig sei "die Anzahl der Spenderinnen und Spender wieder zurückgegangen", so Geschäftsführer Martin Wulff. Im Durchschnitt betrug eine Spende im vergangenen Jahr 43 Euro, im Jahr davor waren es 40 Euro. Besonders gern spenden in die Deutschen an regionale und nationale Einrichtungen.
In der Kleiderkammer in der Lehrter Straße steht ein Mitarbeiter an einem Regal. Winterschuhe und dicke Jacken befinden sich dort. Einen guten Überblick zu haben, erleichtert die Beratung, wenn jemand ein konkretes Bedürfnis hat. Halten die Schuhe Feuchtigkeit ab, wenn sie rund um die Uhr auf der Straße getragen werden? Sind die richtigen Größen vorhanden? Welche Jacken? "Es ist einfach extrem kalt."
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.02.2025, 07:30 Uhr
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