"Lit", "Slay", "Sheesh" - Wirtschaftsregion Lausitz will Strukturwandel durch Jugendsprache besser vermitteln

Ein Großteil der Lausitzer Jugend bekommt laut Untersuchungen vom Strukturwandel gar nichts mit. Mit zwei Videos - gezielt in Jugendsprache formuliert - will die Wirtschaftsregion Lausitz das ändern. Ist das genial oder einfach nur cringe? Von Florian Ludwig
Die Zahlen sind alarmierend: 93 Prozent der Jugendlichen in der Lausitz fühlen sich schlecht über den Strukturwandel informiert, 90 Prozent fühlen sich nicht genügend einbezogen. Rund die Hälfte würde sich engagieren - wenn sie gezielt angesprochen wird. In die Lausitz fließen im Zuge des Strukturwandels Milliarden von Bund und Land - doch die Jugend in der Region bekommt das laut einer Untersuchung des Projekts "Revierwende" des DGB kaum bis gar nicht mit.
Die Wirtschaftsregion Lausitz (WRL) will das offenbar ändern. Als eigener Akteur im Strukturwandel steuert sie die Vergabe der Fördermittel und will das nach außen tragen. In zwei aktuellen Videos auf der Plattform Instagram will die WRL deshalb die bisherigen Errungenschaften des Wandels in den Mittelpunkt stellen. Das gewählte Mittel: der exzessive Einsatz von Jugendsprache.
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Meme-Sprache im Strukturwandel
Die Videos, bei Instagram als "Reels" bezeichnet, stechen aus dem Social-Media-Auftritt der WRL heraus. Üblicherweise wird dort sachlich über den Strukturwandel informiert. In den aktuellen Videos ist das anders. Fast ausschließlich tritt Ingvil Schirling, die Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der WRL, hier auf. In den Videos steht sie beispielsweise vor dem Neuen Bahnwerk, vor der Medizinischen Universität Lausitz, auf dem Aussichtspunkt am Cottbuser Ostsee oder auch auf dem Baufeld für den geplanten Lausitz Science Park.
Schirling kommentiert die Spielorte dabei bewusst in Jugendsprache. Das Bahnwerk sei beispielsweise "next level", die Aussicht vom Turm "hittet einfach anders", die Verdopplung der Stromerzeugungskapazitäten gebe "+1000 Aura". Es handelt sich dabei um Formulierungen, die vor allem in Kommentaren von Social-Media-Plattformen oder auch direkt in Memes auftauchen. Manche, wie die Begriffe "Slay" oder "Fly" stammen aus der gesprochenen Jugendsprache.
Auch andere Unternehmen haben diese Art von Videos bereits veröffentlicht.
WRL will etwas ausprobieren
Ernst gemeint sind die Videos offenbar nicht. Am Ende des zweiten Videos sagt eine Stimme aus dem Off, dass die letzte Aufnahme "schon fast zu cringe" war, sinngemäß also zu sehr zum Fremdschämen. Schirling antwortet darauf gespielt ungläubig und erklärt, sie habe doch nur die Wahrheit "gedropt".
Auch Heiko Jahn, Geschäftsführer der WRL, gibt zu, die Videos seien in erster Linie ironisch gemeint. Dennoch wolle die WRL mit diesem Weg etwas Neues ausprobieren. Die junge Generation pflege einen anderen Sprachstil, als die mittlere oder ältere Generation. Bewusst habe man deshalb eine andere Ansprache gewählt. "Ich denke, es ist ganz gut angekommen", so Jahn. In der Tendenz seien die Reaktionen auf die Videos positiv.
Rund 100 Likes hat das erste Video Stand Mittwochvormittag, und dabei zwar nur vier, dafür aber positive Kommentare bekommen. Das zweite Video ist bislang knapp 50 mal geliket worden, bei zwei eher negativen Kommentaren. Auf Instagram hat die WRL rund 1.900 Follower.
Ansprache je nach Zielgruppe
Die Videos sollen laut Jahn gezielt Jugendliche ansprechen, "weil die ja eigentlich die sind, für die wir diesen Strukturentwicklungsprozess machen", wie er sagt. Er selbst nutze Instagram kaum.
"Wenn ich mich fremdgeschämt hätte, dann hätten wir das gar nicht aufgesetzt" sagt Jahn. Er habe sich dabei an seine eigene Jugend erinnert und daran, dass er selbst Begriffe genutzt habe, die die ältere Generation nicht mehr verstanden hätte. Jahn denkt dabei beispielsweise an die Formulierung "das fetzt" - es habe damals sogar eine Süßigkeit mit dem Namen "Fetzer" gegeben. "Selbst die SED-Parteiführung ist eingestiegen auf die Jugendsprache seinerzeit", sagt Jahn und muss lachen.
Jahn betont aber, dass nun nicht die gesamte Außenkommunikation der WRL in diesem Stil stattfinde. Man sei weiterhin auch in klassischen Medien vertreten, andere Texte hätten dabei auch einen anderen Sprachstil. Punktuell wolle man aber solche Videos weiter produzieren.
Medienwissenschaftler hält Video für gelungen
Mitverantwortlich für die Videos ist Niklas Arnold, Social Media-Manager bei der WRL. Er schaue immer auf Trends in sozialen Netzwerken, vor allem nach solchen, die sich schnell und ohne großes Budget umsetzen lassen. Der Trend der exzessiv genutzten Jugendsprache in Tiktok-Videos und Instagram-Reels habe sich dafür gut geeignet - zumal so auch die einzelnen Strukturwandelprojekte vorgestellt werden können.
Er wisse, dass die Themen der WRL nicht für die breite Masse geeignet sind, so Arnold. Dennoch habe er möglichst viele Menschen erreichen wollen. Vor allem junge Lausitzer sollen die Videos sehen, die Fakten zum Strukturwandel seien deshalb lockerer dargestellt.
Aus Sicht des Medienwissenschaftlers Denis Newiak von der BTU Cottbus-Senftenberg ist das Video gelungen, auch wenn das Geschmackssache ist, wie er sagt. Es werde deutlich, dass darin mit Klischees gespielt wird. Besonders gut findet Newiak die spürbare Selbstironie, wie er sagt. Videos in sozialen Medien seien immer um Autentizität bemüht, die sei aber meist gespielt. Newiak sagt, dass die WRL-Videos dadurch charmant werden, dass darin absichtlich nicht besonders gut geschauspielert wird.
Newiak lobt den Versuch, etwas Neues auszuprobieren ausdrücklich. Das sei besser, als anderen die neuen Medien zu überlassen. Allerdings sagt der Wissenschaftler auch, dass sich Ausdauer in sozialen Netzwerken auszahle - die WRL müsste also weiter nachlegen.
Eine Idee für ein weiteres Video hat die WRL aber noch nicht. Social Media-Manager Niklas Arnold will aber die TikTok- und Instagram-Trends weiter verfolgen - dort gebe es nahezu wöchentlich Neues.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 05.02.2025, 19:30 Uhr