"Lit", "Slay", "Sheesh" - Wirtschaftsregion Lausitz will Strukturwandel durch Jugendsprache besser vermitteln

Mi 05.02.25 | 13:56 Uhr
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Screenshot aus einem der Instagram-Videos der WRL (Bild: Screenshot Instagram)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 05.02.2025 | Nachrichten | Bild: Screenshot Instagram

Ein Großteil der Lausitzer Jugend bekommt laut Untersuchungen vom Strukturwandel gar nichts mit. Mit zwei Videos - gezielt in Jugendsprache formuliert - will die Wirtschaftsregion Lausitz das ändern. Ist das genial oder einfach nur cringe? Von Florian Ludwig

Die Zahlen sind alarmierend: 93 Prozent der Jugendlichen in der Lausitz fühlen sich schlecht über den Strukturwandel informiert, 90 Prozent fühlen sich nicht genügend einbezogen. Rund die Hälfte würde sich engagieren - wenn sie gezielt angesprochen wird. In die Lausitz fließen im Zuge des Strukturwandels Milliarden von Bund und Land - doch die Jugend in der Region bekommt das laut einer Untersuchung des Projekts "Revierwende" des DGB kaum bis gar nicht mit.

Die Wirtschaftsregion Lausitz (WRL) will das offenbar ändern. Als eigener Akteur im Strukturwandel steuert sie die Vergabe der Fördermittel und will das nach außen tragen. In zwei aktuellen Videos auf der Plattform Instagram will die WRL deshalb die bisherigen Errungenschaften des Wandels in den Mittelpunkt stellen. Das gewählte Mittel: der exzessive Einsatz von Jugendsprache.

Hinweis: Sie können die Videos ansehen, wenn Sie auf die Schalttafel "Inhalt laden" klicken.

Meme-Sprache im Strukturwandel

Die Videos, bei Instagram als "Reels" bezeichnet, stechen aus dem Social-Media-Auftritt der WRL heraus. Üblicherweise wird dort sachlich über den Strukturwandel informiert. In den aktuellen Videos ist das anders. Fast ausschließlich tritt Ingvil Schirling, die Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der WRL, hier auf. In den Videos steht sie beispielsweise vor dem Neuen Bahnwerk, vor der Medizinischen Universität Lausitz, auf dem Aussichtspunkt am Cottbuser Ostsee oder auch auf dem Baufeld für den geplanten Lausitz Science Park.

Schirling kommentiert die Spielorte dabei bewusst in Jugendsprache. Das Bahnwerk sei beispielsweise "next level", die Aussicht vom Turm "hittet einfach anders", die Verdopplung der Stromerzeugungskapazitäten gebe "+1000 Aura". Es handelt sich dabei um Formulierungen, die vor allem in Kommentaren von Social-Media-Plattformen oder auch direkt in Memes auftauchen. Manche, wie die Begriffe "Slay" oder "Fly" stammen aus der gesprochenen Jugendsprache.

Auch andere Unternehmen haben diese Art von Videos bereits veröffentlicht.

WRL will etwas ausprobieren

Ernst gemeint sind die Videos offenbar nicht. Am Ende des zweiten Videos sagt eine Stimme aus dem Off, dass die letzte Aufnahme "schon fast zu cringe" war, sinngemäß also zu sehr zum Fremdschämen. Schirling antwortet darauf gespielt ungläubig und erklärt, sie habe doch nur die Wahrheit "gedropt".

Auch Heiko Jahn, Geschäftsführer der WRL, gibt zu, die Videos seien in erster Linie ironisch gemeint. Dennoch wolle die WRL mit diesem Weg etwas Neues ausprobieren. Die junge Generation pflege einen anderen Sprachstil, als die mittlere oder ältere Generation. Bewusst habe man deshalb eine andere Ansprache gewählt. "Ich denke, es ist ganz gut angekommen", so Jahn. In der Tendenz seien die Reaktionen auf die Videos positiv.

Rund 100 Likes hat das erste Video Stand Mittwochvormittag, und dabei zwar nur vier, dafür aber positive Kommentare bekommen. Das zweite Video ist bislang knapp 50 mal geliket worden, bei zwei eher negativen Kommentaren. Auf Instagram hat die WRL rund 1.900 Follower.

Ansprache je nach Zielgruppe

Die Videos sollen laut Jahn gezielt Jugendliche ansprechen, "weil die ja eigentlich die sind, für die wir diesen Strukturentwicklungsprozess machen", wie er sagt. Er selbst nutze Instagram kaum.

"Wenn ich mich fremdgeschämt hätte, dann hätten wir das gar nicht aufgesetzt" sagt Jahn. Er habe sich dabei an seine eigene Jugend erinnert und daran, dass er selbst Begriffe genutzt habe, die die ältere Generation nicht mehr verstanden hätte. Jahn denkt dabei beispielsweise an die Formulierung "das fetzt" - es habe damals sogar eine Süßigkeit mit dem Namen "Fetzer" gegeben. "Selbst die SED-Parteiführung ist eingestiegen auf die Jugendsprache seinerzeit", sagt Jahn und muss lachen.

Jahn betont aber, dass nun nicht die gesamte Außenkommunikation der WRL in diesem Stil stattfinde. Man sei weiterhin auch in klassischen Medien vertreten, andere Texte hätten dabei auch einen anderen Sprachstil. Punktuell wolle man aber solche Videos weiter produzieren.

Medienwissenschaftler hält Video für gelungen

Mitverantwortlich für die Videos ist Niklas Arnold, Social Media-Manager bei der WRL. Er schaue immer auf Trends in sozialen Netzwerken, vor allem nach solchen, die sich schnell und ohne großes Budget umsetzen lassen. Der Trend der exzessiv genutzten Jugendsprache in Tiktok-Videos und Instagram-Reels habe sich dafür gut geeignet - zumal so auch die einzelnen Strukturwandelprojekte vorgestellt werden können.

Er wisse, dass die Themen der WRL nicht für die breite Masse geeignet sind, so Arnold. Dennoch habe er möglichst viele Menschen erreichen wollen. Vor allem junge Lausitzer sollen die Videos sehen, die Fakten zum Strukturwandel seien deshalb lockerer dargestellt.

Aus Sicht des Medienwissenschaftlers Denis Newiak von der BTU Cottbus-Senftenberg ist das Video gelungen, auch wenn das Geschmackssache ist, wie er sagt. Es werde deutlich, dass darin mit Klischees gespielt wird. Besonders gut findet Newiak die spürbare Selbstironie, wie er sagt. Videos in sozialen Medien seien immer um Autentizität bemüht, die sei aber meist gespielt. Newiak sagt, dass die WRL-Videos dadurch charmant werden, dass darin absichtlich nicht besonders gut geschauspielert wird.

Newiak lobt den Versuch, etwas Neues auszuprobieren ausdrücklich. Das sei besser, als anderen die neuen Medien zu überlassen. Allerdings sagt der Wissenschaftler auch, dass sich Ausdauer in sozialen Netzwerken auszahle - die WRL müsste also weiter nachlegen.

Eine Idee für ein weiteres Video hat die WRL aber noch nicht. Social Media-Manager Niklas Arnold will aber die TikTok- und Instagram-Trends weiter verfolgen - dort gebe es nahezu wöchentlich Neues.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 05.02.2025, 19:30 Uhr

16 Kommentare

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  1. 16.

    In dem Video zeigt die Frau auf Investitionen, die aus dem Westen finanziert wurden. Das hat mit Strukturwandel nichts zu tun, denn was hat sich denn (strukturelle) geändert? Strukturwandel ist für mich eine aktive und selbstverantwortete (und auch selbstfinanzierte) Veränderung, die so zur Basis für weitere Veränderungen wird. Aber sich nur von Anderen schöne Geschenke machen zu lassen, ist kein Zukunftsmodell für die Jugend sondern eher der Anfang vom Ende.

  2. 15.

    Genau das ist doch der Witz an der Sache - mal ein bisschen Selbstironie, Luft zum Schmunzeln und Unterhaltungscharakter. Nebenbei dann noch ein paar Infos vermitteln - so funktioniert Social Media. Jeden erreicht man nie - aber damit bestimmt mal ein paar neue Menschen. Und solange jetzt nicht immer so gesprochen wird, kanns ja nicht schaden.

  3. 14.

    Das Ruhrgebiet ist die dichtestbesiedelte Region Europas! Wenn die pro Kopf so viele Subventionen bekommen hätten wie die in der Lausitz, dann wären sie die reichste in ganz Deutschland. Tatsache ist aber, dass sie keine Milliarden bekommen haben, sondern für die Lausitz zahlen mussten, obwohl sie selber pleite sind. Und aus der Kohle werden sie zwanzig Jahre eher ausgestiegen sein als die Lausitz. Beide Regionen sind Negativbeispiele: die einen werden ruiniert und die anderen werden mit Geld zugeworfen. Und Kioske gab es dort schon immer....

  4. 13.

    Wer ernsthaft denkt, eine Mitte 50 Jährige mit aufgesetzter Sprache, die sie selbst nicht versteht, würde bei jungen Menschen ankommen, sollte schleunigst entlassen werden. An Peinlichkeit nicht zu überbieten.

  5. 12.

    Peinlich

  6. 11.

    Das Endet wie im Ruhrpott Kioske Alkohol ,dass wird die Realität hier siehe Gelsenkirchen Duisburg Dortmund etc. fahrt da mal hin das ist gelebter Strukturwandel.

  7. 10.

    Diese Ingvil Schirling erinnert mich irgendwie an Margot H. und ihrem ähnlichen Bemühen um Bildung der Jugend.
    klappte damals nicht und heute auch nicht. Lasst es sein. Die Jugend kann sich auch um sich selber kümmern und eigene Wege gehen. Die Lebenswege von der Wiege bis zur Bahre zu "pampern" macht nicht so wirklich Sinn.

  8. 9.

    Nun ist ein Schlepptop oder heimische Rechenknecht auch nicht gerade eine Ausgeburt an Intelligenz. Es kommt immer und überall darauf, wer sein Medium wie nutzt. Ich bin mir auch sicher, das in Cottbus und Umgebung auch englisch, französich, türkisch oder was auch immer gesprochen wird. Das ist dann vll. die Muttersprache dieser Leute. Ob nun Meme-Sprache oder Leetspeak zur Anwendung kommt, durch Entfernen der persönlichen Scheuklappen sinkt der eigene Frustrationslevel erheblich. Man muss es ja nicht mitmachen, aber Verstehen kommt von verstehen.

  9. 8.

    Na, na - dünn besiedelt ist nun auch wieder nicht zutreffend. Ist hier doch nicht wie in Sibirien... Gut - im Vergleich zu Berlin...

  10. 7.

    Solange die Jugend nicht erkennt, dass sie irgendwann mal allein für sich gerade stehen müssen und ‚Likes‘ bei ‚Insta‘ und co. wichtiger sind, als die Entwicklung in der Region, ist ein solcher Vorstoß verlorene Liebesmüh.

  11. 6.

    Meme-Sprache, so so. Ich dachte, in Cottbus und Umgebung spricht man Deutsch und Sorbisch. Aber gut, wenn Meme-Sprache verstanden wird, kann davon ausgegangen werden, dass es Möglichkeiten gibt, durch Nutzung sozialer Medien seine Muttersprache weiter zu verhunzen, aber nicht sieht, was rundum passiert. Kleben die Pupillen schon am Kildschirm?
    Smartphone aus! Demo gegen Verblödung durch Dauernutzung.

  12. 4.

    Klar: Sprache verändert sich..aber das alles hört sich lächerlich bis peinlich an. Die Jugend in der Lausitz hat doch Eltern .Schule, sicher auch fast jeder ein Handy für Mediennutzung und lesen können die Allermeisten auch. Wenn man dann nichts mitkriegt, liegt es wohl daran, dass man kein Interesse hat. Dann darf man sich natürlich in ein paar Jahren nicht beklagen, wenn andere etwas aus ihrem Wissen machen.

  13. 3.

    Um in der Jugendsprache zu bleiben: CRINGE !!!

  14. 1.

    Wenn die Jugend von dem Strukturwandel nichts mitbekommt, dann bedeutet dies doch, dass er sie gar nicht betrifft. Da werden Milliarden in eine dünnbesiedelte Region gepumpt, nur weil dort in 13 Jahren keine Kohle mehr abgebaut werden soll - für mich macht das keinen Sinn mehr. In ganz Deutschland ist ein Strukturwandel im Gange, sei es "Industrie 4.0" oder die Produktion mit erneuerbaren Energien etc.. Die Lausitz erhält über die Maßen Steuergeld und weiß schon gar nicht mehr wohin damit und andere Regionen in diesem Land gehen vor die Hunde, das macht alles keinen Sinn.
    Hier ist eine andere Umverteilung von Steuergeld erforderlich.

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