Homeoffice im Süden - "Workation": ein Privileg, das sich nicht alle leisten können

Mo 10.02.25 | 14:14 Uhr | Von Juan F. Álvarez Moreno
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Symbolbild: Eine junge Frau sitzt mit Laptop auf einer Terasse. (Quelle: Picture Alliance/Westend61)
Bild: Picture Alliance/Westend61

Málaga, Madeira, Malaysia: Immer mehr Menschen arbeiten im Winter von warmen und sonnigen Orten aus. "Workation" ist längst mehr als nur ein vorübergehender Trend. Doch nicht jeder kann sich das leisten. Von Juan F. Álvarez Moreno

Wenn Richard an diesem Februartag den Laptop zuklappt und in den Feierabend geht, sind es draußen fast 20 Grad. Die milde atlantische Brise ist angenehmer als der eiskalte Berliner Wind. Nachts fällt das Thermometer selten unter 10 Grad. Nach Feierabend und am Wochenende warten 150 Kilometer Küste, grüne Gebirge, neue Bekanntschaften.

Es tue ihm gut, mehrere Winterwochen auf Madeira zu verbringen und von dort aus zu arbeiten, sagt der 39-jährige Berliner. "Ich wollte dem grauen, tristen Berlin entfliehen. Die Leute sind im Winter schlecht gelaunt, und auch ich werde schlecht gelaunt. Arbeiten ist viel besser, wenn man Vitamin D bekommt."

"Hier ist mein Internet doppelt so schnell wie in Berlin"

Richard ist einer von immer mehr Menschen aus Berlin und Brandenburg, die dem deutschen Winter entfliehen, um in wärmeren Regionen zu arbeiten. Sie erledigen ihre Jobs, wo andere Urlaub machen. Das Ganze nennt sich "Workation" – ein Kunstwort aus den englischen Begriffen "Work" (Arbeit) und "Vacation" (Urlaub). Spätestens seit der Pandemie und der Normalisierung von Homeoffice hat das Modell an Beliebtheit gewonnen.

Für Richard ist es bereits die fünfte Workation. Fast drei Wintermonate im Jahr verbringt er in Ländern wie Malaysia, Kambodscha, Thailand oder Spanien. Dieses Jahr folgen auf Madeira einige Wochen auf Gran Canaria. Neben dem angenehmen Klima sei es für ihn eine spannende Erfahrung, trotz Arbeit andere Länder kennenzulernen. In seinem Unternehmen dürfen alle Mitarbeiter bis zu fünf Wochen im Ausland arbeiten. "Ich sogar zehn Wochen als Sonderregel." Und trotz Urlaubsgefühls könne er produktiv arbeiten: "Ich bin motivierter, weil ich mich auf den schönen Feierabend freue." Ein weiterer Vorteil: "Hier ist mein Internet doppelt so schnell wie in Berlin."

Workation ist kein Trend mehr, sondern längst Realität und zunehmend gefragt

Peter Neumann, Professor für Tourismuswirtschaft

Mehrheit der Unternehmen erlaubt kein Workation im Ausland

Laut einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bieten inzwischen rund 15 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Angestellten die Möglichkeit einer Workation im Ausland. Bei Firmen, die mobiles Arbeiten wie Homeoffice generell erlauben, ist Workation noch verbreiteter: Laut einer Umfrage des Verbands Deutsches Reisemanagement gestatten 43 Prozent solcher Unternehmen ihren Mitarbeitern diese Option. Zudem gilt: Je größer das Unternehmen, desto offener steht es dem Konzept gegenüber.

"Workation ist kein Trend mehr, sondern längst Realität und zunehmend gefragt", sagt Peter Neumann, Professor für Tourismuswirtschaft an der IU Internationalen Hochschule in Münster. Den meisten Menschen gehe es dabei darum, den Kopf freizubekommen und flexibler zu arbeiten. Wie viele Personen in der Region bereits eine Workation gemacht haben, ließe sich jedoch schwer ermitteln.

Arbeitgeber muss zustimmen

Wer mehrere Wochen aus dem Ausland arbeiten möchte, muss einige Dinge beachten. Zunächst ist eine Absprache mit dem Arbeitgeber erforderlich – viele Unternehmen haben mittlerweile entsprechende Betriebsvereinbarungen. Zudem müssen sozialversicherungs- und steuerrechtliche Fragen geklärt werden. Innerhalb der EU ist eine Workation meist unproblematisch, in Drittstaaten kann es komplizierter werden.

In beliebten Workation-Destinationen wie Barcelona, Málaga oder Lissabon wird die steigende Nachfrage kritisch gesehen. Denn viele Workation-Nutzer bevorzugen Ferienwohnungen, was den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt weiter belastet. Barcelona hat daher beschlossen, ab 2028 alle Airbnb-Wohnungen zu verbieten. "Ich unterstütze mit meiner Workation das System Airbnb", räumt Richard ein. "Das finde ich nicht ideal."

Mir ist schon bewusst, dass das ein sehr großes Privileg ist

Richard macht Workation auf Madeira

Noch keine Option für die Mehrheit

Ein weiterer Kritikpunkt: Workation klingt für die meisten Arbeitnehmer und viele Selbstständige in Berlin und Brandenburg wie ein luxuriöser Traum für die Homeoffice-Elite.

"Workation ist derzeit keine Option für die Mehrheit der Gesellschaft", sagt Tourismusexperte Neumann. "Die Arbeitstätigkeit muss es zulassen und man muss es sich leisten können, denn der Arbeitgeber bezahlt es in der Regel nicht." Vor allem unter Selbstständigen und mobil arbeitenden Angestellten gewinne das Modell an Bedeutung – über alle Altersklassen hinweg. "Auch für Familien ist es ein Thema", sagt Neumann. Eltern können während der Schulferien ihre Kinder mitnehmen und ortsunabhängig arbeiten.

"Mir ist schon bewusst, dass das ein sehr großes Privileg ist, dass ich es machen kann, weil es zum einen beruflich geht und der Arbeitgeber mitmacht", erzählt Richard. Außerdem könne nicht jeder Mensch während der Workation die eigene Wohnung untervermieten – wie er es tue –, um Kosten zu sparen. Manche Kollegen könnten es aus familiären Gründen nicht tun, andere würden sich einfach nicht trauen.

Brandenburg könnte von Workation profitieren

Während seiner Workation will Richard nicht viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bei Videokonferenzen nutzt er ein Foto seines Berliner Arbeitszimmers als virtuellen Hintergrund. "Ich möchte nicht, dass ständig gefragt wird: 'Wo bist du denn gerade, Richard?'" Stattdessen konzentriere er sich lieber auf die Arbeit, anstatt vom Wetter auf Madeira zu schwärmen. "Ich will keinen Neid erzeugen."

Wohl weniger neiderregend und warm, aber für mehr Menschen realisierbar, kann auch eine Workation hierzulande sein. Laut Professor Neumann entwickelt sich Deutschland als Workation-Ziel. Und das könnte auch für Brandenburg einen positiven Effekt haben: "Ich sehe bei Workation große Chancen für den ländlichen Raum, weil neue Zielgruppen angesprochen werden und die Nebensaison belebt werden kann." Das könne zur regionalen Wertschöpfung beitragen – wenn man die Angebote richtig steuert.

Madeira, Malta, Mark? Ob die Workation-Hotspots der Zukunft so heißen werden, bleibt abzuwarten. Für Richard und viele andere gilt jedoch: Im Winter zieht es sie dorthin, wo es warm und sonnig ist. "Man ist einfach besser drauf, wenn das Wetter gut ist", sagt der 39-Jährige. Sein Ziel für den nächsten Winter steht schon fest: "Südostasien und Australien." Dann aber nicht als Workation, sondern als viermonatige Auszeit – ganz ohne Arbeit.

Beitrag von Juan F. Álvarez Moreno

24 Kommentare

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  1. 24.

    Um so zu arbeiten, muss man alles gut alleine managen können, bereit dazu, immer und überall neue Menschen und Situationen kennenzulernen, sprich ein hohes Maß an Flexibilität und Eigenverantwortung, das liegt einfach nicht jedem.

  2. 23.

    ja schneemänninnen sind natürlich auch schön :)
    nur gibt's in der Region ja auch gar keinen Schnee mehr, nur deprimierendes Schmuddelwetter...aber wenn man's kalt und frostig mag, gibt's sicher auch in der EU Orte, an denen man da fündig wird.
    mir persönlich wärs im mediterranen Raum im Sommer auch viel zu ungemütlich, aber bei 15-20° lässts sich im garten unter zitronen und orangenbäumen sehr angenehm arbeiten ;)

  3. 22.

    Sie würden sich jederzeit wieder für Ihre Familie entscheiden und trotzdem scheint es Ihnen ein Dorn im Auge zu sein, dass andere ihre Entscheidung unabhängig davon machen können. Was Sie dabei übersehen, ein solches Leben erfordert viel Flexibilität, viel Selbstbewusstsein, die Bereitschaft, sich ständig mit neuen Lebenssituationen auseinanderzusetzen und auch viel Risikobereitschaft (ich z.B. würde meine eigene Wohnung nur ungerne an andere Menschen vermieten). Ich verstehe nicht, warum sie ein solches Leben als "Rosinen rauspicken" bezeichnen und letztendlich nicht auch sehen, dass es einen ganz bestimmten Charakter braucht, um ständig alleine ins Ungewisse zu wechseln. Mich faszinieren solche Menschen, denn ich könnte es nicht. Um so zu arbeiten, muss man alles gut alleine managen können, bereit dazu, immer und überall neue Menschen und Situationen kennenzulernen, sprich ein hohes Maß an Flexibilität und Eigenverantwortung, das liegt einfach nicht jedem.

  4. 21.

    So sieht es aus. Jeder sollte die Möglichkeiten nutzen, die ihm gegeben werden oder die er sich nehmen kann.
    Ich bin nicht neidisch und stehe eher auf Schneemänner als auf Palmen und Kaktusfeigen. Es ist doch toll, wenn die Berufswelt so liberal sein kann und nicht jeder im Hamsterrad festhängen muss. Nebenbei kann man noch eine Fremdsprache lernen, neue Leute kennenlernen und vielleicht ein bisschen entspannter leben als hier.

  5. 20.

    Mein Arbeitgeber erlaubt Workation, dass für die internationalen Teammitglieder ist, damit sie etwas länger bei der Familie im Heimatland sein können. Da sie dort kostenlos wohnen und es egal ist, ob der Flug zwei Wochen später geht. Ich könnte auch Workaktion machen, aber eine Woche Ostsee länger finanzieren und 8 Stunden am Tag arbeiten müssen? Ich verdiene nicht genug, damit sich das rechnet.

  6. 19.

    jeder ist seines glückes Schmied.
    ich habe mir in den letzten Jahren auch das Privileg erkämpft in den Wintermonaten von Griechenland aus zu arbeiten.
    ich kann die neiderfüllten gegenargumente verstehen. aber wie Richard schon sagt: viele trauen sich halt auch gar nicht.
    wenns einem wichtig ist, hat es jeder selbst in der Hand, wie er sein Leben gestalten möchte. ich persönlich bin super dankbar in einer Zeit zu leben, in der es diese möglichkeiten gibt.
    und wie man's sich finanziert ist ja wohl jedem selbst überlassen, eine solche Diskussion zeigt nur von Neid und Missgunst und schlechter Laune, weil das Wetter hier so sch... is ;)

  7. 18.

    Mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit hat dieses Länderhopping jedenfalls nichts zu tun.

  8. 17.

    Mich würde interessieren, was Richard während seiner Zeit im Süden mit seiner Wohnung in Berlin macht. Womöglich deutlich gewinnbringend untervermieten, um so sein Leben in der Sonne zu finanzieren?

  9. 16.

    Sieht aus, wie auf meiner Terrasse!

  10. 15.

    Respekt! Und tolle Einstellung, so werden Sie noch lange und glücklich leben!

  11. 14.

    Warum könnte das kein Portugiese machen? Na klar, könnte er. Ich war in einer großen Firma beschäftigt, die international tätig ist. Es war Usus, dass jeder in seinem Arbeitsbereich alles können musste, das wurde einfach erwartet. Es gab Anleitungen in 6 verschiedenen Sprachen und fertig. Dort waren viele Südeuropäer beschäftigt und alle waren sehr fleißig, meist gut gelaunt, immer freundlich und absolut leistungsfähig. Viele hatten einen Hochschulabschluss und wenn Not am Mann war, erledigten sie eben auch andere Arbeiten, da maulte keiner rum, von wegen steht nicht in meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in unserem Land, wäre es vielleicht ratsam, unser System zu überprüfen, denn das dortige funktionierte perfekt.

  12. 13.

    Es ist eine Schlussfolgerung aus ihrem ersten Post, dass Neid zu den Aussagen führte. Auch ich habe es so verstanden. Woher nehmen Sie die Annahme, dass sie Richard mitziehen müssen und bei was?
    Und an welchem Punkt ist für Sie klar, dass es sich um einen Egoisten handeln muss und wer sagt, dass er im Alter nicht gänzlich auswandern wird?
    Dem Artikel nach entnehme ich, dass Richard sich seines Privileg bewusst ist und die Möglichkeiten nutzt, die ihm sein AG gibt und das finde ich wenig verwerflich, sondern menschlich. Das würde ich an seiner Stelle auch und vage sogar zu behaupten, viele andere, wenn sie Möglichkeit hätten, ebenso.
    Des Weiteren finde ich es sehr gut und anerkennend, dass Sie sich immer wieder für ihre Familie entscheiden. Es gibt mit Sicherheit auch eine Menge die das nicht tun, aber eben auch so funktioniert die Gesellschaft. Und sie wird nicht gerechter, wenn wir anderen neiden.

  13. 12.

    Ich bin seit vier Jahren Dachdecker im Homeoffice. und als Selbständiger, habe ich keinen Chef und auch wenig Aufträge, sodaß mir viel Zeit für mich selbst bleibt! Leben ist jetzt, nicht als Rentner!

  14. 11.

    Ein gutes Beispiel für den Riß der unsere Gesellschaft in diesem Falle den Arbeitsmarkt zerteilt. Spätestens seit der Pandemie teilte sich die Berufswelt in Menschen, die "von zu Hause" aus arbeiten konnten und jene, von denen weiter erwartet wurde, dass sie pünktlich an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, um dem ersten Teil ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Industrieproduktion, Handwerk, Dienstleistung am Menschen, Nah-und Fernverkehrsleistungen lassen sich nunmal nicht vom heimischen Sofa aus bewältigen. Vom heimischen Sofa aus wurde aber erwartet, dass die Pizza auf Anruf kommt und der Lieferdödel den Kasten Edel-Mineralwasser bis in den 5 Stock schleppt. Auch das Müllabfuhr, Gesundheitswesen und Handwerkerdienstleistungen musste immer gewährleistet sein. Vor die Berufswahlgestellte junge Menschen haben heute auch oft die Wahl der Qual zwischen einem Beruf in Präsenz mit festen Dienstzeiten oder ausgelebter Work-Life-Balance und wohin die Entscheidung dann fällt ist klar.

  15. 10.

    Auch im Jahr 2025 besteht die Berufswelt nicht ausschließlich aus hippen Endzwanzigern, die den ganzen Tag wichtig auf ihr Notebook starren.

    "Nein, was Richard leistet könnte kaum ein Einwohner aus dem sonnigen Land ersetzen."

    Woher wollen sie denn wissen, was "Richard" leistet? Steht doch überhaupt nicht im Artikel. Weder was er leistet, noch bei welcher Firma.

  16. 8.

    Wieso schon wieder diese Neiddebatte? Ich bin nicht neidisch, ich würde mich jederzeit wieder für meine Familie entscheiden. Ich frage mich aber, wieso solche Leute nicht einfach final auswandern und zwar mit allen Konsequenzen. Auch später im Alter. Mir ist es einfach zuwider, wenn Leute sich immer nur die Rosinen rauspicken. So funktioniert unsere Gesellschaft nicht für alle.

  17. 7.

    Wenn ich keine Familie hätte, würde ich das auch sofort machen. Ich finde Berlin furchtbar und den Winter mag ich auch nicht. Vielleicht klappts das dann im nächsten Leben ;-)

  18. 6.

    Ich glaube auch, dass es vor allem Neid und Missgunst ist, die Herrn/Frau "Punkt" zu einem solchen Posting bewegen. Und "Daniel" möchte ich zurufen: Nein, was Richard leistet könnte kaum ein Einwohner aus dem sonnigen Land ersetzen.

  19. 5.

    Hauptsache er verliert nicht den Blick und macht Briefwahl, denn auch seine Stimme zählt und sein Privileg nicht gefährdet wird.

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