Demographischer Wandel - Deutschland wird immer älter - in Brandenburg an der Havel zeigen sich die Folgen

Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Dieser Trend ist auch in Brandenburg an der Havel erkennbar: 30 Prozent aller Haushalte sind dort mittlerweile sogenannte Seniorenhaushalte. Von Götz Gringmuth-Dallmer und Philipp Rother
In den Städten, Gemeinden und Dörfern in Deutschland vollzieht sich ein stiller, aber tiefgreifender Wandel: Die Gesellschaft altert - immer mehr Menschen sind 65 Jahre oder älter. Im Jahr 1991 gehörten zwölf Millionen Bürgerinnen und Bürger dieser Altersgruppe an. 2022 waren es bereits 18,7 Millionen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in dieser Zeit von 15 auf 22 Prozent gestiegen.
Auch in Brandenburg an der Havel wird dieser Trend sichtbar. Mehr als ein Viertel (27,9 Prozent) der Einwohnerinnen und Einwohner sind dort 65 Jahre oder älter. In Potsdam sind es im Vergleich lediglich 20,2 Prozent, im ganzen Bundesland Brandenburg 25,6 Prozent. Das geht aus Zensus-Daten hervor, die das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg veröffentlicht hat. [statistik-berlin-brandenburg.de]
In ganz Deutschland steigt der Altersschnitt
"Potsdam ist in Sachen Altersstruktur eher mit anderen Großstädten vergleichbar. Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze ziehen viele jüngere Menschen an", sagt Florian Breitinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berlin-Institut, im Gespräch mit dem rbb: "Brandenburg an der Havel zeigt den Trend, der in großen Teilen Deutschlands zu beobachten ist."
Grund dafür ist die anhaltend niedrige Geburtenrate. Seit den 1970er Jahren ist diese niedriger als die Sterberate. Dadurch sinkt der Anteil jüngerer Menschen in der Bevölkerung. Zudem steigt die Lebenserwartung kontinuierlich an. Darüber hinaus feiern immer mehr Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen der Babyboomer-Generation ihren 65. Geburtstag. "Durch diese Aspekte erhöht sich die Zahl der älteren Menschen immer weiter, die Gesellschaft wird immer älter", so Breitinger.
Die Menschen in Brandenburg an der Havel sind laut Zensus-Daten im Schnitt 47,4 Jahre alt - und damit deutlich älter als die Menschen im ganzen Bundesland (46,8) und in Potsdam (42,6). "Damit ist die Stadt in guter Gesellschaft - in ganz Deutschland steigt der Altersschnitt", erläutert Breitinger. Das sei in allen westlichen Industrienationen ein genereller Trend.
Alterung der Gesellschaft hat vielfältige Konsequenzen
Die Alterung der Gesellschaft hat vielfältige Konsequenzen. Einerseits entsteht eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt, die von nachkommenden Generationen zahlenmäßig nicht gefüllt werden kann. "Es wird immer schwieriger, Fachkräfte zu finden", so Breitinger. "Mittelständische Unternehmen werden Probleme haben, die Geschäftsführung nachzubesetzen. Das ist mitunter existenzbedrohend. Das wird auch für eine Stadt wie Brandenburg an der Havel ein wirtschaftlicher Faktor." Das beeinflusse die Produktivität. Auch der Konsum werde sich verringern.
Andererseits stehen die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen durch die Alterung zunehmend unter Kostendruck. Zudem steigt die Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen. "Es werden weniger junge Menschen da sein, die die Pflege durchführen können - das merken wir ja teilweise jetzt schon", erläutert Breitinger. Er sieht aber auch politische Auswirkungen: "Das politische Stimmgewicht der jungen Menschen wird immer geringer als das der älteren."
Viele Seniorenhaushalte in Brandenburg an der Havel
Die Analyse der Zensus-Daten zeigt darüber hinaus, dass 30 Prozent aller Haushalte in Brandenburg an der Havel sogenannte Seniorenhaushalte sind - also Haushalte in denen mindestens eine Person im Alter von 65 Jahren oder älter lebt. Der Wert liegt über dem brandenburgweiten Mittel (27,7 Prozent) und deutlicher über dem Potsdamer Wert (22,4).
Mehr noch: Den Statistiken zufolge lebt fast die Hälfte aller Menschen in Brandenburg an der Havel allein. "Das betrifft in dem Fall vor allem Frauen ab 50. Sie leben länger, sind aber auch immer öfter verwitwet", erklärte Breitinger: "In vielen Städten wie Brandenburg an der Havel müsse daher ein Umdenken stattfinden. Es braucht deutlich mehr kleinere Wohnungen, und es braucht mehr dritte Orte, um dort Gleichgesinnte kennenzulernen." Auch in Potsdam (51,1 Prozent) leben deutlich mehr Menschen als im brandenburgweiten Durschnitt (41,8 Prozent) alleine. In der Landeshauptstadt sind es aber vorrangig jüngere.
Demografischer Wandel wird fortschreiten
Der demografische Wandel wird fortschreiten, die Alterung der Gesellschaft sich in den kommenden Jahrzehnten weiter verstärken. Prognosen zufolge wird der Anteil der Menschen ab 65 Jahren in den nächsten 30 bis 40 Jahren deutschlandweit auf mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung ansteigen. "Der Trend wird anhalten. Und es ist davon auszugehen, dass sich dadurch auch die Probleme weiter verstärken werden", sagt Breitinger. "Durch Anreize für Familien kann gegengesteuert werden, und durch gezielte Zuwanderung."